Laktattest, Ernährungsplan, Trainingspläne für den Urlaub, Microchips mit Leistungsdaten jedes Spielers, Laufwegsanalyse anhand von Fernsehbildern, Statistiken zu so gut wie jedem Schritt, den ein Fußballprofi heute während des Spiels macht. Der gläserne Spieler ist kein Zukunftsmodell mehr, er ist längst Realität geworden.

Der allerletzte Schrei sind neuerdings diese modernen Westen von adidas, die während einige Trainingsspiele getragen werden und die in nahezu Echtzeit dem Trainer – und Analyseteam im Detail aufzeigen, wie ein Spieler wann wohin in welcher Geschwindigkeit mit welcher Tempo-Entwicklung gelaufen ist. Anhand dieser Daten sind Ruhepausen oder wichtige Läufe im Trabtempo nicht mehr möglich und ein Spieler, der meint, sich solche Läufe erlauben zu können, wird unmittlbar nach Trainingsende mit seinen „Fehlern“ konfrontiert. Spaß ist anders.

Aber nicht nur das. Dem Trainerteam ist es anhand dieser Analyse-Westen auch möglich, die exakten Laufwege nachzuvollziehen und sofort Korrekturen einzubauen.

Dies ist vor dem Hintergrund, dass der Fußball heutzutage immer wissenschaftlicher wird, von immenser Bedeutung. Wer immer noch denkt, dass ein Spieler im heutigen Profifußball irgendwo hinläuft, weil er gerade nichts besseres zu tun hat, hat den Fußball 2014 nicht verstanden und wird sich dauerhaft auf Stammtisch-Niveau unterhalten können.

Freiwald: „Neben physiologischen Daten auch physikalische Messgrößen“

Über GPS, also das Global Positioning System, wird auf allen Fußballplätzen der Welt die Position des Spielers bestimmt. Zudem werden seine Beschleunigungen in alle Richtungen und seine Pulsfrequenz erfasst. „Wir sind nun in der Lage, neben den üblichen physiologischen Daten auch physikalische Messgrößen zu ermitteln.
Nach entsprechender Auswertung können wir unsere Spieler noch spezieller, also individueller trainieren“, erklärt Professor Jürgen Freiwald, der Koordinator für Leistungsdiagnostik, Kondition, Prävention und Rehabilitation, auf dessen Vorschlag hin das neue System angeschafft wurde.

Im Grunde folgt damit der Fußball nur einem Trend, den beispielsweise der American Football schon längst eingeläutet hat. Was für Uneingeweihte aussieht, wie ein Riesenchaos und ein Knäul aus wild aufeinander prügelnden Hünen, ist tatsächlich Wissenschaft bis ins Detail. Jede Mannschaft trainert Dutzende von Spielzügen und die dazu gehörenden Alternativen. Denn dies ist die tatsächliche Herausforderung für die Spieler: Klappt Plan A aus irgendwelchen Gründen nicht (vielleicht, weil sich der Gegner drauf eingestellt hat), muss sofort auf Plan B umgeschaltet werden können und notfalls auf Plan C. Besonders vom Spielmacher (Quarterback) wird neben totaler körperlicher Fitness und einen perfekten Wurfarm eine Sache erwartet, die auch im Profi-Fußball immer wichtiger wird: Handlungsschnelligkeit. Ein Spielzug, ein Pass, eine Finte muss innerhalb von Sekundenbruchteilen abgeändert und durch eine neue Idee ersetzt werden können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Spielz%C3%BCge_im_American_Football

Dies gilt für den Offensivbereich. Im Defensivverhalten wird von den gleichen Spielern mehr und mehr erwartet, dass sie nicht nur ihren Deckungsaufgaben nachkommen, sie sollen auch in der Lage sein, das Spiel des Gegners so gut wie möglich zu lesen. Antizipation lautet das Zauberwort. Ein Spieler muss im Idealfall bereits an der Körper- bzw. Schusshaltung des Gegenspielers erkennen oder besser erahnen können, was dieser vorhat. Je öfter dies gelingt, umso häufiger ist die verteidigende Mannschaft in der Lage, das Angriffspiel des Gegner frühzeitig zu unterbinden und einen Gegenangriff einzuleiten, während sich Großteile der gegnerischen Mannschaft noch in der Vorwärtsbewegung befinden. Dies spart Kraft, erfordert aber ein hohes Maß an Konzentration.

