Für alle, die es immer noch nicht verstehen wollen – Profi-Fußball ist Geschäft und sonst nichts. Die Einzigen, die echte Emotionalität und Vereinsverbundenheit in das falsche Spiel bringen, sind die Mitglieder und Fans. Für alle anderen, ob es nun Trainer, Manager oder Spieler sind, gilt: Der Preis macht die Musik.

Wer das nicht begriffen hat und auch in Zukunft nicht begreifen will, der wird mit jedem Wechsel eines beliebten Spielers, mit jedem Abgang eines erfolgreichen Trainers zu einem Verein, der nicht besser ist, sondern einfach nur besser bezahlt, dauerhafte Probleme haben.

Dabei ist wichtig, ganz besonders im Hinblick auf den Hamburger Sport Verein, dass man nicht vergisst, grundsätzlich beiden Seiten zu beleuchten. Das „Gute“ ist nie nur gut und das „Schlechte“ nie vollkommen schlecht. Sicherlich neigen viele Fans dazu, sich ihre persönlichen Feindbilder zu bauen, aber eines ist mal sicher.

Nichts ist wie es scheint

Aktuell beschäftigt sich der gemeine HSV-Fan mit dem Calhanolgu-Skandal und ich kann alle diejenigen verstehen, die komplett außer sich sind, denn ich bin es auch. Die Art und Weise, wie hier mit dem „Faktor Psychische Erkrankung“ hantiert wurde, muss ein Schlag ins Gesicht all derjenigen sein, die tatsächlich ein solches Krankheitsbild reflektieren und zum Teil nicht wissen, wo der Ausweg ist. Seelische Erschöpfung, Nervenzusammenbrüche, Burn-outs. Oft genug enden solche Krankheitsverläufe dramatisch, man muss nicht mal soweit gehen und an die Fälle Enke und Rafati erinnern.

Im Fall Calhanoglu wurde eine Diagnose und eben auch eine Behandlung einer solchen Krankheit in dem Moment konterkariert, als der Spieler nur Stunden nach seiner Unterschrift vor Glück strahlend den Trainingsplatz in Leverkusen betrat und – schwupps – als geheilt galt. Eine solche Blitzheilung ist schlichtweg nicht möglich und das Bild, welches der Verein Bayer 04 Leverkusen, aber eben auch die Bayer AG als Hauptanteilseigner in diesem Fall spielen, halte ich für mindestens genauso fragwürdig wie das Verhalten des Spielers, seines Berater und besonders seines Vaters.

Ich hätte von dem Verein Bayer 04 Leverkusen erwartet, dass man den Spieler zumindest einige Tage zur Untersuchung be- und ihn vom Training fernhält, um ganz sicher zu gehen, dass die „Symptome“ abgeklungen sind. Aber – weit gefehlt. Den Verantwortlichen in Leverkusen ist es schlichtweg scheißegal, was Rest-Fußballdeutschland denkt. Insofern ist nicht nur das Image des Spielers Hakan Calhanoglu, sondern eben auch das Image des Vereins Bayer 04 Leverkusen nachhaltig beschädigt worden.

Aber – nicht alle Ankläger des Spielers sind auch Gewinner, besonders diejenigen nicht, die am lautesten pöbeln, selbst aber den meisten Dreck vor der eigenen Haustür liegen haben.

„Es gibt keine Chance mehr für die drei Kandidaten“, sagt Kreuzer über Michael Mancienne (25), Paul Scharner (33) und Slobodan Rajkovic (24). Der Sportchef räumt auf.

Es ist eine recht unverhohlene Drohung: Abgang oder Tribüne.

„Das ist für sie eine Chance, sich einem neuen Arbeitgeber zu präsentieren. Mehr nicht“, sagt Kreuzer.

(Mopo vom 13.07.2013)

 

Der neue HSV-Manager Oliver Kreuzer greift durch: Marcus Berg, Robert Tesche und Gojko Kacar wurden aussortiert und dürfen nicht mehr mit der Mannschaft trainieren. Das Trio soll den Verein verlassen.

(Die Welt vom 09.06.2013)

Schon vergessen, Herr Kreuzer? Oder schon verdrängt?

Da sieht man mal, wie so ein Genesungsprozess laufen kann. Man muss nicht mehr um den heißen Brei herumreden. Das ist ganz beschissen gelaufen und hat einen faden Beigeschmack“, poltert Oliver Kreuzer, der nicht den Transfer, sondern nur den Weg dorthin scharf kritisiert.

„Das war nicht Hakan, das war auch nicht sein Berater. Das war sein Vater. Das ist wohl die Mentalität“

(Mopo vom 07.07.2014)

Guck an. Wenn ein Spieler inkl. Familie und Berater ein schmutziges Spiel spielt (und nichts anderes war das), dann echauffiert sich der Noch-Sportchef. Wenn er selbst aber Spieler, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen und die genau wie Hakan Calhanoglu im Besitz eines gültigen Vertrages beim HSV waren, auf übelste Art und Weise wegmobbt und wie menschlicher Abfall behandelt, um sich das Profil eines harten Hundes zu verschaffen, dann ist das natürlich ok.

Da wäre sie wieder, die Doppelmoral und so leid es mir tut, so geht’s einfach nicht. Kreuzer hat unter anderem mit seinem Verhalten gegenüber Mancienne, Rajkovic, Kacar, Berg, Scharner und Tesche eine Tür aufgestoßen, durch die Calhanolgu zusammen mit seinem Daddy nun gegangen ist.

Warum sollte ich mich als Spieler loyal meinem Verein gegenüber zeigen, wenn der Verein demonstriert, wie loyal er gegenüber seinen Spielern ist? Und jetzt möchte ich einen hören, der behauptet: „Das kann man doch gar nicht vergleichen“. Doch, man kann. Man muss sogar.

Kreuzer hätte in diesem Fall einfach einmal schweigen sollen, aber das kann er nicht. Er muss zu allem seinen Senf abgeben, zu jedem Thema seine Meinung äußern. Glücklicherweise neigt sich dieses unsägliche Kapitel des Vereins seinem Ende zu.

Am morgigen Mittwoch präsentiert der HSV nun seinen neuen Vorstandsvorsitzenden. Dietmar Beiersdorfer tritt nach vollendeter Eintragung der HSV Sport AG ins Handelsregister einen Job offiziell an, den er inoffziell bereits seit Wochen ausübt. Aber jetzt kann er halt auch öffentlich wirken und ich hoffe nur, dass nicht allzu viele Mitglieder  morgen um 12.14 Uhr mit der Verpflichtung eines Weltstars rechnen, denn das wird nicht passieren.

Viel wichtiger als die kurzfristige Präsentation irgendeines Spielers wird ohnehin die Neuordnung der Verantwortlichkeiten sein. Der viel-besungene stinkende Kopf muss zwingend verändert und verbessert werden. Wann denn nun Peter Knäbel den Job von Oliver Kreuzer und wann denn nun Bernhard Peters den Job als Nachwuchschef von Michael Schröder übernehmen wird, bleibt abzuwarten. Ebenso bleibt abzuwarten, ob Joachim Hilke sofort oder erst nach Ablauf seines Vertrages gehen muss, denn mit Christian Müller (Ex-DFL-Geschäftsführer für Lizensierung und Finanzen) steht ein weiterer Neuzugang in den Startlöchern.

Für den HSV wäre es wichtig, sein eigenes Profil zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern.In der Vergangenheit wurde extrem viel Porzellan zerschlagen und es wurden Fehler ohne Ende gemacht. Aber – wie schrieb ich im Verlauf des Textes bereits? Nichts ist wie es scheint.