Ich muss ehrlich gestehen, ich bin erschüttert. Obwohl ich mir der Ursachen bewußt bin, obwohl ich mit einer Null-Erwartung in das erste Relegationsspiel gegangen bin, bin ich trotzdem erschüttert. Dabei hat mich gar nicht mal so sehr die Leistung des HSV erschüttert, diese ist erklärbar. Vielmehr erschüttert es mich, wie weit wir nicht nur von der europäischen oder deutschen Spitze entfernt sind. Wir sind sogar Welten von der deutschen Mittelklasse entfernt. Im gestrigen Spiel wäre die Mannschaft des Hamburger Sport Vereins mit größter Wahrscheinlichkeit von jeder anderen Bundesliga-Mannschaft geschlagen worden und betrachtet man dies als Ergebnis einer Saison, dann muss man so ehrlich sein und zugeben, dass der HSV in diesem Jahr zu Recht  absteigen wird.

Gern und publikumswirksam wird in Zeiten des Mißerfolges die Laufleistung eines Teams als Erfklärung herangezogen. Auch gestern liefen die Spieler des HSV mit einer Gesamtdestanz von 115,9 km deutlich weniger als der Gegner aus Fürth (119,1 km).

Woran aber liegt das ? Warum ist der HSV in eigentlich jedem Spiel dem Gegner physisch unterlegen ?

Ich denke, dies hat mehrere Gründe. Zum einen wurde die Mannschaft vor dieser Saison körperlich ganz offenbar nicht auf eine solche Saison vorbereitet. Thorsten Fink wollte sein System des Ballbesitzes und der spielerischen Dominanz weiterhin durchziehen, hatte er doch in der Saison davor mit Platz 7 das Saisonziel erreicht. Auf moderne Aspekte wie aggressives Offensiv-Pressing wurde weitgehend verzichtet, braucht man ja eigentlich auch nicht, wenn man fast durchgehend den Ball hat. Dass es Mannschaften gibt, die dominant spielen und trotzdem offensiv pressen, zeigt sich am Beispiel der Bayern, aber davon sollten wir lieber nicht anfangen.

Die Mannschaft wurde also vor der Saison auf ein Spielsystem getrimmt, obwohl sie rein personell dafür gar nicht ausgelegt war.

Ein weiterer, vielleicht noch wichtigerer Punkt: Die Mannschaft ist einfach katastrophal zusammengestellt. Dabei ist das wirklich schlimme – der HSV hat durchaus gute bis sehr gute Bundesligaspieler in seinen Reihen. Nicht umsonst schlagen Spieler, die beim HSV nicht performed haben, bei anderen Vereinen plötzlich ein (Berg, Bruma, Sala, Skjelbred, Aogo etc.)

Wenn ich aber in einem Kader von 29 Spielern einen rechten Außerverteidiger habe (Diekmeier)

Wenn ich genau einen linken Außenverteidiger habe (Jansen)

Wenn ich exakt einen Mittelstürmer habe (Lasogga)

Wenn ich dafür aber sieben Innenverteidiger im Team habe (Tah, Djourou, Sobiech, Westermann, Rajkovic, Mancienne, Kacar)

Wenn ich dafür sieben Spieler für die 6-er Position habe (Badelj, Rincon, Jiracek, Demirbay, Bouy, Tesche, Arslan)

…dann muss ich mich als Fan, als Trainer, aber eigentlich auch als kontrollierender Aufsichtsrat fragen, ob in diesem Verein einige den Schuss noch gehört haben.

Das Problem des HSV wird an genau dieser Stelle überdeutlich – man hat auf eminent wichtigen Positionen NULL Alternative. Das hat zur Folge, dass angeschlagene Spieler viel zu früh wieder auf’s Feld müssen, weil man ansonsten einen adhoc-umgeschulten Spieler auf eine artfremde Position stellen muss (Zoua als Mittelstürmer, Westermann oder Jirack als Linksverteidiger, Cahanoglu erst außen, dann in die Mitte, dann wieder zurück)

Bringt man aber Spieler, die ihre Verletzung nur notdürftig auskuriert haben (Lasogga, van der vaart, Badelj, Westermann, Jansen, Diekmeier, Ilicevic) notgedrungen zu früh wieder auf den Platz, können diese Spieler natürlich nicht zu ihrer normalen Leistung fähig sein.

