Liebe Leser,

ich möchte heute nochmals, weil ich es wichtig finde, auf den gestrigen Artikel im Hamburger Abendblatt zurückkommen, in dem nach dem 10. Spieltag der laufenden Saison eine Art Zwischenbilanz über den Wert/Nichtwert der Neuzugänge gezogen wurde. Es geht mir bei der Betrachtung dieser und ähnlicher Artikel nicht darum, dem Autoren Unfähigkeit nachzuweisen und ihn der Manipulation zu beschuldigen, vielmehr möchte ich ein Bewußtsein dafür schaffen, wie Bewertungen dieser Art zustande kommen (können) und nach welchen irrelevanten Kriterien gemessen wird.

Um es (zum wiederholten Male) ganz deutlich zu sagen: Ich bin weder ein Zinnbauer-Hasser, noch bin ich ein Slomka-Fan. Ich trage keinen van Marwijk-Schal und ich bin auch kein Mitglied im Thorsten Fink-Fanclub „Verstrahlte Rautenmöwen 91“. Ich möchte versuchen, im Gegensatz zu den oftmals tendenziösen und unsachlichen Bewertungen von Spielern, Trainer, aber auch Offiziellen des HSV eine mögliches sachliche hinzuzufügen.

Noch was. Wer bisher davon ausgegangen ist, dass dieser Blog dafür da ist, Propaganda im Sinne des HSV zu machen, der liegt aber mal komplett daneben. Weder bin ich dafür da, aus Scheiße Gold zu schreiben, noch werde ich auch in Zukunft eine spielerische (nicht kämpferische!!!) Katastrophe wie das Leverkusen-Spiel zu einer fußballerischen Offenbarung zu machen. Wer das braucht, ist hier deutlich falsch.

Dafür bekommt man an dieser Stelle aber auch kein „Die-Welt-geht-unter-Gekreische“ nach einer Niederlage oder ein von halbnackten Rendnern gegröhltes „Europapokaaaaaal!“ nach einem Sieg. Wer das braucht, kann sich gern an mich wenden, ich habe die passenden Adressen.

Der Artikel, auf den ich mich beziehe, ist dieser hier…

http://mobil.abendblatt.de/sport/fussball/hsv/article134013819/Zwischenbilanz-Diese-Neuzugaenge-des-HSV-haben-ueberzeugt.html

…und ich möchte den Inhalt ein wenig genauer unter die Lupe nehmen.

Dabei verzichte ich (bis auf eine Ausnahme) auf das exakte Zitieren der einzelnen Spielerkritiken, ich denke, ihr könnt alle selbst lesen. Ich möchte erneut darauf hinweisen, dass ich weder Fan eines Spielers bin, noch dass ich jemanden ins Off schreiben möchte. Ich hoffe, dass das jetzt endlich jeder kapiert hat!

Lewis Holtby (24): Kurzum: Die Nummer 18 des HSV ist eine echte Verstärkung

Meine spontane Frage war: Warum? Warum ist Holtby eine echte Verstärkung? Der Deutsch-Brite kam in 9 Pflichtspielen bisher auf eine Torvorlage (kein eigener Treffer), für einen offensiven Mittelfeldspieler keine Wahnsinnsquote. Dabei war Lewis extra dafür aus Tottenham geliehen (jetzt gekauft) worden, nämlich um der müden Offensive mit Pässen in die Schnittstellen und Distanzschüssen zu mehr Gefahr zu verhelfen.

Betrachtet man seine Schalker Bilanz, so könnte man durchaus auf solche Ideen kommen (79 Spiele, 13 Tore, 18 Vorbereitung). In Gelsenkirchen war Holtby also in 79 Spielen an 31 Treffern beteiligt, bleibt ne Menge Luft nach oben.

Natürlich werden jetzt viele einwenden, dass Holtby sehr gute Laufwerte aufweisen kann und sich in jedem Spiel denselbigen aufreißt, aber ist das nicht eigentlich eine Pflichtveranstaltung für einen Profi, der den HSV € 6,5 Mio. kosten wird und der in London geschätzte € 5 Mio im Jahr verdient hat.

Aus einer engagierten Laufleistung eine Bewertung „ist eine echte Verstärkung“ zu machen, halte zumindest ich für übertrieben.

Valon Behrami (29): Prädikat Königstransfer

Königstransfer? Wie schnell wird man in diesen Zeiten in Hamburg zum Königstransfer. Behrami wurde als Abräumer aus Neapel geholt, er sollte der anfälligen defensiven Mitte des HSV zu mehr Stabilität verhelfen. Betrachtet man die Bilanz der Gegentore nach 10 Spielen (12 gegenüber 22 im Vorjahr), so hat das scheinbar zumindest teilweise geklappt, wenn man die Defensiv-Leistungen der Nebenspieler, die Leistung der Torhüter, die veränderte spiel-strategische Ausrichtung ignorieren möchte.

Was sich nicht verändert bzw. eher verschlechtert hat, ist das kontrollierte Aufbauspiel und hieran hat Behrami einen maßgeblichen Anteil. Er ist kaum in der Lage, einen kontrollierten Pass über 10 m an den eigenen Mann zu bringen, für das schnelle Aufbauspiel nach einem abgefangenen Pass des Gegners ist er nicht zu gebrauchen. Mit anderen Worten: Man hat die Fähigkeit eines Milan Badelj, das Spiel von hinten zu machen, dabei aber defensiv anfällig zu sein, gegen die Fähigkeiten eines Valon Behrami getauscht, das Spiel des Gegners zu zerstören, dafür aber für den Spielaufbau untauglich zu sein.

