In der freien Wirtschaft und in der Politik heißt es, nach den ersten 100 Tagen einer Amtsübernahme wird ein erstes Zwischenfazit gezogen. Nach diesen 3 Monaten wird sich ein neuer CEO, ein neuer Geschäftsführer, ein neuer Abteilungsleiter oder eben ein neuer Vorstand zum ersten Mal messen lassen müssen. Mittlerweile hat diese Verfahrensweise auch im Profi-Fußball Einzug gehalten, wohl nur zum Teil zu Unrecht, denn auch ein professioneller Fußball-Club ist heutzutage ein mittelständisches Wirtschaftsunternehmen mit teilweise mehreren Hundert Millionen Euro Umsatz pro Jahr.

Zum Teil deshalb, weil man als Kenner eigentlich bedenken muss, dass sich im sportlichen Bereich sichtbare Erfolge eben erst nach diesen ominösen 100 Tagen einstellen können, zumal dann, wenn es sich um ein langfristiges, nachhaltiges Projekt handelt, welches oftmals mit einschneidenden Umbrüchen, zahlreichen Zu- und Abgängen etc. einhergeht.

Nichtsdestotrotz existiert diese „100-Tage-Formel“ und sie wird gern und oft besonders vom Boulevard herangezogen, wenn sie dazu dient, mit dem einen oder anderen nicht genehmem Amtsträger abzurechen.

Ich selbst empfinde diese „Erfolgs-Verfolgungs-Formel“ als hochgradig unsinnig, zumindest was die Anzahl der Tage betrifft. Was ich allerdings glaube, ist, dass man nach mehr als 3 Jahren sehr wohl eine Bilanz über die Erfolgs- bzw. Misserfolge eines leitenden Angestellten befinden kann.

Vor diesem Hintergrund habe ich einmal versucht, mir die Bilanz desjenigen anzuschauen, der eigentlich nie auftaucht, es sein denn, es gibt irgendwelche halbwegs spektakulären Meldungen zu verkünden. Da diese Meldungen, zumindest die, welche positiver Natur sind, beim Hamburger Sportverein in den letzten 3 Jahren ausgesprochen dünn gesät sind, ist der Vorstand für Marketing und Kommunikation im Grunde unsichtbar.

Ich kann mich dunkel erinnern, dass sich der mittlerweile findige 46-Jährige vor einigen Jahren einmal hervorgetan hatte, als es um die Rückhol-Aktion des Herrn van der Vaart ging. Der damalige Sportchef Frank Arnesen stand einem Kauf des mittlerweile End-Zwanzigers vdV skeptisch gegenüber und hatte eher einen Christian Eriksen von Ajax Amsterdam auf dem Zettel, der damals als 20-jähriger für ähnliches Geld gekommen wäre und der heute laut Transfermarkt.de bei Tottenham seinen Marktwert auf € 20 Mio gesteigert hat. Zudem stand der überteuerte van der Vaart-Deal im krassen Kontrast zu dem gerade ausgerufenen Sparkonzept des damaligen Aufsichtsrats. Anyway – der „kleine Engel“ kam zurück, Kühne und Frau freuten sich und Hilke wurde abgefeiert.

Joachim Hilke: Das operative, kommerzielle Geschäft ist meine Aufgabe – es ist mir auf den Leib geschneidert. Und ich bin ganz sicher ein Teamplayer. Ich gehe mit großer Motivation und einem hohen Maß an Respekt an meine neue Aufgabe heran. (mopo, 16.03.2011)

Nun ja, inwiefern das Übergehen des amtierenden Sportvorstandes Arnesen jetzt der Job eines Teamplayers war, kann diskutiert werden, aber konzentrieren wir uns doch auf den einen Teil dessen, was dem Mann laut eigener Aussage „auf den Leib geschneidert ist“, das Marketing.