Hinzu kommt: Die Mannschaft ist taktisch einfach nicht in der Lage, einen anderen Weg zu gehen. Man spielt seinen Stiefel runter und wenn’s klappt, ist’s gut. Wenn’s nicht klappt, fehlen die taktischen Alternativen. Die Mannschaft ist nicht in der Lage, innerhalb des Spiels umzuschalten und auf Situationen zu reagieren. Geht der Matchplan nicht auf, bekommt man z.b. ein frühes Gegentor, steht man im Regen. Auch an dieser Stelle wurde bei der Kaderzusammenstellung mehr als geschlampt. Man hat zwar Spieler verpflichtet, die Fußball spielen können, aber man hat es eindeutig verpaßt, Spieler mit heutzutage dringend notwendiger Spiel-Intelligenz zu holen.

Die Spieler wollen nicht

Eine Behauptung, die in Zeiten der Krise gern aufgestellt wird. „Die Söldner wollen doch gar nicht, die sind mit ihren Gedanken längst bei anderen Vereinen“.

Das stimmt garantiert nicht. Wir sprechen über Leistungssportler, die sich in einem knallharten Selektionsverfahren gegen Millionen andere Jungs druchgesetzt haben. Das schafft man nicht, wenn man nicht gewinnen will. Nein, die Spieler wollen, aber sie können nicht. Zu der körperlichen Blockade aufgrund des falschen Trainings und der verletzungsbedingten Fehlzeiten kommt jetzt noch die mentale Blockade hinzu, die Angst.

Im Moment hat doch jeder Spieler des HSV Angst, den entscheidenden Fehler zu begehen. Den ultimativen Fehlpass zu schlagen, das Eigentor zum Abstieg zu erzielen. Dies kann ich aber nur dann tun, wenn ich den Ball habe, insofern möchte niemand in der aktuellen Situation die Führung übernehmen. Und die, von denen man es erwarten könnte (van der Vaart, Westermann, Adler), können es aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht. Auch hier wurde von Seiten der Vereinsführung versäumt, Spieler zu verpflichten, deren Persönlichkeitsstruktur solche Situationen aushält.

Sollte es am nächsten Sonntag in Fürth tatsächlich passieren, dann werden eindimensionale Anhänger selbstverständlich auf die Spieler losgehen. Die wahren Schuldigen an der katatrophalen Situation aber tragen keine kurzen Hosen. Die wahren Schuldigen sitzen im (kompletten) Vorstand des HSV und die wirklichen Schuldigen saßen im Aufsichtsrat, bevor sie sich durch die Tiefgarage davongeschlichen haben. Die Herren Ertel, Hunke, Meier, Westphalen, Klüver, Floberg, Erhardt, Eghbal etc. haben dem HSV einen Sportchef verpasst, der in einer einzigen Saison in der Lage war, wirklich jeden Fehler zu begehen, den ein Sportchef nur begehen konnte. Sie haben mit Carl-Edgar Jarchow einen visionslosen Sparschäler installiert, der mit unsinnigen Prognosen völlig unsinnige Erwartung geschürt hat.

Die Mitglieder des HSV haben am 25.05. die Wahl. Jeder, der mit diesen Herren im Vorstand weitermachen möchte, bleibt bitte zuhause, macht das nächste Bier auf und pöbelt auf die Spieler, die dann in der zweiten Liga gegen den Abstieg kämpfen werden.

Diejenigen, die den HSV noch immer nicht aufgegeben haben, kommen am 25.05. in die Arena und rechnen mit den Versagern in den langen Hosen ab. Nicht mit Lautstärke, nicht mit Gepöbel, schon gar nicht mit Gewalt. Nur mit ihrer Stimme !

Wir sehen uns !