Das Ziel war eigentlich klar, Dietmar Beiersdorfer und Team sind angetreten, um dem HSV eine nachhaltige Vereins-Philosophie zu verpassen. Werte, Richtlinien, an denen sich nicht nur Spieler und Mitarbeiter, sondern auch Fans orientieren sollen. Begriffe wie Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Toleranz, Demut und gegenseitiger Respekt sollten die Grundpfeiler des „neuen HSV“ werden, wenn ich die Veranstaltung richtig verstanden habe.

Was für die Vereins-Philosophie gilt, gilt aber natürlich auch für die Mannschaft, oder? Hier muss doch das Ziel sein, eine Mannschaft aufzubauen, der es möglich ist, regelmäßig nicht nur gegen den Abstieg, sondern vielmehr um die Fleischtöpfe der internationalen Wettbewerbe, am besten natürlich Champions League spielen zu können.

Bei alle Diskussion über Fremdfinanzierung, Konzern-Verflechtungen, Werksmannschaften oder Red Bull-gedopten Teams bleibt die Frage: Ist das überhaupt möglich?

Blickt man auf die Spitze der Bundesliga-Tabellen der letzten Jahre, so finden sich dort die immer gleichen Mannschaften wieder. Bayern, Dortmund, Schalke, Leverkusen. Die Versuche von Vereinen wie Wolfsburg und Hoffenheim sind bekannt, die Leipziger Entwicklung wird in den nächsten 5 Jahren überaus interessant werden. Aber warum?

Ganz einfach: Weil die Roten Bullen aus dem Osten aufgrund ihrer scheinbar unbegrenzten Mittel in der Lage sein werden, nahezu jeden Abwerbungsversuch der Konkurrenz abwehren zu können. Aber auch dies natürlich nur bis zu einer gewissen Grenze, denn irgendwann – wenn ein Spieler denn gut bzw. begehrt genug sein wird – ist auch RB Leipzig nur noch ein Ausbildungsverein und teilt damit das Schicksal von nahezu jedem Club, außer dem FC Bayern München, Manchester United, FC Barcelona und Real Madrid. Alle anderen Vereine liefern. Sie liefern den Vereinen, die an der Spitze der sportlichen Nahrungskette stehen, die Spieler, die diese Vereine selbst nicht ausbilden konnten/wollten.

Vor diesem Hintergrund bleibt die Frage: Ist es dem HSV überhaupt noch möglich, innerhalb eines gewissen Zeitrahmens eine Mannschaft zu „bauen“, die regelmäßig um Platz 2 bis 6 mitspielen kann? Ich behaupte, dass dies perspektivisch nahezu unmöglich sein wird, es sei denn, Bernhard Peters gelingt es, mit den veränderten Strukturen für einen schier endlosen Fluss an Top-Nachwuchsspielern zu sorgen. Schade nur, dass Peters nicht allein im Besitz des Steins der Weisen ist und die anderen Bundesliga-Clubs nicht nur nicht schlafen, sondern dem HSV mehrere Jahre voraus sind.

Denn, machen wir uns doch nichts vor. Sollte der HSV tatsächlich mit dieser Mannschaft, die er aktuell zur Verfügung hat, über alle Maßen und Erwartungen performen, dann ist der Weg von Spielern, die sich in einer überragenden Saison als besonders talentiert erwiesen haben, vorgezeichnet. Und Vertragslaufzeiten spielen dann weniger als keine Rolle mehr, wie man bereits vor dieser Saison am Beispiel Calhanoglu erfahren musste.

Mal ganz platt gesagt: Würde der HSV in dieser Saison Tabellen-Dritter werden, Lasogga 22 Tore schießen etc., dann wären Spieler wie Lasogga, Holtby, Ostrzolek, Cleber usw. in der Saison 2015/16 nicht mehr in Hamburg und der „Aufbau“ würde von vorn beginnen.

Was also im ersten Augenblick wie der nachhaltige Aufbau einer schlagkräftigen Mannschaft aussieht, ist tatsächlich nur das Hochzüchten von Spielermaterial mit dem Ziel, maximale Ablösen zu generieren, um mit geschickten Transfers und perfekter Nachwuchsarbeit das Leistungsniveau der Mannschaft zu halten und bestenfalls auszubauen.

