Nein, ich fordere nicht den Kopf des Trainers. Wie könnte ich auch? Ich habe keinen Einblick in die Arbeit, die Mirko Slomka täglich leistet und auch ich kann mich erinnern, dass jeder der gefühlten 52 Trainer in den letzten 15 Jahren mit Vorschusslorbeeren und Begeisterungsstürmen empfangen wurde, ein jeder von ihnen konnte vor Dienstantritt in Hamburg fachlich übers Wasser gehen und mit jedem war die Zukunft rosig.

Spätestens 6 Monate danach – Katzenjammer an jeder Ecke. Aus jedem Messias wurde ein Versager, den Fans und Medien mit Schimpf und Schande aus dem Dorf trieben, wobei die Frage, wer eigentlich wen aufhetzt, noch nicht abschließend geklärt ist.

Tatsache ist allerdings, dass kein Trainer seit Happel in Hamburg die Chance bekam, ein Team nach seinen Vorstellungen aufzubauen, eine eigene Spielphilosophie über einen längeren Zeitraum zu installieren, tatsächlich nachhaltig arbeiten zu können. Der Druck, schnellstmöglich Ergebnisse abliefern zu müssen, ist enorm und er behindert im Grunde das, was alle wollen: Eine unverwechselbare Idee vom Spiel. Ein USP-HSV sozusagen. Etwas, wofür die Mannschaft des Hamburger Sport-Vereins steht und was ihn ausmacht. Problem ist nur – sowas lässt sich nicht über Nacht befehlen oder trainieren. Solche Dinge brauchen ihre Zeit und ob ein Thomas Tuchel diese Zeit in Hamburg bekommen würde, darf ernsthaft bezweifelt werden.

Denn, machen wir uns doch nichts vor, die „Mechanismen des Marktes“ greifen am Ende auch bei Mourinho und Guardiola und es gäbe nur eine Möglichkeit, diese außer Kraft zu setzen.

Erklärung des HSV-Vorstands: Mit sofortige Wirkung übernimmt Trainer XXX das Training der Profi-Mannschaft der HSV AG. Der Vorstand bekennt sich zu 100% zu Herrn XXX, völlig unabhängig von Tabellenplätzen oder Liga-Zugehörigkeit. Die Zusammenarbeit ist vorerst auf 4 Jahre festgelegt, eine Ausstiegsklausel existiert für niemand. Eine Trainer-Diskussion wird in Hamburg weder intern noch medial geführt, jegliche Fragen diesbezüglich werden in Zukunft nicht mehr beantwortet. Die sogenannte „Mechanismen des Marktes“ gelten in Hamburg ab sofort nicht mehr

Ich weiß, ich weiß – Wunschdenken. Aber eigentlich könnte es nur so gehen, denn im anderen Fall hätte man die gleiche Diskussion bei Tuchel, wie man sie bei Jol, Stevens, Doll, van Marwijk, Fink, Topmöller, Jara etc. etc. gehabt hat, sollte der Ex-Mainzer nicht in kürzester Zeit wahre Wunder vollbringen – was nicht passieren kann und wird.

Etwas hat sich beim HSV aber tatsächlich schon geändert, denn mit Beiersdorfer und besonders Bernhard Peters hat man den Beginn von etwas geschaffen, was es in dieser Form beim HSV noch nicht gab – ein Zukunfts-Konzept. Die Strategie, wie in Hamburg zukünftig gearbeitet, ausgebildet, trainiert und entwickelt werden soll. Der Umstand, das dieses Konzept ungefähr 10 Jahre zu spät kommt, macht es nicht weniger notwendig und die entscheidende Frage bzgl. des Trainers ist:

Ist Mirko Slomka in den Augen von Beiersdorfer und Peters (und eventuell Knäbel) der Trainer, dem man zutraut, diesen Weg maßgeblich und über Jahre mitzugehen?

Diese Frage ist eigentlich völlig losgelöst von aktuellen Ergebnissen und Tabellenplätzen, weil eben das Projekt „Bundesliga-Trainer HSV“ auf Jahre angelegt sein sollte.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund erst kürzlich getätigte Aussagen von maßgeblichen Personen rund um den HSV, könnten Zweifel auftauchen.

Als Privatmann und HSV-Fan kann ich nur sagen, dass ich an diesen Trainer nicht glaube. Er hat in der Endphase der Saison keine Punkte geholt, er hat wahnsinniges Glück gehabt, dass der Abstieg verhindert wurde. Es war eine solche Zitterpartie, die möchte ich nicht noch einmal erleben.“ (BILD vom 18.06.2014)

Diese Aussage stammt von Klaus-Michael Kühne, HSV-Gönner, HSV-Fan und zukünftiger HSV-Anteilsinhaber. Auch wenn man der Meinung ist, dass der 77-Jährige gern einmal verbal über die Stränge schlägt und im Tagesgeschäft des HSV nichts zu melden hätte, so sollte man nicht vergessen, dass Beiersdorfer vor Saisonbeginn desöfteren mit Kühne zusammenhockte und den Milliardär darüber informierte, was beim HSV in den nächsten Jahren passieren soll. So gesehen müsste KlauMi eigentlich ziemlich genau wissen, was der Vorstand und der „Direktor Sport“ planen und welche Rolle Slomka in deren Planung spielt.

