Meine Meinung zu den Pressekonferenzen, besonders vor einem Saisonspiel, dürfte im Grunde hinlänglich bekannt sein, trotzdem habe ich mich nach dem gestrigen Training wieder einmal aufgemacht, um den Worten von Spieler, Trainer, Mediendirektor und besonders den Journalisten zu lauschen, vielleicht kann man ja noch etwas lernen.

Kann man tatsächlich, denn man kann lernen, wie man es nicht macht.

Grundsätzlich muss ich nach jeder PK gestehen, dass ich die Contenance derjenigen bewundere, die sich in der unklimatisierten Dunkelkammer den uninspirierten Fragen, wenn sie denn überhaupt kommen, der Journaille stellen. Als Spieler „traf“ es gestern nun Matthias Ostrzolek zum ersten Mal und dieser berichtet aufgeräumt von den zurückliegenden Trainingswochen, davon, dass man vieles wird besser machen müssen etc. Im Grunde Standard und garantiert im Vorfeld mit der Presseabteilung abgestimmt.

Von den ca. 20 anwesenden Pressevertretern kamen im Anschluss an seine Ausführungen zwei inhaltsfreie Fragen und der Linksverteidiger zog von dannen.

Wäre ich Spieler, ich hätte nach einer solchen Aktion Schleudertrauma vom Kopfschütteln und ich würde mich wahrscheinlich bis zum Anpfiff fragen, was ich da eigentlich sollte.

Danach allerdings hätte es spannend werden können, denn Mediendirektor Wolf holte Trainer Slomka „von dessen Geburtstagsfeier“, wie er selbst meinte.

Zu Beginn referiert der Trainer über die Verletzungssituation der Mannschaft und man kann bei Slomka schon genau erkennen, dass er sich mit der medizinischen Abteilung genauestens auseinandersetzt. Er sagt beispielsweise nie „van der Vaart“ hat’s in der Wade“, sondern er beschreibt die Art der Verletzung und die wahrscheinliche Ausfallzeit des Spielers schon sehr genau. Außerdem wirkt der Trainer auf mich wie eine wandelnde Datenbank. Auf bestimmte Spieler (in diesem Fall war es Nicolai Müller) angesprochen, weiß er die Minuten, in der Müller seine letzten Tore gegen welchen Gegner geschossen hat. Er weiß, wieviele Gegentore der 1. FC Köln in der letzten Zweiliga-Saison bekommen hat und er hatte sich nach eigener Aussage am Vortag eine Stunde lang eine DVD von den Toren Müller’s angeschaut, um noch einmal zu analysieren, aus welchen Positionen diese erzielt wurden.

An dieser Stelle kommen wir zum größten Problem, was den fachlichen Austausch zwischen Presse und Trainer/Spieler betrifft. Der Trainer ist top vorbereitet, er weiß, wovon er spricht. Die Fragensteller sind es nicht. Teilweise kommt es einem vor, als wenn Slomka zu Besuch im Kindergarten „Villa Kunterbunt“ sei und sich dort den Fragen der 3-6-Jährigen stellen muss.

So lautete die erste Frage des Chefreporters einer großen Hamburger Tageszeitung, nachdem Slomka seine Ausführungen zum Bild der Mannschaft abgegeben hatte:

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Haben sie denn auch Kuchen oder Torte von der Mannschaft bekommen?“

Hut ab, Herr S., das war kreativ. Slomka behielt die Ruhe und antwortete freundlich. Anschließend die Frage, ob van der Vaarts erneute Verletzung nicht zu verhindern gewesen wäre, weil es sich um die gleiche Verletzung wie schon vor Wochen in der gleichen Wade handeln würde. Die Antwort von Slomka war an dieser Stelle schon leicht gereizt, was ich absolut nachvollziehen kann. Er klärte den Journalisten darüber auf, dass es die gleiche Wade, aber eine andere Verletzung sein. „Woher wissen sie, dass es die gleiche Verletzung ist, ist es nämlich nicht“ .

Diese Peinlichkeit hätte sich der Pulitzer-Preisträger sparen können, hätte er einmal die medizinische Abteilung kontaktiert. Aber das macht keiner der Damen und Herren, das kostet Arbeit. Stattdessen klatscht man sich als Reporter von SKY, Sport1 oder Hamburg1 lieber mit Brechmittel Lord Helmchen („Edel-Fan Helm-Peter) ab und geilt sich an den letzten Hass-Triaden eines Proleten auf.

Als dann die dritte Frage lautete:“Herr Slomka, ihr Vater wird gegen Hannover wohl nicht im Stadion sein“, rollte der Trainer das erste Mal erkennbar mit den Augen. Aber er blieb freundlich und höflich.

Die Dame von RTL, ein seltener Gast, stellte dann noch die offenbar unvermeidliche Frage, ob das Spiel gegen Hannover ein besonderes für den Trainer sei.

Auch hier antwortet der Medienprofi Slomka höflich und nett, ich hätte spätestens an dieser Stelle mit dem Mikrofon geworfen.

Insgesamt betrachtet macht Slomka weder einen nervösen noch einen unsicheren Eindruck, dafür ist er viel zu sehr Profi. Man merkt ihm schon an, dass er die Medienkasper allesamt gern zum Mond schießen würde, aber er sagt es nicht. Denn eine Frage sollte sich doch ein jeder stellen:

Man ist Experte auf seinem Gebiet und stellt sich Woche für Woche den Fragen von Menschen, die nicht 5% von dem verstehen (und auch gar nicht verstehen wollen), was man tut. Diese Ahnungslosen aber urteilen über meine Arbeit, wobei sie nicht einmal ansatzweise in der Lage sind, fachlich mit mir auf Augenhöhe zu diskutieren. Insgesamt betrachtet gibt es dort einen Kollegen, bei dem man das Gefühl hat, er macht sich bereits vor der PK Gedanken darüber, was er warum fragen möchte. Und diese Fragen haben im Normalfall auch immer Hand und Fuss.

Wie würden wir reagieren?

Stattdessen titelt ein besonders kreativ-witziger Vogel „Slomka spendierte Steaks aus Uruguay“ und will im anschließenden Text bemerkt haben, dass der Trainer „angefressen“ und „dünnhäutig“ gewesen sei.

Ich möchte nicht wissen, wie oft ein Bundesliga-Trainer den Presseraum verlässt, mit dem Kopf gegen die Wand schlägt und in seinem Büro brüllt: „Das mache ich nicht mehr mit“. Ich würde es tun.