Um nicht falsch verstanden zu werden, das ist alles andere als verwerflich. Und zwar schon aus dem Grund heraus, weil es bis auf die erwähnten 4 oder 5 großen Vereine jeder Club so macht bzw. machen muss. Auch in Leverkusen ist man so realistisch, dass man nicht etwa hofft, dass Hakan Calhanoglu die Werkself in der Saison 2017/18 zur Meisterschaft schießt. Im Gegenteil – wäre der türkische Nationalspieler in der Saison 2017/18 noch in Leverkusen, hätte man etwas falsch gemacht.

Die Rechnung sieht nämlich anders aus. Man holt den Spieler für € 14,5 Mio. aus Hamburg, geht davon aus, dass er sich linear weiterentwickelt und man ihn nach 2 Jahren für € 25 Mio. – 30 Mio. weiterverkaufen kann. Investition verdoppelt und man könnte mit dem Gewinn in Zukunft zwei Spieler seiner Klasse unter 20 Jahren kaufen. Oder noch besser – man hätte in der Zeit zwei Spieler seiner Klasse selbst ausgebildet.

Fußball ist ein Geschäft, für Romantik ist wenig bis gar kein Platz. Wer also hofft, dass uns Jonathan Tah irgendwann zur Meisterschaft köpft, sollte aufwachen und die Realität akzeptieren.

Anderes Thema.

Vor einigen Tagen veröffentlichte der HSV auf seiner Website (HSV.de) einen Beitrag, in dem die Stimmungslage der Fans/Mitglieder zum Thema „Hymnen/Lieder der Gastmannschaft vor dem Match spielen“ abgefragt werden sollte. Ich habe mich zum devoten Verhalten des Vereins in solchen Fragen bereits geäußert, möchte aber dennoch die Antwort des HSV auf die Mail eines Leser veröffentlichen. Der Arena-Leser kritisierte. (Die Mail liegt mir im Original vor)

Liebes HSV Team,

mit Bestürzung habe ich den Artikel gelesen, dass die Idee der gegnerischen Hymnen in der Stadion Show aufgrund eines ausgeglichenen Ergebnisses nicht weiter verfolgt wird…..

Die Antwort des Verein hat mich ehrlich gesagt einigermaßen sprachlos zurückgelassen.

Lieber Herr XXX,

vielen Dank für Ihre konstruktive Kritik. Die Umfrage diente dem Zweck ein generelles Stimmungsbild unserer Fans zu diesem Thema zu erhalten. Da das Ergebnis relativ ausgeglichen und die Stimmung in den sozialen Medien eher negativ zu werten war, haben wir uns letztlich gegen das Spielen von Hymnen der Gastvereine entschieden. Gerne leite ich Ihre Kritik auch an die zuständigen Kollegen weiter. Das mehrfache Abstimmen von Einzelnen hat bei dem großen Rücklauf keinen nennenswerten Einfluss auf das Ergebnis nehmen können.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und verbleibe

mit blau-weiß-schwarzen Grüßen aus der Imtech Arena

Das Thema wurde in den sozialen Medien eher negativ bewertet und deshalb hat man sich dagegen entschieden? Soll das jetzt ein schlechter Witz sein? Ein Verein, der sich aus den sogenannten „sozialen Medien“ nahezu heraushält, nimmt das Gepöbel von Leuten, die dort nicht einmal ihren richtigen Namen nennen, als Grund, von der Idee abzurücken?

Das mehrfache Abstimmen von Einzelnen hat bei dem großen Rücklauf keinen nennenswerten Einfluss auf das Ergebnis nehmen können Das kann sich doch nur um einen schlechten Scherz handeln. Man stelle sich vor, da sitzen 5 Bremer Hartz4-Jungs und drücken 4 Tage hintereinandern alle 10 sec. auf nein. Das hat dann keinen Einfluss, ich verstehe.

Wie naiv und eindimensional kann man eigentlich sein? Wann begreift der HSV bzw. wann begreift die Abteilung Kommunikation endlich, wie im Jahr 2014 die Uhren ticken? Wann werden dort endlich Personen installiert, die etwas von sozialen Medien und ihren Wirkungsweisen verstehen und sich ihre Vereins-Meriten nicht dadurch erworben haben, dass sie vor einigen Jahren noch im Dino-Kostüm über Kindergeburtstage gerannt sind? Es ist zum Verzweifeln, dass in diesem Bereich des Vereins immer noch gearbeitet wird, als befände man sich in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts.

P.S. Über den betätigungslosen Herrn Barbarez möchte ich mich einfach nicht mehr äußern. Das, was der Mensch von sich gibt und besonders die Zeitpunkte, an denen er es von sich gibt, sprechen für sich.

KnäbelBeiersdorfer und Knäbel zu Gast bei HSV-Arena 🙂