Desweiteren ist (soll) Behrami innerhalb der Mannschaft eine Art Leader sein, ein Einpeitscher, Motivator. Charaktereigenschaften, die man dringend braucht und die beispielsweise ein Badelj aufgrund seiner zurückhaltenden Art nicht hatte. Aber „Königstrasnfer“? Für einen Königstransfer hat der Spieler zumindest nach meiner Auffassung zu viel spielerische Defizite.

Nicolai Müller (27): Fazit: Gute Verpflichtung

Müller kam angeschlagen nach Hamburg, konnte große Teile der Vorbereitung nicht mitmachen. Bisherige Bilanz: 9 Spiele, 1 Tor, ein Assist. Müller bringt die lange vermisste Geschwindigkeit mit, wird garantiert noch stärker. Mit der Bewertung „gute Verpflichtung“ kann ich leben, wenn ich auch den Preis als recht hoch empfinde.

Pierre-Michel Lasogga (22): „…zählt er zu den besten Stürmern der Bundesliga und ist deshalb eine echte Verstärkung.“

An Lasogga scheiden sich die Geister, keine Frage. Die Einen werden ihm nie vergessen, dass er den HSV mit seinen Toren in der Klasse gehalten hat, die Anderen erkennen sein recht eindimensionales Spiel und empfinden daher den Preis (€ 8,5Mio bei nur einem Jahr Restlaufzeit des Vertrages) und das Gehalt (€ 3,5 Mio) besonders für einen Verein, der im Grunde keinen Cent auf der Kante halt, als unkalkulierbares Risiko. Hinzu kommt seine Verletzungsanfälligkeit.

Bei Pierre wird gern von den 13 Toren (in 20 Spielen) aus der Vorsaison geschwärmt, dabei wird vergessen, dass er allein im in den Spielen gegen Nürnberg (3) und Leverkusen (2) insgesamt 5 Tore erzielte, bleiben 8 Treffer in 18 Spielen. Ein guter Wert, aber daraus jetzt den nächsten Lewandowski machen? Es gibt nicht Wenige, die Lasogga für vollkommen überbewertet halten und die der Meinung sind, er hätte im letzten Jahr über-performed. Nun, dies bleibt abzuwarten. Fakt ist aber, dass der HSV mit seiner Verpflichtung ein überaus großes finanzielles Risiko eingegangen ist.

Johan Djourou (27): Eine echte Verstärkung

Es stimmt, gegenüber den zittrigen Leistungen der Vorsaison spielt Djourou bisher eine solide Spielzeit, aber „eine echte Verstärkung“? Nur, weil man nicht mehr so viele haarsträubende Fehler wie im letzten Jahr macht, ist man eine echte Verstärkung? Ok, ich verstehe. Johan spielt solide seine Part und hat seinen Anteil daran, dass sich die Defensive stabilisiert hat. Leider ist der bei offensiven Standard-Situationen immer noch komplett ungefährlich, hier ist noch deutlich Luft.

Cléber (23): Beim Brasilianer sind die Anpassungsprobleme an ein für ihn neues Land und eine neue Liga deutlich zu spüren. Seit seinem Katastrophen-Spiel gegen Frankfurt, bei dem er die Gästeführung verschuldete und anschließend ein permanenter Unsicherheitsfaktor in der Defensive war, spielte er keine Minute mehr für den HSV. Cléber wirkt oftmals unkonzentriert, man sollte ihm aber noch Zeit geben. Doch stand jetzt, ist der 23-Jährige ein Fehleinkauf.

An dieser Stelle bin ich das erste Mal sauer geworden und zwar deshalb, weil dieser Spieler in keinster Weise objektiv beurteilt wird. Aus einem Fehler in einem Spiel wird ein „Katastrophen-Spiel“ gemacht, ein Junge, der die Sprache nicht spricht, die Liga nicht kannte, nicht mal den Verein kannte, wird zum Sündenbock abgestempel. Das ist mir einfach zu billig, besonders dann, wenn man die seichten Beurteilungen zuvor ansieht. „Cleber wirkt oftmals unkonzentriert“. Ach ja? Wann denn? In einem seiner beiden Bundesliga-Spiele oder beim Training, bei dem ich den Autor dieses Artikels noch nie gesehen habe? Albern und vor allem – durchsichtig.

Man braucht ja einen Spieler, an dem man den schlechten Auftritt der Mannschaft auch in dieser Saison festmachen kann und wer bietet sich da besser an als ein Junge, der die Kritik nicht lesen und sich nicht wehren kann?

Was will ich mit diesem Blog zum Ausdruck bringen? Nun, zuerst einmal, dass die vermeintlich objektiven Bewertungskriterien nichts anderes als subjektiv sind. Es spielen diverse Faktoren hinein, die nicht hineinspielen sollten. Dinge wir Sympathie, mediale Offenheit, Fähigkeiten, sich auszudrücken, gute Selbstvermarktung, Sonnyboy-Image etc. sind Faktoren, die berücksichtigt werden, die aber im Falle einer sportlichen Analysen keinerlei Rollen spielen dürften.

Am Ende geht es soweit, dass ein Spieler/Trainer danach beurteilt wird, von welchem Sportchef er geholt wurde, wie krank ist das bitte?

Zum Schluss: Wie man sich, trotz Null-Performance, bei der Presse ein positives Image oder zumindest schier unendlichen Welpenschutz erkaufen kann, zeigte der „Fall Kreuzer“, bei dem sich Presse-Olli dadurch beliebt machte, dass er im Grunde jedem alles erzählte. Quellen sind immer Klasse und nur so kam es zu dem legendären Dopa-Auftritt des Herrn Pegelow, der im Brustton der Überzeugung verkündete:

„Der HSV kann froh sein, Kreuzer zu haben“

Yepp Lars, so war das. Das aktuellste Beispiel dieser „Bewertung“ finden wir übrigens im Vorstand Marketing.