Eigentlich, so ist es überliefert, wollte er den Job gar nicht. Denn Dietmar Beiersdorfer hat etwas, was vielen seiner „Artgenossen“ abgeht, er kann sich und seine Fähigkeiten sehr gut einschätzen. Noch im Februar hieß es: „Ich bin ein guter Sportchef, aber den Vorstandsvorsitzenden beim HSV, besonders auch in dieser prekären Situation, traue ich mir nicht zu“. So etwas ehrt, wie ich finde.

Am Ende kam es bekanntlich anders und dass es so kam, hätte verschiedene Gründe. Zum Einen war Beiersdorfers Verfallsdatum bei Zenith St. Petersburg abgelaufen, die Russen suchten bereits im März intensiv nach einem Nachfolger. Beiersdorfer wußte das und er wollte gern nach Hamburg zurück, zumal die Familie seiner Frau hier lebt. Zum Zweiten konnten die Macher von HSVPLUS trotz intensivster Bemühungen keinen Kandidaten für das Amt finden, zumal auch dort im inneren Kreis der Initiative keine Einigkeit herrschte.

Als aber nach der Mitgliederversammlung am 19.01. und besonders dem Commitment des Vorstandes für Marketing und Kommunikation, Joachim Hilke, der Druck, eine Führung präsentieren zu müssen, immer größer wurde und man sich auch mit dem Faktor Zeit nicht mehr rausreden konnte, musste eine Lösung gefunden werden und diese lautet bekanntlich: Beiersdorfer.

Das dann am Ende Aufsichtsrats-Vorsitzender Gernandt medienwirksam nach Russland eilte, um „Didi“ freizukaufen, war mehr der dramatischen Inszenierung oder dem Verhandlungsgeschick der Russen geschuldet.

Anyway, Beiersdorfer kam, obwohl er ein halbes Jahr vorher eigentlich nicht wollte und jetzt hat er den Salat.

Denn Beiersdorfer steht vor einer Aufgabe, die ein Mann allein gar nicht bewältigen kann und ein Mann mit seinen Charaktereigenschaften schon gar nicht. Ein freundlicher, introvertierter und eher leiser Denker soll einen Verein reformieren, der seit nunmehr 30 Jahren von diversen Kräften zerrissen wird und diese Kräfte sind immer noch aktiv.

Von Beiersdorfer werden Handlungen und Entscheidungen erwartet, die seinem Naturell massiv widersprechen, aber er muss dennoch liefern. Er ist im internen Verhältnis zwischen Kräften gefangen, die eigene Interessen verfolgen, aber diese Kräfte werden ihm von Leuten „befohlen“, von dener er selbst und besonders der Verein direkt abhängig sind.

Berichtet wird z.B., dass Beiersdorfer und Hilke nicht miteinander können. Problem ist nur: Hilke wird bleiben, so lange sein Buddy Gernandt bleibt. Und Gernandt bleibt so lange, wie sein Herr und Meister Kühne es will.

Was hat das zur Folge? Beiersdorfer muss sich gutstellen, ob er will oder nicht. Muckt er auf, kommt zuerst sein Kontrolleur und wenn das nicht hilft, kommt der Kontrolleur des Kontrolleurs.

Mit den Direktoren Peters und Knäbel hat sich Beiersdorfer zwei hochprofessionelle Experten ins Boot geholt, aber was nun? Planen (Peters) kann man viel und Kontakte (Knäbel) kann man auch herstellen, aber was macht man ohne Geld? Bernhard Peters hatte in Hoffenheim genügend liquide Mittel zur Verfügung, um seine Nachwuchspläne in die Tat umzusetzen und besonders der Hertha aus Berlin die besten Jugendkicker wegzukaufen. In Hamburg hat er erstmal gar nichts.

Peter Knäbel mag ein noch so geschultes Auge für Erstliga-Talente haben, ohne Geld keine Transfers. Einem blanken Schweizer kann man nicht die Tasche fassen.

Das ist bisher nur der vereins-technische und sportliche Teil der Beiersdorfer-Veranstaltung.

Auf der anderen, nicht minder-beschwerlichen Seite, soll/will Beiersdorfer dem Verein eine neue Identität vermitteln. Aus dem „Jeder-gegen-jeden“ möchte der gebürtige Mittelfranke einen familiäres und verlässliches Miteinander formen und auch das ist eine Herkules-Aufgabe, denn die alten Protagonisten sind alle noch an Bord und kaum einer hat die letzten Jahre vergessen. Nach wie vor existieren Seilschaften, Abhängigkeiten etc. und besonders im Bereich der Kommunikation hat sich seit dem 25.05. absolut nichts verändert.

