Es stimmt, auf den ersten Blick erscheint es wenig logisch und dennoch stimmt es. 990 ist wirklich gleich 4, nämlich dann, wenn man sich als Bewertungsgrundlage die „Offensivbemühungen“ des Hamburger Sportvereins betrachtet. Es ist tatsächlich wahr: Die hoch- bzw. überbezahlte Offensiv-Abteilung des HSV schafft es tatsächlich, die jämmerliche Performance der Vorsaison zu übertreffen und alle 247,5 min. einen Treffer zu erzielen.

Dabei ist nicht nur die Torausbeute das elemantare Problem, nein, der HSV schafft es ja nicht einmal, echte Torchancen zu kreieren. Das, was in des Gegners Hälfte stattfindet, ist schlichtweg nicht Erst- und in den meisten Fällen nicht mal Zweitliga-tauglich. Zufallsprodukte, hoch und weit-geschlagene Bälle auf einen Lasogga, der nicht in der Lage ist, auch nur einen Ball festzumachen, die verzweifelte Hoffnung auf Standardsituationen, die aber nach dem Weggang von Hakan Calhanoglu keine Wirkung mehr erzielen – das ist die Offensive des HSV 2014/15. Und damit steigt man ab!

„Erneut eine gute kämpferische Leistung“

Sorry, aber wenn ich sowas lese, kriege ich einen zuviel. Eine „gute kämpferische Leistung“ ist kein Qualitätsmerkmal eines Bundesligisten, sie ist Grundvoraussetzung, sie ist unverzichtbar. Ich kann doch nicht ernsthaft einer Mannschaft, die zusammen mehr als € 50 Mio. pro Jahr an Gehalt einstreicht, zu Gute halten, dass sie läuft. Wo zur Hölle leben wir denn bitte? Viel trauriger ist vielmehr, dass man sich als HSV tatsächlich darüber freuen soll, dass die Herren Profis endlich zumindest die Grundzüge dessen verstanden haben, was ihren Beruf ausmacht.

„Experiment Zinnbauer“ gescheitert

Trainer Zinnbauer nach der Niederlage: „Wir haben uns nichts zugetraut!“. Wahnsinn, es ist der helle Wahnsinn. Dies sagt nach der Niederlage in Wolfsburg ausgerechnet der Trainer, der vor nahezu jedem Pflichtspiel den Gegner in die Regionen des Champions League-Siegers erhebt und die eigenen Chancen auf einen Erfolg gleich Null setzt. „Wir haben kaum eine Chance, aber wir fahren trotzdem hin“. Und dieser Trainer erklärt jetzt, dass die Mannschaft, die er regelmäßig klein redet, sich nichts zugetraut hat. Surprise, surprise.

Wahrscheinlich ist es so, dass Zinnbauer selbst gar nicht so viel dafür kann, die „Aufgabe HSV“ ist, so wie es scheint, nicht zu lösen. Von niemandem. Zinngruber wurde ohne Vorwarnung von Beiersdorfer ins Amt gedrängt („Didi rief mich im 13.30 Uhr an, ich solle um 14.15 Uhr in sein Büro kommen“), der Vorstandsvorsitzende war zwar in der Lage, Slomka zu feuern (auf wessen Anweisung auch immer), aber er hatte keinen Plan B. So musste der bis dato erfolgreiche U23-Coach einspringen und heute zeigt sich, dass er es nicht kann.

Auch in der Ära Zinnbauer ist kein funktionierendes Spielsystem erkennbar, hinten wird zwar vieles weggetreten, aber sobald der Ball Richtung gegnerisches Tor gespielt wird, ist Feierabend. Das ist eines Bundesligisten unwürdig!

