„Wir geben ganz bewußt keine Saisonziele aus, wir gucken von Spiel zu Spiel und dann werden wir sehen, was am Ende dabei rauskommt…“

Vor der Saison grundsätzlich, während der Saison laufend und nach einem Spieltag vielfach. Gebetsmühlenartig wird die mittlweile berühmt-berüchtigte Standardfloskel „Wir gucken von Spiel zu Spiel“ von nahezu jedem Verein bemüht, egal, ob man sich zum Zeitpunkt der Aussage auf Platz 3 oder Platz 15 befindet. Der wirklich enzige Club in Deutschland, der ein klares Saisonziel ausgibt, nämlich nichts anderes als die Meisterschaft, ist der FC Bayern München. Alle Anderen, die Dortmunder, die Leverkusener, die Schalker usw. verstecken sich bei der Frage nach einem angestrebten Tabellenplatz hinter Worthülsen und der genannten „Wir gucken von Spiel zu Spiel-Floskel“.

Warum aber ist das so? Warum hat kaum ein Verein die Eier, ein ambitioniertes Saisonziel zu formulieren? Warum versucht man die Erwartungshaltung der Fans so klein wie möglich zu halten, um sie/sich…

…am Ende mit einer guten Platzierung überraschen zu können?

…am Ende einer verkorksten Saison nicht zur Verantwortung für seine großen Sprüche gezogen werden zu müssen?

Möchte man eventuell den Druck von der Mannschaft nehmen, um die Spieler nicht an zu hohen Zielen zerbrechen zu lassen?

Ich denke, es ist eine Mischung aus allem, wobei die Gefahr besonders in Bezug auf die eigenen Spieler darin bestehen könnte, dass man die Leistungsbereitschaft auch dadurch mindern kann, gibt man überhaupt keine oder unrealistisch niedrige Saisonziele aus.

Mal angenommen, ich bin Spieler bei Bayer 04 Leverkusen und meine sportliche Leitung erklärt der Öffentlichkeit, dass man „von Spiel zu Spiel“ gucken wird und einen einstelligen Tabellenplatz anstrebt. Signalisiert man einer überdurchschnittlichen Mannschaft damit nicht, dass man mit wenig zufrieden ist? Gibt man den Spielern nicht automatisch ein Alibi für unterdurchschnittliche Leistungen, wenn man eine Mannschaft hat, die aufgrund ihrer Besetzung und ihrer Struktur zwingend um die ersten 4 Tabellenplätze mitspielen muss?

Ich denke, dass die Floskel „Wir gucken von Spiel zu Spiel“ nichts anderes als eine Selbstschutzmaßnahme ist. Ganz besonders in Deutschland werden nur allzugern Ziele gefordert und bei Nichterreichen wird ebenso schnell der Kopf dessen gefordert, der dieser Forderung nachgekommen war. Warum also sollte ich mich in die Gefahr einer klaren Ansage begeben, wenn ich mit dem Satz „Wir gucken von Spiel zu Spiel“ fein raus bin und am Ende der Saison nicht festgenagelt werden kann?

Zudem bin ich der Meinung, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen intern formulierten Saisonzielen und öffentlichen Äußerungen gibt. Jeder Verein wird seine klar definierten Saisonziele haben, davon muss die Öffentlichkeit jedoch nichts erfahren.

Im Grunde sind wir also selbst Schuld, wenn man uns bei der Frage nach Zielen mit Sätzen wie „Wir gucken von Spiel zu Spiel“ abspeist. Viele von uns warten doch nur wie die Spinnen im Netz darauf, dass ein Trainer oder Spieler an seinen eigenen Aussagen scheitert, damit wir uns über ihn lustig machen, ihm Unfähigkeit oder Realitätsferne unterstellen und seinen Nachfolger fordern können.

Irgendwie schizophren, oder? Wir fordern Ambitionen, verhindern diese jedoch durch unsere eigene Einstellung und an der häufig dargestellten Lust daran, den „Versager“ zur Verantwortung ziehen zu können.