Gestern hätte ich die Möglichkeit gehabt, Augenzeuge eines Trainingsspiels zu werden und zwar live, vor Ort und in Farbe. Eine Karte war noch frei, ich hätte mich auf den Weg in den Volkspark machen können. Ich hab’s nicht gemacht.

Ich bin HSV-Fan und ich werde (wahrscheinlich) bis an mein Lebensende HSV-Fan bleiben, aber im Moment machen mir weder der Verein noch die Mannschaft Spaß und dann bleibe ich lieber zuhause und verderbe anderen Menschen nicht die Laune.

Wenn ich heute die Berichte über das Spiel lese, setzt innerhalb  von nur 8 Stunden das nächste große Kopfschütteln ein. Dort wird von Kampf geschrieben, von „Bemühen“, von „Nicht-aufgeben“. Herzlichen Glückwunsch.

Die Bayern haben von der ersten Minute an Jo-Jo mit dem HSV gespielt und hätte nicht der gewohnte Westermann-Klops bereits in der 7. Minute zum 0:1 geführt, hätte es eben bis zur 15. Minute gedauert. Wenn nach dem Spiel Herr Joseph Zinnbauer davon redet, dass das 0:2 zu einem unglücklichen Zeitpunkt gefallen ist, hat er  nicht unrecht, aber es spielt keine Rolle.

Die Bayern spielen zwar konzentiert, aber dennoch mit angezogener Handbremse gegen eine Mannschaft, bei denen sich mindstens 9 der 11 Startspieler als Einkommens-Millionäre fühlen können. Sie spielen nicht gegen Paderborn oder Köln, sie spielen gegen die aktuell fünft-teuerste Truppe der höchsten deutschen Spielklasse und wenn dann in diesem Zusammenhang Attribute wie „Kampf“ und „Laufbereitschaft“ genannt werden, könnte ich anfangen zu schreien. Dies, liebe Freunde der indischen Brotsuppe, sind Grundtugenden im heutigen Fußball, sie sind Voraussetzungen und keine Sonderleistungen.

Der Umstand, dass es besonders hervorgehoben wird, dass die Mannschaft „zumindest gekämpft“ hätte, ist nicht bewundernswert, er ist erschütternd.

Aber betrachten wir nicht nur diese Begegnung zweier ungleicher Mannschaften, betrachten wir eine Entwicklung, eine Entwicklung unter einem neuen Trainer. Oder stellen wir die Frage: Was genau hat sich eigentlich geändert, nachdem Zinnbauer das Zepter von Slomka übernahm?

Teile der Mannschaft sprechen öffentlich darüber, dass man endlich „als Team“ auf dem Platz stünde, ein für meine Begriffe unfassbares Armutszeugnis. Was hat die Spieler unter den Trainern Fink (Punkteschnitt: 1,28), van Marwijk (0,88), Slomka (0,88) eigentlich daran gehindert, „als Team“ aufzutreten? Haben es ihnen die Ex-Trainer etwa verboten, füreinander zu laufen und zu kämpfen? Garantiert nicht.

Na schön, „Magic Joe“ hat ihnen also erfolgreich vermittelt, dass man ein Bundesliga-Spiel, egal gegen wen, nur dann erfolgreich bestreiten kann, wenn man ungeführ soviel läuft wie der Gegner. Der helle Wahnsinn.

Und sonst so? Kann jemand irgendeine taktische Handschrift erkennen, die Zinnbauer dem Team in den letzten Wochen antrainiert hat? Ich kann es nicht. Wenn ich ein Spiel des HSV sehe, dann sehe ich nach wie vor einen spieltaktisch unterbelichteten Hühnerhaufen, der jetzt allerdings etwas mehr rennt als zuvor. Die Böcke sind dieselben, das Aufbauspiel ist unterirrdisch und von einer Torgefahr zu sprechen, zieht den Sinn des Fußballspiels bereits ins Lächerliche.

Hinzu kommt, dass Herr Zinnbauer offenbar nur eine psychologische Maßnahmen zu kennen scheint, die Provokation und ich meine damit die Provokation der eigenen Spieler.

Vor der Bundesliga-Begegnung gegen die Münchner ließ er verkünden, dass man im Grunde ohne Chance gegen den übermächtigen Gegner sei. Was für einige als „Feigheit vor dem Feind“ klang, sollte eine Provokation der eigenen Mannschaft sein. „Dem Trainer zeigen wir, dass wir besser sind, als er denkt“.

Die Partie am 4. Spieltag endete mehr als glücklich 0:0 und „Joe“ ließ sich abfeiern.

Vor dem Pokalspiel gegen den FCB die gleiche Ansage. „Eigentlich hat man keine  Chance, das Pokalspiel wird mitgenommen, aber wichtig ist die nächste Partie gegen Bayer 04 Leverkusen“.

Erkenntnis: Was einmal mit viel Glück klappt, klappt nicht unbedingt auch ein zweiten Mal.

Aber auch im täglichen Leben wählt der Trainer offenbar gern das Stilmittel der Provokation bzw. das „Kitzeln von Spielern“. Artjoms Rudnevs, immerhin schon mal 12-facher Torschütze in seiner ersten Bundesliga-Saison, kennt die „Laufwege“ nicht, von ihm muss mehr kommen. Das gleiche Spiel, wie „Joe“ auch gern zugibt. Er möchte den Spieler reizen, mehr Leistung rausholen.

Naja, hoffen wir mal, dass Millionen-Mann Lasogga die „Laufwege“ kennt.

3-Millionen-Transfer Clèber wird von Zinnbauer auf die Tribüne verbannt, stattdessen dürfen die Pannenkönige Djourou und Westermann weiterwirbeln. Wäre ich Brasilianer und würde ich die Stümper-Einlagen eines Innverteidiger-Duos sehen, dass jetzt viele Spiele gemeinsam bestritten hat und immer noch nicht harmoniert, ich würde nicht nur wegen des nahenden Winters ins Grübeln kommen.

Fazit: Auch nach dem 7. Spiel unter Zinnbauer hat sich im Grunde nichts geändert, eigentlich hat sich seit dem Rauswurf von Thorsten Fink nichts geändert und Fink hatte eine qualitativ schlechtere Mannschaft und vor allem eine billigere Mannschaft zur Verfügung.

http://www.transfermarkt.de/hamburger-sv/startseite/verein/41?saison_id=2012

Jetzt könnte man natürlich (und einige werden das tun) wieder einmal Geduld einfordern, wie im Grunde seit nunmehr 30 Jahren.

Unglücklicherweise habe ich keine Geduld mehr und die DFL, die im Januar das Nachlizensierung-Verfahren beginnt, auch nicht. Nicht mehr.

Entschuldigen möchte ich mich an dieser Stelle bei Franck Ribery. Sorry Franck, aber das so ein Vollspacken ausgerechnet in Hamburg auf den Platz rennen darf und einen Spieler bedrohen kann, passt ins Bild, welches der Verein in diesen Tagen abgibt.