Sie sind die Männer, die immer dann geholt werden, wenn die Panik im Verein bereits ausgebrochen und das rationale Denken in den Hintergrund geraten ist. Die Rede ist von den sogenannten „Rettern“. Trainer, die immer dann einspringen, wenn die Not am größten ist, wenn scheinbar nichts mehr geht und wenn der vorherige Trainer mit seinem Latein am Ende ist.

Spontan fallen einem beim Thema Retter die Namen Stevens, Lorant, Schafstall, Rausch und Magath ein, für Jörg Berger wurde eigens der Begriff des „Feuerwehrmanns“ kreiert, weil er in der Lage war, Mannschaften aus scheinbar ausweglosen Situationen herauszuhelfen und Wunder zu bewirken.

Dabei sind es nicht nur die trainingsmethodischen Ansätze dieser Retter, die es einem Verein ab einem gewissen Zeitpunkt leicht machen, sie zu installieren, es ist häufig auch der Ruf von Presse und Fans, den verwöhnten und leistungsunwilligen Jung-Millionären endlich einmal Beine zu machen.

Dabei ist dies mit Sicherheit nicht einmal die halbe, höchstwahrscheinlich nur die Viertel-Wahrheit, denn ausschließlich mit Druck kann kein Trainer der Welt eine Leistungssteigerung erwirken. Vielmehr liegt das Geheimnis der Retter in ihrer Fähigkeit, einer verängstigten und verunsicherten Truppe neues Selbstvertrauen einzuhauchen und die verborgenen Prozente freizulegen.

Das aber möchte das geifernde Volk nicht wissen. Es will hören und lesen, dass dort endlich der ersehnte „harte Hund“ mit Trillerpfeife und Medizinball das Zepter schwingt und die Söldner für ihr Versagen bluten lässt. Albern, aber Tatsache.

Leider ist die Stärke der Retter auch gleichzeitig ihre Schwäche und dies macht sich an ihrer geringen Halbwertzeit bemerkbar. Viele von ihnen sind in der Lage, eine kurzfristige und signifikante Leistungsverbesserung zu erwirken, aber dieser Rausch ist nur von kurzfristiger Natur. Das erhoffte Konzept zum systematischen Aufbau einer leistungsbereiten Mannschaft haben die Herren zumeist nicht bzw. ihnen wird so gut wie nie die Zeit gegeben, es nachzuweisen.

Und so heißt es bei einer Entscheidungsfindung im Falle der Paniksituation:

Retter oder Konzepttrainer. Beides zusammen geht so gut wie nie.

Nach dem erfolglosen und teuren Kurztrip von Bert van Marwijk standen die Verantwortlichen des HSV um den damaligen Sportchef Oliver Kreuzer vor genau dieser Frage und sie entschieden sich für Variante 2. Mirko Slomka sollte es retten, obwohl dieser bei seinen vorherigen Stationen Schalke und Hannover eher durch systematische Arbeit aufgefallen und nicht als Retter in der Not geglänzt hatte. Von Slomka erhoffte man sich beim HSV zwei Effekte auf einmal. Zuerst einmal die Rettung verbunden mit dem Klassenerhalt. Hierbei war die Rechnung eine einfache – schlimmer als unter van Marwijk konnte es eigentlich nicht mehr werden. Wenn dann aber der HSV gerettet wäre, hatte man zur nächsten Saison gleich den Trainer verpflichtet, der nach einem Umbruch der Mannschaft das so dringend benötigte System und Konzept verabreichen konnte. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen.

Dass dieses Konzept am Ende aufging, lag dann allerdings weniger an Slomka, als vielmehr an den Mannschaften aus Braunschweig und Nürnberg und dem Fürther Stürmer Azemi, die schlichtweg zu dämlich waren, ihre Chancen zu nutzen.

Slomka machte in seiner ersten Saison beim HSV eigentlich alles falsch, was man falsch machen kann. Wahrscheinlich angetrieben von der Vermutung, dass man von einem Retter beinhartes Training erwarten würde, begann er mitten in der Saison ein Training, welches normalerweise während der Saison-Vorbereitung absolviert wird. Das Volk und die Presse jubelten, das Resultat waren jedoch eine Vielzahl von Muskelverletzungen, die die Mannschaft zusätzlich schwächten, von einem gesteigerten Selbstbewusstsein konnte man ebenfalls nicht viel erkennen.

