Leute, ihr müsst mir mal bitte helfen. Obwohl ich mir seit Jahren immer wieder sage und auferlege, mich nicht mehr über derartigen Schwachsinn aufzuregen, so gerate ich doch bei nahezu jedem HSV-Spiel, egal ob Vorbereitung oder Bundesliga, an meine persönlichen Grenzen.

Schuld daran sind nicht etwa die Spieler oder der Trainer, denn ich habe selbst lange genug gespielt und befasse mich lange genug mit dem Thema Fußball, so dass ich meine, in der Lage zu sein, die Dinge realistisch einschätzen zu können.

Nein, es sind die Zuschauer, die selbsternannten Fans, die mich größtenteils an der Funktionsweise des menschlichen Verstandes zweifeln lassen und bei denen ich mich frage, warum sie überhaupt Anhänger dieses Vereins sind, wenn es doch soviele (im Grunde alle) andere Vereine gibt, sie soviel besser sind als dieser Scheiß-Club.

Sicher, das Internet bringt teilweise das Schlimmste an den Menschen hervor, etwas, was sie im realen Leben unterdrücken müssen, in der Anonymität des WWW aber bis zur Bewußtlosigkeit ausleben können. Dort verkriechen sich Buchhalter, Imbißbuden-Fahrer und pensionierte Geschichtslehrer in ihren kleinen Arbeitszimmern oder geifern bebrillt über ihren Smartphones und ätzen, pöbeln und beleidigen alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Bedauernswerte Kreaturen, besonders diejenigen, die offenkundig unter seniler Bettflucht, Blasenschwäche oder vorgerückter Demenz leiden und ihre peinlichen Ergüsse Nachts zwischen 2 und 5 Uhr absondern müssen.

Dennoch, was ist deren Motivation? Wie kann man sich 24/7 über etwas auskotzen wollen, was einem doch eigentlich Freude machen sollte?

Wobei man feststellen muss – dieses Phänomen ist nicht nur Web-begrenzt. Ich habe es diverse Male live miterlebt, wie absolute Durchschnittstypen oder Opa’s, bei denen die akute Gefahr auf sofortigen Herzinfarkt bestand, sich am Spieltag bereits gegen 15.20 Uhr warmkreischten.

„Alles Versager, das gibt heute doch wieder ne Klatsche, dieser Scheiß-Trainer“ und noch wesentlich schlimmere, teils krass rassistische Sprüche kann man jeden zweiten Samstag im Rund der IMTECH-Arena „bewundern“.

Früher habe ich mir die Mühe gemacht und versucht, mit diesen Menschen zu reden. Meine Frage war dann meistens:„Warum bist du eigentlich hier, gibt’s viel Geld aus, opferst deine Zeit, wenn hier doch eh alles Scheiße ist? Warum verbringst du deine Zeit nicht mit angenehmen Dingen?“

Mittlerweile habe ich es aufgegeben, diese Fragen zu stellen, weil ich zu 99% keine ernstzunehmende Antwort erhielt. Im Gegenteil, zum Teil wurde dann sogar ich selbst bepöbelt und beleidigt, weil ich es wagte, solch ketzerische Fragen zu stellen. Man habe schließlich bezahlt und sich damit das Recht erworben, seinen Seelenzustand ungehemmt ausleben zu können. Also bitte…

Alles gut und schön, aber dient einem (Groß)-Teil der sogenannten „Fans“ der Fußball und in diesem Fall der HSV nur noch dem Zwecke des Frustabbaus? Ist das nicht nur zu kurz gesprungen, sondern im Grunde auch unvorstellbar peinlich und lächerlich?

Ich kann es übrigens auch nicht verstehen, wie erwachsene Männer ein Spiel im TV verfolgen und zeitgleich den jeweils letzten vermeintlichen Fehler der eigenen Mannschaft via Smartphone mit einem Schwall von Häme verfolgen und in Echtzeit kommentieren müssen. Was bringt mir das? Unabhängig davon, dass ich garantiert nicht in der Lage bin, dieses Spiel auf Zitter-Livestream verfolgen zu können, wenn ich mit 1 1/2 Augen meinen Rechner bedienen muss.

Die Perücke in der Suppe

Egal, was der Verein bzw. der Trainer macht, es ist falsch. Läßt er X spielen, hätte er Y spielen lassen müssen. Spielt dann das nächste Mal Y und er spielt nicht so, wie Patient Zero es sich gewünscht hat (wobei Spieler Y gar keine Chance hatte, es richtig zu machen, denn Patient Zero will keine Entwicklung, er will sich auskotzen), dann wird nach Spieler Z. geschriehen. Am nächsten Spieltag gehts dann munter von vorn los.

Gewinnt der HSV in der Vorbereitung 9:2 gegen einen Verbandsligisten, wird binnen Millisekunden ergoogelt, dass man in der letzten Saison den gleichen Verbandsligisten noch zweistellig besiegt hatte. Slomka raus.