„Gegner auf Augenhöhe“

„Die Punkte müssen wir gegen Gegner holen, die sich mit uns auf Augenhöhe befinden“. Okay, aber wer soll das sein? Aufsteiger Köln (0:0) ? Aufsteiger Paderborn (0:3)? Frankfurt – Marktwert € 75 Mio. (1:2)? Hannover 96 – Marktwert € 70 Mio. (0:2)? Hertha BSC – Marktwert € 72 Mio. (0.3) ?
Diese Mannschaften befinden sich mit dem HSV (Marktwert € 80 Mio.) auf sogenannter Augenhöhe, die Ergebnisse kann jeder sehen. Und, wollen wir doch mal ganz ehrlich sein: Die Siege gegen Dortmund (Spielverlauf auf den Kopf gestellt) und Leverkusen (aus dem Stadion getreten) waren mehr Zufallsprodukt als erspielt.

„Lasogga noch nicht bei 100%“
Mal ohne Gag, das kann doch nur ein Witz sein. Natürlich konnte PML große Teile der Vorbereitung aufgrund einer Verletzung nicht mitmachen, aber seitdem sind 4 Monate vergangen, in denen der Spieler bei 9 Partien auf dem Platz stand. Wie kann es dann sein, dass der € 8,5 Mio-Mann immer noch nicht bei 100% ist? Sowas gibt es scheinbar nur in Hamburg. In Dortmund beispielsweise ist ein Marco Reus des Öfteren verletzt, aber der Spieler braucht nach wochenlangen Pausen immer nur ein oder zwei Spiele, um wieder an seine Bestleistungen anknüpfen zu können. Das Gleiche gilt in München für Ribery und wahrscheinlich in vielen anderen Vereinen ebenfalls. Nur in Hamburg bekommt ein Spieler nach einer Verletzung ein halbes Jahr Spielpraxis, um eventuell mal wieder bei 80% anzukommen.
Aufbruchsstimmung nach dem 25.05.2014 verpufft

Der Jubel in der Arena war groß, die Hoffnungen noch größer. Endlich wurde ausgegliedert, endlich wurde der Weg für neues Geld freigemacht. Die alten Schergen wurden in die Wüste geschickt und der Silberstreif am Horizont schimmerte golden.

Heute schreiben wir den 10.11.2014 und von der Aufbruchsstimmung ist außer einem gewaltigen Kater nichts geblieben. Das, was die Initiative HSVPLUS vollmundig versprach, blieb größtenteils Worthülse. Dabei war die Grundidee von HSVPLUS nicht nur richtig, sie war alternativlos. Aber eine gute Idee muss am Ende auch mit guten Inhalten gefüllt werden, sonst bleibt sie halt nur eine Idee.

Der HSV hatte nach dem 25.05. alle Chancen auf ein reset und Stand heute muss man sagen, der Verein hat die Chance verspielt. Nicht viel wurde neu, aber vieles blieb alt. Es wurde ein alter Fahrensmann zurückgeholt, anstatt jemanden unverbrauchtes und vor allem jemanden ohne HSV-Vergangenheit zu holen. Beiersdorfer selbst trifft wenig Schuld, denn er war der Einzige, der sich die Mission Impossible antun wollte. Aber es blieben halt – bis auf den alten AR – alle sitzen, die den Niedergang zu verantworten haben. Jarchow blieb, Hilke blieb, Wolf blieb.

Man opferte zwar einen Sportchef (zu recht) und einen Trainer (mal wieder), aber alles andere blieb kleben. Warum eigentlich? Warum kann man sich nicht auch von den eben Erwähnten trennen, wenn man doch den Mut hat, Trainer und Sportchef zu kicken? Auch die Herren sind nicht unkündbar und haben Verträge, die man beenden kann. Aber nein, davor machte man bis heute halt und man wird auch in Zukunft davor halt machen. Stattdessen wird jetzt mit Herrn Pletz der nächste Direktor installiert, ebenfalls ein alter Vertrauter, der aufgrund seiner Abendblatt-Vergangenheit beste Boulevard-Kontakte unterhält.

