Nach der längsten Vorbereitung in der Geschichte der Bundesliga stehen der HSV und Trainer Mirko Slomka genau da, wo man nicht stehen wollte – am Ende der Tabelle. Wäre man böswillig, könnte man meinen, dass der „Platz unter’m Strich“ mittlerweile für den Verein reserviert wäre und nicht wenige (Journalisten) verkünden bereits jetzt den Untergang des Abendlandes.

Lustigerweise sind es die Gleichen, die noch vor 2 Wochen von intensiven Trainingseinheiten, von „Richtig Zug drin“ etc. zu berichten wussten. Was ist in der Zwischenzeit eigentlich passiert?

Der HSV tat sich, wie jeder zweite Bundesligist, in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals überaus schwer, konnte aber dank eines guten Fitness-Zustandes das Spiel über 120 Minuten gestalten (was wohl in der letzten Saison schwer geworden wäre) und gewann am Ende im Elfmeterschießen gegen Cottbus. Check.

Der HSV spielte sein erstes Spiel der Bundesliga-Saison beim ambitionierten Aufsteiger aus Köln, war die bessere Mannschaft und spielte am Ende recht unglücklich 0:0. Erstes Spiel, Auswärtspunkt. Check.

Dann das erste Heimspiel gegen den zweiten Aufsteiger aus Paderborn. Die Frage, wer diese Mannschaft von Ex-HSVer Andre Breitenreiter als Absteiger Nr. identifiziert hatte, ist schnell beantwortet: Es waren die Medien, die zur Analyse nicht in der Lage sind, die aber aufgrund der Rechnung „War in der letzten Saison nur Tabellenzweiter in der 2. Liga – muss also in der Bundesliga Absteiger Nr. 1 sein“ die Latte für den HSV auf „kann man nicht verlieren“ legte.

Als Trainer kann man vor so einem Spiel reden bis der Mund fusselig ist, in den Köpfen der Spieler steckt: „Aufsteiger, kann nicht so stark sein“.Das ist nicht überheblich, das ist leider normal und man hat beim ersten Auswärtsspiel der Kölner in Stuttgart gesehen, dass es nicht nur den Hamburgern so geht.

Dies sind die Fakten, aber was wäre eigentlich passiert, hätte der HSV den SC Paderborn mühevoll mit 1:0 besiegt und würde heute mit 4 Punkten auf Platz 8 der Tabelle direkt vor Borussia Dortmund stehen? Wäre dann die heute als mißlungen bezeichnete Vorbereitung wie von Zauberhand das Maß aller Dinge gewesen? Würden dann die Gestalten, die bereits jetzt den Kopf des Trainers fordern, Herrn Slomka nicht in den Übungsleiter-Olymp befördern wollen?

Sind wir wirklich alle so engstirnig und kurzfristig, dass wir den Unterschied zwischen „Europapokal, Europapokal“ und „Der Abgrund steht unmittelbar bevor“ an exakt 90 Minuten festmachen? Ist plötzlich alles wieder gut, sollte der HSV in Hannover gewinnen und ist dann alles wieder eine Katastrophe, sollte man das anschließende Heimspiel gegen die Bayern verlieren?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Slomka von den Medien gefeiert worden wäre, hätte er gegen Hannover die Neuen Ostrzolek, Cleber, Behrami, Stieber spielen lassen und man hätte gewonnen. Und ich bin ebenfalls sicher, dass die gleichen Jubler den Trainer zerrissen hätten, hätte er Ostrzolek, Cleber, Behrami und Stieber gegen Paderborn spielen lassen und das Ergebnis wäre negativ ausgefallen.

Held oder Versager kann man also innerhalb von 90 Minuten werden. Erstaunlicherweise wird die Bewertung der Leistung aber von denen vorgenommen, die seit Jahr und Tag für nachhaltigen Aufbau plädieren. Ja was denn nun?