„Geht’s raus und spielt’s Fußball…“

Franz Beckenbauer soll dies seinen Spielern während der WM 1990 gesagt haben und es impliziert wohl, dass „der Kaiser“ von den Fähigkeiten seiner Spieler so überzeugt war, dass taktische Maßgaben nicht notwendig erschienen.

Wenn heute ein Übungsleiter seine 11 Spieler ohne taktische Vorbereitung, ohne Stärken/Schwächen-Analyse des Gegner einfach so auf’s Feld schicken würde und ihnen „macht einfach mal“ mit auf Weg geben würde, ein Debakel wäre das Resultat.

Im Grunde ist heute nahezu alles geplant. Zuordnungen bei Ecken und Freistößen (sowohl offensiv wie auch defensiv), Laufwege bei Angriffen, Pressingverhalten bei Gegenangriffen. In Zeiten der Raumdeckung ist ganz klar definiert, welcher Spieler welchen Gegenspieler wann „übernimmt“, welcher Spieler in welchem „Planquadrat“ des Platzes attackiert und welcher Spieler ihn hierbei unterstützt. Dies zu wissen ist übrigens immer dann von Vorteil, wenn der geneigte Hobby-Bundestrainer meint …

„Warum nimmt er nicht X raus und bringt dafür Y? Der Mann hat doch keine Ahnung“

Tja, ganz so einfach ist es eben doch nicht. Eine Fußballmannschaft ist ein fragiles Gerüst und man kann eben nicht einfach mal einen Stürmer für einen Verteidiger einwechseln, um für mehr Offensivpower zu sorgen.

Auch ein anderer, für mich ganz entscheidender Punkt wird vom Zuschauer häufig nicht erkannt, weil er sich damit auch ungern beschäftigt. Wie viel leichter ist es doch, einem Spieler, auf den man sich eingeschossen hat, Unfähigkeit zu attestieren, als einmal darüber nachzudenken, welche Funktion dieser Spieler eventuell im Matchplan des Trainers gehabt haben könnte.

Ich erinnere mich an die Aussage von Marcel Ketelaer, dem besonders in Hamburg oft und gern Versagen unterstellt wurde. Der ehemalge Gladbacher erklärte einmal in einem Interview seine Verzweiflung darüber, dass er nach einem Spiel von dem Trainer gelobt wurde, weil der seine Aufgabe erfüllt hatte. Welche Aufgabe dies war, wußten natürlich weder Zuschauer noch Journalist, aber während der Trainer mit Ketelaer zufrieden war, erhielt er von den Zuschauern Pfiffe und von der BILD eine 5.

Man sieht – so einfach, wie es sich die meisten TV-Experten machen, ist es leider nicht mehr. Ich würde mir wünschen, dass besonders die Herren von der berichtenden Zunft einen Trainer öfter einmal fragen, ob er mit der Performance eines Spielers einverstanden war und ob dieser Spieler den Plan erfüllt hatte. Vielleicht könnte man sogar einmal die Frage stellen, welche Augabe ein Spieler gehabt hat, bevor ich ihn mit einer miesen Note abstrafe.

Dies gilt im Übrigen auch für Spieler, die ein Trainer aufstellt, auch wenn es auch Sicht der „Besser-Trainer“ keinen Sinn macht.

AlexanderZorniger (Trainer RB Leipzig) : Ich kann Ihnen schon heute sagen, dass ich im ersten Saisonspiel gegen den VfR Aalen genau die richtige Formation für uns auswählen werde. Das heißt aber nicht, dass wir damit auch gewinnen. Genau dann wird aber irgendjemand schreiben: Wie kann er denn in der ersten Partie Spieler X draußen lassen?

Aber das macht Mühe, man muss nachdenken und wer will das schon? Dabei macht nichts einem Trainer mehr Spaß, als über seinen Sport zu reden.