Doch nicht nur Big Kühne äußerte seine Bedenken bzgl. der Tauglichkeit des aktuellen Übungsleiters, auch Tribun Karl Gernandt, als Vorsitzender des Aufsichtsrats ebenfalls in alle Zukunftspläne eingeweiht, wollte sich bereits vor der Saison zu keiner Jobgarantie hinreißen lassen, im Gegenteil.

„Wenn man nicht die gleichen Ziele hat, muss man den Mut haben und Entscheidungen treffen. Der Trainer gehört wie der Sportchef und der Nachwuchsleiter zum Kernteam. Wir wollen einen ganz neuen HSV, diskutieren sehr offen darüber“, sagte Gernandt der „Hamburger Morgenpost“: „Es ist eine schwebende Diskussion. Zum Schluss müssen wir aber eine Entscheidung fällen. Es warten arbeitsintensive Wochen. Aber ‚Didi‘ ist nicht gekommen, um da weiterzumachen wo andere aufgehört haben, sondern für einen Neuanfang.“ (Spiegel vom 12.06.2014)

Der Vorstandsvorsitzende selbst blockt bisher, aber er hat seine Gründe.

Zuletzt hatte es immer wieder Gerüchte um HSV-Kontakte zu Tuchel gegeben. Laut Sport Bild sei der ehemalige Mainzer Coach Wunschkandidat auf den Posten auf der Hamburger Trainerbank, falls Slomka die Erwartungen an der Elbe nicht erfüllen sollte. Beiersdorfer habe sich, so berichtete das Blatt am Mittwoch, bereits mit Tuchel getroffen und in Verhandlungen mit potenziellen Neuzugängen schon über Tuchel als möglichen Slomka-Nachfolger gesprochen. Diese Darstellung, so Beiersdorfer, seien eine Beleidigung seiner Intelligenz. (SportBild vom 24.07.2014)

Interessante Aussage, wie ich finde. „Haben sie sich mit Neger-Kalle (bevor sich die ersten Moralisten warmdribbleln, Herr Schwensen nicht sich selbst so) getroffen? Diese Frage beleidigt meine Intelligenz“. Komisch, ein einfaches Nein hätte eigentlich gereicht, oder? Aber hätte man an dieser Stelle mit „Nein“ geantwortet, wäre man eventuell später als Lügner enttarnt worden. Also empfindet man seine „Intelligenz als beleidigt“ und sagt im Grunde gar nichts.

Nächster Punkt. Am Wochenende wusste ein sichtlich aufgeregter und bekanntermaßen investigativer Kollege Töllner von SKY (ehemals Mopo) von atmosphärischen Störungen zwischen Teilen der Mannschaft und dem Trainer(team) zu berichten. „Mehr als 2 oder 3 Spieler hätte ihm gesteckt,  dass sie  „irritiert  über Slomka’s Führungsstil seien“. Steile Behauptung, die der HSV am besten umgehend kommentiert oder besser noch, dementiert hätte. Aber nichts geschah und so steht die Behauptung einfach mal im Raum.

Nimmt man all diese Punkte zusammen, könnte man sich meiner Meinung nach tatsächlich die Frage stellen, ob nicht der HSV selbst mittlerweile die Ablösung von Slomka beschleunigt oder sogar fordert, um einen Trainer (Tuchel?) zu installieren, mit dem man zusammen die gravierenden Veränderungen der nächsten Jahre in Angriff nehmen will und dem man diese epochale Aufgabe eher zutraut als einem jetzt schon angeschossenen Slomka.

 Die jüngsten Äußerungen Slomka’s lassen die Vermutung zu, dass der Trainer um seine aktuelle Situation im Allgemeinen und seinen Status in den langfristigen Überlegungen der Clubführung im Speziellen weiß und er weiß auch, dass ihm nur noch unerwartete Erfolge helfen können. Die ersten beiden Spieltage lassen seine Position, die schon vor der Saison aufgrund der Ergebnisse des Vorjahres erschüttert war, noch weiter schwächer werden und vor diesem Hintergrund kann Slomka bereits Anfang September kaum noch etwas richtig machen. Gemessen an seinem Stand in Hamburg erscheint der Job eines Jens Kellers auf Schalke geradezu komfortabel.

 

Nachtsplitter

http://www.spox.com/de/sport/fussball/bundesliga/1409/News/mirko-slomka-ueberlegt-torwartwechsel-beim-hamburger-sv-rene-adler-jaroslav-drobny-hsv.html

Meine Meinung: Selbstverständlich kann und muss man über jede Position innerhalb einer nicht erfolgreichen Mannschaft diskutieren dürfen, aber ob sich Mirko Slomka mit der Öffnung dieses Faßes zu diesem Zeitpunkt einen Gefallen getan hat, möchte ich anzweifeln. Und – was passiert, wenn ein Drobny, von dem jeder weiß, dass er aufgrund seiner lädierten Knie niemals eine Saison wird durchspielen können, nach 3 Spielen verletzt ausfällt? Wird dann der enteierte Rene Adler ohne den letzten Rest von Selbstvertrauen reaktivert?