Gewinnt der HSV beim Telekom-Cup gegen Gladbach, wird sich nicht gefreut. Nein, dann wird messerscharft erkannt, dass bei Gladbach mindestens 4 Stammspieler fehlten. Das beim HSV ebenfalls eine Reihe von Stammkräften nicht auflaufen konnten, wird ignoriert.

Verliert der HSV ein Vorbereitungsspiel gegen Lazio Rom, ist der Abstieg besiegelt. Gewinnt der HSV gegen ein anderes Team, dann doch nur, weil der Gegner halt noch blinder war, keinen Einsatz zeigte, noch in der Vorbereitung steckt, die falschen Stollen drunter hatte oder den falschen Nachtisch gegessen hatte.

Kauft der HSV Spieler A, wäre Spieler B garantiert besser, preiswerter, stabiler gewesen.

Verkauft der HSV Spieler C, so wird dieser bei seinem neuen Verein garantiert Weltkarriere machen.

Wechselt Slomka in der 60 min aus, ist es zu früh. Wechselt er in der 70 min aus, ist es zu spät.

Dabei, und das ist meines Erachtens der Knackpunkt, geht es eigentlich gar nicht um die Fakten. Ob Spieler Y,  Auswechslung 60 min. oder Transfer Q. Es geht darum, seinen eigenen Verein niederzumachen und genau hier gerate ich an meine Grenzen. Warum tut man das? Was bringt es mir als HSV-Fan, wenn ich alles bedingungslos daneben finde, was mit diesem Club zusammenhängt?

Warum suche ich mir keinen Verein, bei dem in meinem Sinne entschieden wird?

Und, sorry, diese gequirrlte Scheiße von wegen „deinen Verein kannst du dir nicht aussuchen“  können sich die Profi-Pöbler mal getrost in die Haare schmieren. Wenn mich etwas krank macht, muss ich es ändern. Wenn mir etwas nicht gefällt, gucke ich es mir nicht mehr an. Die permantens Motz-Anfälle mit gesteigerter Vereinsliebe erklären zu wollen ist derart krankhaft, dass es selbst den Kranken auffallen müsste.

Ein ebenfalls „gerngesehenes“ Phänomen ist das Identifizieren des wahren Vereins-Versagers. Scheinbar braucht diese Klientel immer mindestens einen Spieler, der für alles herhalten muss, was ihrer Meinung falsch läuft im Staate Dänemark. In der „Gemeinschaft der Arschlöcher“ wird sich dann auf einen Spieler geeinigt (beim HSV ist es seit längerer Zeit Heiko Westermann und neuerdings Jacques Zoua) und dann wird gefeuert. Egal, was der „Auserwählte“ macht, es ist falsch. Macht er einen Fehler (während seine Mitspieler zeitgleich drei Fehler begehen), wird seine Verbrennung verlangt. Schießt er ein Tor, hätte exakt dieses Tor auch der Blindenhund des Pöbel-Autoren gemacht.

Problem ist nur: Pöbelautor selbst hat nie Fußball gespielt und wenn doch, waren seine letzten Erfolge das Versenken einer eingedrückten Cola-Dose auf dem Pausenhof der Gesamtschule Veddel. Aber natürlich kann der Pöbelautor erkennen und bewerten, wann dieser Westermann den nächsten Fehler begehen wird. Schließlich guckt er seit drei Jahrzehnten Sportschau und hatte in den 90er Jahren eine Dauerkarte in 19B. Also bitte…

Wie gesagt – ich kann es nicht verstehen. Kritik ja, jederzeit. Wenn man sachlich begründen kann, warum man der Meinung ist, dass…… – immer gern.

Aber alles andere ist in meinen Augen krank, teilweise schwer pervers und menschlich derart armselig, dass man den Urhebern dieser Attacken im Grunde nur auf einem Weg begegnen sollte.

Was mich aber fast noch mehr bestürzt: Wie kann man als Forumsbetreiber, Blogautor, klassisches Medium oder Tageszeitung diesen Idioten uneingeschränkten Raum bieten? Warum unterbindet man diesen Abschaum nicht und kommt seiner Fürsorgepflicht Menschen gegenüber nach ?

Denn eines sollte uns klar sein: Die Spieler bekommen es sehr wohl mit, wie über sie gesprochen und geschrieben wird. Und solange sind Robert Enke und Andreas Biermann noch nicht tot.

Ja, ich weiß, was jetzt kommt. Diese beiden Spieler litten an Depressionen und das hatte nichts mit ihrem Beruf zu tun. Meistens können auch das Menschen beurteilen, die unglücklicherweise eben kein Medizin – oder Psychologiestudium beendet haben.

Außerdem gibt es durchaus Menschen, die verzweifeln, auch wenn sie nicht an klinischer Depression leiden.