Jetzt hat das Leiden also nach 22 Monaten doch ein Ende, gestern schickte der FC Schalke 04 den über fast Jahre geduldeten Übungsleiter nach Hause und wenn für viele der Verlust des Arbeitsplatzes eine überaus traurige Angelegenheit ist, so wird man im Fall Keller das Gefühl nicht los, dass er es als Erlösung empfinden wird.

Was muss das eigentlich für ein Gefühl sein, wenn man weiß (nicht vermutet), dass man bei seinem Arbeitgeber im Grunde unerwünscht ist, dieser sich aber aufgrund überraschender Erfolge dem öffentlichen Druck nicht aussetzen und den Trainer feuern möchte?

Wie muss das sein, wenn man weiß, dass es der gewöhnungsbedürftigen  Vereinsführung nach einem Glamour-Trainer verlangt, dass Herr Tönnies und sein aalglatter  Erfüllungsgehilfe Heldt voller Neid nach München mit einem Weltstar als Trainer und nach Dortmund mit einem Medien- und Werbestar als Trainer schauen und sich selbst gern als „Arbeiterverein“ positionieren, aber in der Tiefe ihrer Seele mit Arbeitern nichts zu tun haben wollen?

Denn etwas Anderes ist Jens Keller nicht, er ist ein Arbeiter. Er ist niemand, der irgendwann mal in einem Urlaubsflieger seine Opel-Schlüssel zurückverlangen wird oder der bei AUDI-Ingenieuren telegene Vorträge hält. Kellers Stärke ist die Arbeit auf dem Platz, aber das reicht auf Schalke schon lange nicht mehr.

Denn in Gelsenkirchen möchte man nicht nur bezahlen wie in Dortmund, man möchte auch so erfolgreich sein wie der ungeliebte Nachbar und hier kommt erneut Herr Heldt ins Spiel.

Denn obwohl die Schalker Mannschaft in der Rangliste nach Marktwert mit € 208 Mio. „nur“ den den dritten Platz einnimmt, bezahlt der FCS überproportional gut. Die Gelsenkirchner haben aktuelle Kaderkosten in Höhe von € 78 Mio und liegen damit hinter den Bayern (€ 160 Mio), aber vor dem VFL Wolfsburg (€ 75 Mio), dem BVB (€ 73 Mio) und Bayer 05 Leverkusen (€ 55 Mio) auf Platz 2.

http://www.transfermarkt.de/gehalter-marktwert-vergleich-96-der-verlierer/view/news/172833

Die Frage, wer für diese Art von Verträgen verantwortlich ist, stellt sich „auf Schalke“ wohl noch niemand, denn der Trainer lieferte eigentlich. Die Plätze 4 und 3 in seinen beiden Jahren sind aller Ehren wert, betrachtet man sich die Mannschaft im Detail.

Fährmann, Höwedes, Ayhan, Matip, Santana, Kolasinac, Aogo, Fuchs, Uchida, Neustätter, Höger, Boateng, Goretzka, Draxler, Barnetta, Farfan, Sam, Choupo-Moting, Meyer, Huntelaar…

Mal ehrlich – glaubt irgendjemand ernsthaft, dass man mit diesem Kader Meister werden kann? Ich nicht. Hinzu kommt, dass besonders die Schalker in dieser Saison von massiven Verletzungssorgen geplagt sind, aber das will keiner hören.

Es will auch keiner hören, dass es Keller gelungen ist, überproportional viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs einzubauen. Das zählt nicht mehr, obwohl genau das heutzutage die Währung für einen wirklich guten Trainer sein sollte.

Im Grunde ist es doch ganz einfach, Jens Keller hatte nie eine echte Chance, weil die Vereinsführung von etwas anderem träumte und träumt. Es soll doch bitte ein Übungsleiter mit Glanz sein und keiner, dem man nach einem fast zweijährigen Martyrium den Stress ansieht.

Keller hat sich stets zu 100% loyal vor seinen Verein gestellt, hat nie schmutzige Wäsche gewaschen und wie ich ihn einschätze, wird er das auch jetzt nicht machen.

Die Schalker Vereinsführung wird aber erst dann aufwachen, wenn Guardiola oder Mourinho an den Schalker Verhältnissen gescheitert sind, aber wahrscheinlich selbst dann nicht.