Dies sei ein Bereich des Vereins, dessen man sich intensiver annehmen möchte, wenn sich irgendein sportlicher Erfolg einstellen sollte, also ca. 2027. Bis dahin „ist man noch nicht so weit“ und leider versteht der Verein und offenbar auch Beiersdorfer selbst nicht, dass eben das kommunikative Verhalten des Vereins einem sportlichen Erfolg unmittelbar im Wege steht.

Was noch? Ach ja, natürlich. Als wäre all dies noch nicht genug, muss „Dukaten-Didi“ auch noch nach weiteren sogenannten „Strategischen Partnern“ fahnden, die aber so lange ausbleiben werden, wie der einzige „Partner“, der sich bisher bekannt hat, sein Unwesen treibt. Ein absoluter Teufelskreis, denn eben dieser Partner muss auch noch ständig zufriedengestellt werden, denn Klaus-Michael Kühne möchte schon wissen, „was mit seinem Geld denn so angestellt wird“.

Hinzu kommt, dass permanent Damokles droht, denn in der Schweiz oder auf Mallorca ist die Lunte bekanntlich kurz. Im Grunde muss Beiersdorfer nach jeder bitteren Niederlage damit rechnen, dass „KlauMi“ mal wieder die Hutschnur geplatzt ist und wie schnell der Herr aller Transporter einem ehemaligen „Liebling“ die Zuneigung entziehen kann, darüber kann Mijnheer van der Vaart ausführlich berichten.

Nimmt man all das zusammen, ist die Aufgabe Beiersdorfers mit dem Begriff Krisenmanagement nicht ausreichend gewürdigt, vielmehr kommt einem der arme Mann vor wie ein Seemann, der mit zwei Händen versucht, 15 Löcher in einer Bordwand zu stopfen. Mission impossible.

Mal ein anderer Gedanke: Was passiert eigentlich, wenn Master Kühne morgen einfällt, dass Beierdorfer vielleicht doch nur ein Zweitliga-Präsident ist? Was passiert mit dem HSV, wenn sich der letzte Didi-Strohhalm nach einem Jahr der Zermürbung sagt: „Wisst ihr was? Mach doch euren Scheiß allein“ ?

Fakt ist jedenfalls eines: Sollte in dieser Saison die Klasse gehalten werden (was beileibe nicht so locker ist, wie viele gern glauben möchten), dann steht spätestens zur neuen Saison der nächste Horror vor der Tür. Denn – natürlich ist es schön, wenn man sich mit Hilfe auslaufender Verträge von hochbezahlten Seuchenvögeln trennen kann. Aber nur, weil man € 15 Mio an Gehalt einspart, hat man keine € 15 Mio mehr in der Kasse. Eine solche Rechnung können wirklich nur Baumschüler aufmachen.

Was man auf jeden Fall hat – man hat 10 Spieler weniger, aber kein Geld, um Ersatz zu besorgen. Und im Hintergrund lauert die böse DFL und wird wieder einmal fragen, wie sich der HSV denn die Finanzierung der Saison 2015/16 vorstellt.

Tatsache ist – man braucht Geld und zwar schnell. Bis auf den Imtech-Vertrag sind alle großen Verträge langfristig verlängert worden und im Moment sehe ich auch in dem aktuellen Kader keinen zweiten Calhanoglu, der eine zweistellige Ablöse bringen wird.

Geld gibt’s also nur über Investoren und diese halten sich trotz Rieckhoffs vollmundigen Ansagen während der Wahlkampf-Periode vornehm zurück, wer kann es ihnen verübeln? Am Ende läuft alles wieder einmal auf Kühne hinaus, was den Einfluss des Spediteurs und seines Tribun Gernandt vergrößern und Beiersdorfer mehr und mehr in eine Abhängigkeit drängen wird.

Auf der anderen Seite weiß Beiersdorfer, dass alle Hoffnung der Mitglieder und Fans an seine Person geknüpft sind. Ein unfassbarer Druck, den kein Mensch über einen längeren Zeitraum auszuhalten vermag.

Am Ende des Tages wird eine Frage übrigbleiben: Wie lange?