Eine Sache machte Slomka jedoch richtig: Er heftete sich den Klassenerhalt nicht an die eigene Brust, weil er wusste, dass es nicht an ihm lag. Wie auch? 8 Punkte aus 12 Spielen (Schnitt 0,66 Punkte pro Spiel) hätte auch van Marwijk geholt.

Wenn man aber nun gedacht (oder gehofft) hatte, dass sich in der neuen Saison nach dem „Retter Slomka“ der „Konzeptrainer Slomka“ zeigen würde, wurde man enttäuscht. Vielmehr beging Slomka im Spiel gegen Paderborn einen entscheidenden Fehler, der ihm höchstwahrscheinlich den Kopf kosten wird. Slomka hätte es sich leicht machen können, er hätte alle neu verpflichteten und zur Verfügung stehenden Spieler einsetzen können. Wäre das Spiel dann verloren gegangen, hätte er ein Alibi gehabt, welches ihm wahrscheinlich jeder abgekauft hätte.

Aber Slomka wollte etwas beweisen. Slomka wollte beweisen, dass er mit der „alten“ Mannschaft mit verbesserter Fitness und neuem System erfolgreich sein kann. Slomka wollte demonstrieren, dass er es schaffen könnte, mit vorhandenem Material mehr rauszuholen als seine Vorgänger. Nun, konnte er nicht, wie man bestaunen konnte.

Jetzt hat er den Salat, denn die Geier kreisen. Und wenn sie erst kreisen, helfen irgendwann auch keine Home-Stories („Ich fahre mit meinem Motorrad durch Hamburg“) in der BILD mehr. Eigentlich, so hat die Geschichte gezeigt, sind diese lancierten Verbundenheitsgeschichten ohnehin mehr die letzte Zuckung vor dem Abgesang.

Nun steckt aber nicht nur Mirko Slomka im Dilemma, sondern der HSV. Was will man denn machen, wenn Slomka in Hannover und anschließend gegen die Bayern verliert?

Denn eines ist zu 100% sicher: Thomas Tuchel kommt in dieser Saison nicht nach Hamburg. Und ob er in der Saison 2015/16 nach Hamburg kommt ist so wahrscheinlich wie die Chance, dass Hamburg die Olympischen Spiele bekommt. Der Ex-Mainzer kann sich zurzeit jeden Verein aussuchen und wenn ich meine jeden, dann heißt das jeden. Sollte am Ende der Saison Pep Guardiola in München keine Lust mehr haben, ist das gesteigerte Interesse der Münchner hinterlegt. Wenn Jürgen Klopp 2015 mit dem BVB deutscher Meister geworden ist und nach Manchester geht (was übrigens bereits vor dieser Saison möglich war), heißt der logische Nachfolger Thomas Tuchel.

Hätte Jogi Löw nach der gewonnenen WM das Handtuch geworfen,  Thomas Tuchel, der lächelnde Trainingsanzug mit Matchplan und Megafon (Der Tagesspiegel), wäre heute Bundestrainer. Das ist keine Spinnerei, das sind Fakten.

Interessante Projekt im In-und Ausland gibt es zuhauf und alle eint eine Tatsache – sie haben alle viel mehr Geld als der HSV. Red Bull Leipzig z.B., der Verein, der innerhalb der nächsten 5 Jahre der größte Konkurrent der Bayern sein wird. Fußballerisch ein weißer Fleck, ohne Geschichte, dafür Geld wie Heu. Für einen Ehrgeizling wie Tuchel wie gemalt, zumal er mit Ralf Rangnick befreundet ist.

Dietmar Beiersdorfer findet Slomka ok, aber er findet Tuchel besser. Kein Wunder, denn wenn sich im Grunde eine gesamte Branche in einen Trainer verguckt, kann ja nicht die gesamte Branche danebenliegen. Aufgrund der potenten Konkurrenz wäre Beiersdorfer jedoch gut beraten, sich einen Plan B zurechtzulegen und dies am besten recht schnell. Denn das ursprünglich Vorhaben, mit Slomka eine halbwegs ruhige Übergangssaison spielen zu können, könnte sich zwei Wochen erledigt haben.

By the way: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mirko Slomka

P.S. Ich möchte es nicht versäumen, an dieser Stelle auf eine gute Sache aufmerksam zu machen.

https://www.thunderclap.it/projects/15805-clickstart-hiv-and-end-aids