Fangen wir mit den größten Partnern an, nämlich dem, was der HSV auf seiner Website als Hauptsonsor, Ausrüster und Namensgeber bezeichnet.
Fly Emirates. Vertrag wurde unter dem alten Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann 2006/07 ausgehandelt, einmalig verlängert und endet 2015. Emirates braucht den deutschen Markt und kann weder Bayern, noch Dortmund oder Schalke bekommen. Strategisch könnte in Zukunft auch Berlin passen (Flughafen), wenn die Fluglinie ab Berlin fliegen würde. Verlängerung unklar. Hilke – kaum Aktien.
Adidas. Vertrag wurde gerade bis 2019 verlängert, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Der Sportartikel-Hersteller wusste um die chronisch leeren Kassen des Vereins und nutzte die Situation, um den Vertrag zu bestens Konditionen (für adidas) zu verlängern. Der Verein selbst beraubt sich der Möglichkeit, in sportlich erfolgreicheren Zeiten zu besseren Konditionen mit anderen Herstellern (Puma, Nike) zu verhandeln. Hilke – aufgrund finanzieller Zwänge aktiv, aber zu welchem Preis?
Imtech. Die Aktie des Unternehmens fiel vorgestern auf den historischen Tiefstand von 3 Cent pro Aktie, das Unternehmen steht unmittelbar vor der Insolvenz. Ob der HSV die ausstehenden Gelder überhaupt noch bekommt, ist fraglich, ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Zum Vergleich: Borussia Mönchengladbach sucht seit Jahren einen Namensgeber für das Stadion, dieser soll umgerechnet € 25 Mio für 10 Jahre bezahlen. Seit nunmehr 5 Jahren wird erfolglos gesucht. Hilke – viel Erfolg.
Catering – Aramark. Alter Vertrag der lediglich verlängert wurde. Hilke – Null.
Coca Cola anstatt Sinalco. Hintergrund war lediglich, dass Coca Cola unbedingt in allen Bundesliga-Stadien Präsenz zeigen wollte, Verdienst gleich Null.
Und dann waren da noch….
Viagogo. Zuerst vom Marketing als Erfolg gefeiert, wurde der Vertrag auf Druck der Fans zum 31.07.2013 gekündigt und die Dauerkartenpreise erhöht.
http://mobil.abendblatt.de/sport/fussball/hsv/article111944709/Nach-Druck-der-Fans-HSV-kuendigt-Viagogo-Vertrag.html

HSV-Vorstand Joachim Hilke hatte den Vertrag mit Viagogo eingefädelt…

Ein sogenannter „Partner“ ist unter anderem das Unternehmen Care-Energy, welches mehrfach negativ in den Schlagzeilen auftauchte.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/care-energy-kritik-an-geschaeftsmodell-und-rechtsgutachten-a-899851.html

SportFive. Der Vertrag mit dem Vermarkter, ehemaliger Arbeitgeber Hilke’s, wurde 2013 vorzeitig bis 2020 verlängert, abgeblich zu sensationellen Konditionen. SportFive verzichtet auf die Rückzahlung eines Darlehns in Höhe von € 12,4 Mio. sowie auf Provisionen aus TV-Rechten. Was sich auf den ersten Blick wie ein guter Deal anhört, lässt bei jemandem, der seit 25 Jahren mit Werbung und der Vermarktung von Werbung sein Geld verdient, die Alarmglocken schrillen, denn auch ein Werbevermarkter hat keinen sozialen Auftrag, er möchte bzw. muss Geld verdienen und hat keines zu verschenken.

Angesichts der vollmundigen Ankündigungen, dass der HSV sich intensiv um eine Selbstvermarktung kümmern wollte, wurde sich auch hier erneut langfristig in eine Abhängigkeit begeben, für die man den Vorstand Marketing allerdings nur zum Teil verantwortlichen machen kann.

Aber das soll’s noch nicht gewesen sein. Ich erinnere mich an zwei? Süd-koreanische Firmen (der eine hatte was mit Reifen), die sich begeistert beim HSV engagierten. Leider nur so lange, wie sich Heung-Min Son im Besitz des Vereins befand. Mit dem Wechsel nach Leverkusen wechselten auch die Koreaner. Die Reise zum sogenannten Moon-Cup (Preis vom Sektenführer persönlich überreicht) brachte im Nachhinein betrachtet auch keine Kracher, obwohl der halbe Aufsichtsrat mitreisen musste. Sollte also ein alles überragender Profi aus Katar beim HSV anheuern wollen, wäre der Weg offen für einen Sack voller Petro-Dollars. Das ist keine große Kunst, aber einer muss es halt machen.

Der „Hamburger Weg“.  Der Hamburger Weg ist eine einzigartige Initiative des Hamburger Sport-Vereins und in Hamburg ansässiger Unternehmen unter der Schirmherrschaft von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz. Mit dieser Crowdfunding-Plattform bieten wir die Möglichkeit soziale Projekte in Hamburg vorzustellen und dafür finanzielle Unterstützung zu finden. (https://www.der-hamburger-weg.de/)

Von Bernd Hoffmann und Katja Kraus edacht und initiiert, fristet dieses einzigartige Alleinstellungsmerkmal mittlerweile eine Art Schattendasein am Rande des Vereins. Ja gut, es gibt ihn, aber das war’s dann auch. Traurig, wie man eine solche Idee stiefmütterlich verdörren lassen kann.

Bevor wir es vergessen – die sagenhafte Indonesien-Reise in der Winterpause der Saison 2013/14, die sowohl sportlich wie auch finanziell ein Desater darstellte und die am Ende auch daran Schuld war, dass es den HSV in der letzten Saison fast erwischte. Eine brillante Markting-Idee, wie man später feststellte.