Resignation selbst bei Klaus-Michael Kühne

Und wenn es doch wieder schiefgeht? „Irgendwann ist mal der Ofen aus.“ (Kühne im STERN am 25.10.2014)

KlauMi’s Geduld scheint zu Ende, wen wundert’s. Seit Jahren engagiert sich der Mann aus der Schweiz und seit Jahren sieht er mit an, wie eine Führung, ein Sportchef und einer Trainer nach dem anderen kläglich versagen. Man bekommt den Eindruck, dass selbst Extrem-Fan Kühne nicht mehr dran glaubt, aber andere glauben immer noch an Kühne, was für ein Fehler.

„Wenn er sein Geld verteilt, dann nach seinen Regeln. Er ist kein typischer Gönner. Immer wenn er etwas macht, will er etwas davon haben. Die Summe x gibt es nicht einfach so. Da wird noch um den Zinssatz gefeilscht.“
Sie sollten beim HSV nicht darauf hoffen, dass Kühne auf seine alten Tage in einem Anflug von Sentimentalität mit einem Handstreich all ihre Probleme löst. Sie gar in seinem Testament bedenkt, wie es ein Vorstand einmal halb im Spaß erklärte. Dafür werden sie auch weiterhin erfahren, wenn ihm etwas missfällt.

Dazu kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
Wohin führt der Weg?

Betrachtet man die sportliche IST-Situation, die finanziellen Gegebenheiten, die nicht vorhandene Entwicklung, dann führt der Weg in dieser Saison in Richtung Liga 2, so ehrlich sollte jeder zu sich selbst sein.

Eine Offensive, bestehend aus Spielern wie Lasogga (Marktwert € 12 Mio), van der Vaart (€ 5 Mio.), Müller (€ 7 Mio.), Holtby (€ 7,5 Mio.), Jansen (€ 5 Mio.), Stieber (€ 1,7 Mio.), Green (€ 2 Mio.) schafft es, in 11 Spielen zusammen 4 Treffer zu erzielen.

Eine Offensive, bestehend aus Spielern wie Matavz (€ 4 Mio.), Werner (€ 3 Mio.), Altintop (€ 2 Mio.), Bobadilla (€ 2,5 Mio), schafft immerhin 14 Tore.

Und selbst wenn nicht in dieser Saison, dann halt in der nächsten? Nach dieser Spielzeit laufen 10 Verträge aus, Geld für Neuverpflichtungen ist nicht vorhanden. Aber halt, dann kommen ja Demirbay, Tah und Zoua zurück und alles wird gut.
Man muss auch mal Geduld haben

Stimmt, muss man. Aber irgendwann ist auch diese Geduld aufgebraucht und das ist jetzt der Fall. Wenn man beobachten muss, wie Jahr für Jahr, Monat für Monat, immer neue Würdenträger an dem Verein und seinen Gegebenheiten scheitern, ist’s irgendwann nichts mehr mit Geduld. Spätestens, wenn der HSV nach der Länderspielpause gegen die wiedererstarkten Bremer das Heimspiel verlieren sollte, brennt in Hamburg der Baum. Spätestens dann schießen sich die Medien auf den Mann ein, den sie selbst zu „Magic Joe“ erklärt haben. Spätestens dann werden Beiersdorfers Maßnahmen kritisiert und es werden härtere Fragen gestellt. Dies alles wird nicht zur Verbesserung beitragen, willkommen in der selbstverschuldeten Spirale.

Irgendwann habe ich mich gefragt, was ich mir vom Fußball erwarte. Meine Antwort, die nur für mich gilt, lautete:

„Ich möchte Einsatz und Begeisterung. Ich möchte Spielzüge und Überraschungen. Ich möchte schöne Tore und Jubel. Ich möchte Perspektive und Hoffnung. Ich möchte mitfiebern und Siege“.

Wenn ich das dann in der 2. Liga vom HSV bekommen, dann ist das eben so. Vielleicht besser, als dabei zuzusehen, wie ein sterbender Patient langsam dahingleitet.