Zinnbauer ist der neue Klopp. Naja, jedenfalls war er es bis Sonntag, 19.20 Uhr. Weinzierl in Augsburg ist übrigens auch ein neuer Klopp und Gisdol in Hoffenheim erst recht. Breitenreiter in Paderborn ist sogar der neue Über-Klopp und Veh in Stuttgart ist sowas wie ein Ex-Klopp. Sogar Guardiola in München ist eine Art Spanien-Klopp, muss er ja sein. Thorsten Fink bestieg vor Jahren einmal das Podium im Presseraum der Imtech-Arena und meinte: “Ich bin einer wie Klopp“ verkünden zu müssen.

Warum? Warum ist Weinzierl keiner wie Slomka oder warum ist Zinnbauer keiner wie Neururer? Oder noch besser: Warum ist Zinnbauer keiner wie Zinnbauer, sondern muss im besten Fall einer wie Klopp sein?
Woher stammt diese völlig überzogene Heldenverehrung für einen Trainer, der das selbst wahrscheinlich am Lächerlichsten findet? Wem meinen eigentlich alle einen Gefallen zu tun, indem sie die „Währung Klopp“ inflationär malträtieren und bei jedem Übungsleiter, der quasi aus dem Nichts kommt, die Frage stellen: „Wie viel Klopp steckt in…?“

Am besten stellen wir uns die unmittelbarste aller Fragen und die müsste lauten:

„Wie viel Klopp steckt eigentlich in Klopp?“

Nimmt man die mittlerweile komplett überzogene Heroisierung im Detail auseinander, war Klopp selbst in seinen ersten Jahren als Trainer in Mainz eigentlich keiner wie Klopp. In der 2. Liga verpasste Klopps Team mehr als einmal den direkten Aufstieg in die Bundesliga am letzten Spieltag und hätte man damals jemanden nach Klopp gefragt, hätten wohl nicht wenige gesagt: “Dem Trainer klebt das Pech an den Hacken“. Von „Bundes-Kloppo“ war damals jedenfalls noch keine Rede und jeder Experte, der den damaligen Klopp mit dem Amt des Bundestrainers in Verbindung gebracht hätte, wäre maximal ausgelacht worden.

Der eigentliche Aufstieg zum „Super-Kloppo“ passiert selbst in der Bundesliga nicht, denn die Plätze 11, 11 und 16 in den Spielzeiten 04/05 bis 06/07 waren für das damalige Mainz bestimmt nett, aber deshalb hätte niemand behaupten wollen, dass Jürgen über’s Wasser gehen könnte.

Die Saison 07/08 trainierte Jürgen Norbert Klopp keine Profimannschaft, sondern er befand sich im letzten Jahr seiner Tätigkeit als TV-Experte des ZDF, bei der er zwischen 2005 und 2008 Fußballübertragungen an der Seite von Johannes Kerner, Urs Meier und Franz Beckenbauer begleitete, eine Tätigkeit, die Klopp in der Folgezeit hervorragende Dienste leistete.

Als „eigentlich nur Fußballer“ verstand er, wie Medien von innen funktionieren. Er erhielt mediales Training an der Basis, im Grunde eine Zusatzausbildung, die außer ihm kein amtierender Bundesligatrainer bekommen hat. Unabhängig von den Beziehungen, die man in 3 Jahren knüpft, ist Klopp aus dieser Zeit als Medienfachmann hervorgegangen, was man bei jeder Pressekonferenz bemerkt. Er weiß genau, was er wann sagen kann und was nicht und er kann sich Verhaltensweisen herausnehmen, die sich kein anderer Trainer herausnehmen kann, es sei denn, er möchte massive Probleme mit der Presse bekommen. Bei „Kloppo“ wirkt das aber alles spontan, witzig und strukturiert, auch ein Umstand, der ihn zu dem macht, was er ist – eine perfekte Medienmaschine.

Damit ich nicht falsch verstanden werde – Jürgen Klopp ist ein hervorragender Trainer. Er ist ein Taktikexperte und ein Motivator vor dem Herrn. Aber das sind andere auch. Was bei Klopp hinzukommt, ist auf der einen Seite seine mediale Kompetenz, auf der anderen Seite aber auch die Tatsache, dass er in Dortmund genau der richtige Trainer zum richtigen Zeitpunkt war. Der Verein lag finanziell am Boden und brauchte exakt einen wie Klopp. Und Klopp brauchte einen Verein wie den BVB! Und er brauchte Mitstreiter wie Watzke und Zorc, die bei der Betrachtung des „Super-Kloppos“ regelmäßig zu kurz kommen.

Mit anderen Worten – es passte einfach. Jürgen K. passte zu Dortmund und Dortmund passte zu Klopp. Dass diese Symbiose mehr als selten und in ihrer derzeitigen Ausprägung vielleicht einmalig ist, wird gern vergessen, wenn die Medien die „Schablone Klopp“ an den nächsten Hoffnungsträger anlegen.
Meiner Meinung nach ist das mediale Gehechel „wie viel Klopp steckt in XXX?“ nichts anderes als eine Form der Bequemlichkeit und zumeist eine Ausprägung der Ahnungslosigkeit.

Formel Einfach: Neuer Trainer – vorher recht unbekannt – unter 45 Jahren – forscher Auftritt – am besten Drei-Tagebart ———– „Wie viel Klopp steckt in ihm?“

Dabei kann in all den Weinzierls, Gisdols, Tuchels und Zinnbauers gar kein Klopp stecken, weil so vieles an ihnen anders ist und anders sein muss. Sie alle haben keine Mainz-Geschichte mit verfehlten Aufstiegen, keine TV-Ausbildung, kein BVB-Brachland und keinen Aki Watzke. Es sind alles völlig andere Persönlichkeiten mit anderen Stärken und anderen Schwächen, was aber nicht heißen muss, dass sie schlechtere Trainer sind – im Gegenteil. Vielleicht passt ein Weinzierl viel besser nach Augsburg, als es ein Klopp je getan hätte. Vielleicht (höchstwahrscheinlich) wäre Klopp 2008 in Hamburg mit der alten Struktur, dem alten Aufsichtsrat, zwischen Hoffmann und Beiersdorfer gnadenlos gescheitert und es würde heute den „Über-Kloppo“ gar nicht geben.

Ich wäre froh, wenn man jedem neuen, jungen Trainer den Klopp-Vergleich ersparen könnte, einfach deshalb, weil er vollkommen schwachsinnig ist. Man tut niemandem einen Gefallen mit einem Persönlichkeitsvergleich, aber darum geht es der Presse ja auch gar nicht. Es geht darum, möglichst simpel und arbeitsneutral irgendwas konstruieren zu können, was mittlerweile beim Publikum gelernt zu sein scheint.

Machen wir uns doch nichts vor: Das automatisierte Herbeisingen des „neuen Klopps“ ist doch am Ende nichts anderes als das verzeifelte Verlangen, im eigenen Club eine ähnliche Erfolgsstory schreiben zu können, wie es der BVB 2008 begonnen hat. Die Tatsache, dass Stuttgart nicht Dortmund und Dortmund nicht Hamburg ist, wird an dieser Stelle gern ignoriert, dabei ist sie der eigentliche Grund dafür, dass es nicht klappen kann.

Dabei kann man die neuen Jungs nur dann zu neuen Klopps werden lassen, wenn man sie Weinzierl, Tuchel, Gisdol, Breitenreiter oder Zinnbauer sein lässt

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Peter Knäbel.