Von gut unterrichteten Kreisen hört man, dass „JoHi“ den Erfolg seiner Marketing-Abteilung gern an einem Indikator festmacht, welcher da lautet: „Umsatz pro Mitarbeiter“. Das klingt echt business-mäßig und hat in den letzten drei Jahren dazu geführt, dass sich der Index tatsächlich verbessert hat bzw. er ist ähnlich geblieben. Wer jetzt allerdings denkt, dass das HSV-Marketing heimlich irgendwelche Wunderdinge vollbracht hat, den muss ich enttäuschen – es ist nämlich gar nicht sooo kompliziert, an dieser Front (Index) erfolgreich zu sein, man beachte das Ackermann-Modell.

Wie kam „der Findige“ eigentlich damals zu seinem Job? Richtig, es war der „alte“ Aufsichtsrat“ um die Herren Ertel, Hunke, Erhardt, Floberg, Klüver etc., die ihn zum Vorstand Marketing und Kommunikation kürten. Lustigerweise waren es 3 Jahre später die gleichen Herren, die ihn am liebsten zum Teufel gewünscht hätten, als Hilke seine spontane Liebe für HSVPLUS inkl. Ausgliederung und Groß-Reinemachen entdeckte.

Am 19.01. verkündete er in einer vollkommen unvorbereiteten Rede (Achtung: Ironie) seine Erkenntnisse und nicht nur Carl Jarchow neben ihm guckte wie ein Hirsch wenn’s blitzt. Mit anderen Worten – in bester Schlittschuhfahrer-Manier (nach rechts, nach links, wieder nach rechts) wird der Gaul im vollen Lauf gewechselt. Muss man auch können.

Zwischenfazit: Nach 3 Jahren Marketing sieht es, zumindest nach meiner Auffassung von Erfolg, düster aus.
Wäre da nicht noch….
….das Vorstandsressort Kommunikation.

Ehrlich, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass man als Kommunikations-Verantwortlicher ins Schwimmen gerät, wenn mein Arbeitgeber in einem Kalenderjahr ganze 16 Punkte generiert hat, aber das hindert trotzdem nicht an daran, dass man die Geschichte professionell angehen kann.

Leider Gottes ist aber die Kommunikation seitens des HSV, in den Jahren 2003 bis 2009 hochgelobt und mehrfach prämiert, in den letzten Jahren mit dem Begriff Desaster nicht ausreichend beschrieben. Indiskretionen, Maulwürfe, Abhängigkeiten vom Boulevard, Vernachlässigung der eigenen Kanäle – man scheint schlicht kein Kommunikationskonzept (mehr) zu besitzen. Stattdessen agiert man mehr und mehr wie ein Getriebener, der aus Angst vor dem eigenen Schatten kaum noch in der Lage ist, richtige Entscheidungen zu treffen.

Wen hat es eigentlich seit 2011 so alles „dahingerafft“? Arnesen und Congerton, Scheel ist Schatzmeister,Oenning, Kreuzer, Fink, van Marwijk, Slomka, Täuber, Vidovic. Ein kompletter Aufsichtsrat mit Herren wie Ertel, Hunke, Floberg, Klüver, Meier, Frau Sattelmeyer, Erhardt, Eghbal etc musste gehen, Jarchow wird im Mai 2015 folgen.

Der Einzige, der immer wieder überlebt, ist „der Findige“ und vielleicht stellt sich irgendwann jemand die Frage, warum das so ist. Am Erfolg kann es eigentlich nicht liegen, aber man könnte sich die nächste Frage stellen:

Warum darf ein Joachim Hilke eigentlich seit 3 Jahren ein vom Boulevard unentdecktes Dornröschen-Leben führen, während diverseste Ex-Kollegen nach weit weniger als 3 Jahren Tätigkeit auf dem medialen Grill schmorten?

Es kann doch eigentlich nicht sein, dass man nur deshalb als „Marketing-Profi“ gilt, weil unter den Fotos in der BILD immer so schön „Marketing-Profi“ steht, oder? Muss man nicht nach spätestens 3 Jahren den Beweis für seine Fähigkeiten erbracht haben? Andere müssen das doch auch.

Natürlich könnte man sich in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, warum sich Klaus-Michael Kühne in der ominösen Mail an einen Ex-Aufsichtsrat gegen Kreuzer und ausdrücklich pro Hilke starkmacht? Väterliche Gefühle oder van der Vaart-Effekt? Man weiß es nicht.

Zum Schluss das Letzte. Irgendwann im Frühling dieses Jahres äußerte sich Aufsichtsratsboss Karl Gernandt über die Besetzung des Vorstandes, ich meine, er redete von 2 Vorstandsposten. Aktuell hat der HSV drei und ab dem 15.11. vier Vorstände (CFO). Man hat mit den Direktoren Knäbel und Peters zwei Experten verpflichtet, deren Gehälter sich mit dem ehemaliger Vorstände vergleichen ließen. Man hat aktuell nach dem FC Bayern München den zweitteuersten Verwaltungs-Wasserkopf der Liga und steht mit einem Gehalts-Etat von mehr als € 50 Mio. auf dem 17. Tabellenplatz.

Aber – das wird schon alles, nur die Ruhe…