„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Tooor. Tooor. Tooooor. Toooor“

Wir schreiben den 16.11.2014 und in der Hamburger Imtech-Arena treffen zwei Teams aufeinander, die noch nie gegeneinander gespielt haben und nie gegeneinander spielen werden.

Die deutsche Nationalmannschaft läuft mit folgender Aufstellung auf:

Turek – Posipal, Kohlmeier, Eckel, Liebrich, Mai – Rahn, Morlock, Walter, Schäfer – Walter

Die U23 des Hamburger Sportvereins startet mit:

Brunst – Jordan, Jung, Adamoah, Marcos – Steinmann, Mende – Gouaida, Müller, Arslan – Brüning

Um exakt 15.30 Uhr stößt Deutschland durch Fritz Walter und Helmut Rahn an, der Ball wird auf Morlock zurückgespielt. Während Morlock noch überlegt, was er mit dem Spielgerät anfangen soll, stehen ihm zwei Hamburger auf den Füßen, der Ball ist weg. Der deutsche Sturm ist noch damit beschäftigt, sich in die gelernten Positionen zu bringen, da bemerkt Bundestrainer Sepp Herberger, dass die im Schnitt 19,7 Jahre alte 2. Mannschaft des HSV mit 6 Spielern bis in den Strafraum der Nationalelf presst.

Herberger, gelernten Trainerfuchs, mutmaßt aufgrund seiner Erfahrung, dass die jungen Hüpfer diese seltsame Art des Fußballspiels nicht lange durchhalten können, das ist ja schierer Selbstmord.

20 Minuten später steht es 4:0 für die Mannschaft der Namenlosen und der amtierende Weltmeister versucht verzweifelt, die in Aussicht stehende zweistellige Niederlage zu verhindern.

Was heute wie „Zurück in die Zukunft“ klingen mag und selbstverständlich eine nicht realisierbare Spielerei ist, ist jedoch nicht allzu weit davon entfernt, was tatsächlich passieren würde, wenn die Weltmeister-Elf von 1954 in der exakten Besetzung und dem Alter, das die Spieler zum damaligen Zeitpunkt hatten, gegen eine Regionalliga-Mannschaft aus dem Jahr 2014 treffen würde oder anders ausgedrückt:

Es ist einfach eine andere Sportart geworden.

Schaut man sich alte schwarz/weiß-Aufnahmen der Spiele der WM 54 an, sieht man einen Spielaufbau, ein Zweikampfverhalten, selbst technische Unzulänglichkeiten, die sich heute keine normale B-Jugend leisten kann. Noch dramatischer wird es, wenn man sich das Laufverhalten betrachtet.

Ein Lewis Holtby z.B. läuft in jedem Bundesliga-Spiel um die 12 km. Die Herren um Fritz Walter, Helmut Rahn und Horst Eckel kamen im Schnitt auf unter 4 km pro Spiel! Unter 4 km! In den Zeiten der Datenerfassung läuft selbst ein normaler Torhüter heute mehr.

Während die Spieler der Weltmeisterschaft von 1954 pro Match noch nicht einmal vier Kilometer unterwegs waren, haben die Kicker unserer Tage gut zehn Kilometer auf dem Tacho, wenn sie nach 90 Minuten unter die Dusche gehen.

http://www.pm-magazin.de/a/welcher-sportler-muss-am-meisten-schuften

Selbst die Spieler der Nationalmannschaft von 1974 kamen im Schnitt auf eine Laufleistung von nur 6-7 km.

Ich denke, Fritz Walter und Co. würden ihren Augen nicht trauen, wenn sie die 19 -Jährigen sehen würden, die ihnen 90 Minuten auf den Füßen stehen würden, die ein Zweikampfverhalten an den Tag legen würden, für das jeder Spieler 1954 nach 10 min. duschen gegangen wäre. Völlige Chancenlosigkeit.

Was will ich damit sagen bzw. wo entsteht der HSV-Bezug?

Ich möchte die Spielweise der heutigen Mannschaft des HSV nicht mit der der 54er-Mannschaft vergleichen, aber in Hamburg wurde viele Jahre lang geschlafen, tief und fest geschlafen. Während man in anderen Städten die Zeichen der Zeit erkannt hatte und bemerkte, dass man mit System, Ausdauer und Geschlossenheit Dinge erreichen könnte, die man ansonsten nur mit dem Einsatz von gewaltigen Mitteln erreichen könnte, kaufte man in Hamburg nach Namen und man tut es heute noch.

Lasogga, Müller, Holtby, Behrami, Djourou, selbst Stieber. Sie alle sind im Grunde eine logische Fortsetzung von Jansen, van Nistelrooy, Lauth und Mpenza.

Anstatt Johan Djourou fest von Arsenal zu verpflichten, hätte man Eigengewächs Tah halten und aufbauen können. Anstatt Valon Behrami (29) aus Neapel zu holen, hätte man auf Matti Steinmann oder Kerim Temirbay setzen können. Ob ein Ahmet Arslan schlechter performen würde als ein Zoltan Stieber oder ein Julian Green ist noch die Frage. Anstatt Lasogga für € 8,5 Mio hätte man auch einen Stürmer für die Hälfte verpflichten können.

Aber hätte man auf ein System gesetzt und dieses eingespielt. Hätte man an einem Trainer festgehalten und wäre nicht (wieder einmal) eingeknickt, würde es heute schlechter aussehen als 9 Punkte und 4 Tore aus 11 Spielen?

Ich denke nicht und vor allem wäre man nicht auf einen erneuten Kredit von Herrn Kühne angewiesen gewesen.

Ich bin zu 100% sicher, dass die Fans diesen Weg mitgegangen wären. Konsequent auf die eigenen Leute setzen, die Fans auf harte Zeiten (die ja auch so gekommen sind) vorbereiten, aber klar in seinen Aktionen bleiben. Erkennbar, klar, konsequent.

Das aber möchte man in Hamburg nicht und vielleicht kann man es auch nicht, jedenfalls nicht gegen gewaltige Widerstände.

Vor einigen Tagen habe ich mir, nicht zum ersten Mal, Gedanken darüber gemacht, warum eigentlich nahezu jeder Spieler, den der Hamburger Sportverein mit vielen Hoffnungen in die Hansestadt transferiert, hier im Norden schlechter spielt als bei seinem Ex-Club. Daniel Jovanov und auch das Hamburger Abendblatt sprach von einem „Hamburg-Virus“, das ich bereits vor Wochen ausgemacht haben wollte. Gibt es dieses Virus oder ist es einfach eine weit verbreitete Legende, um eine Sache zu erklären, die man nicht erklären kann?

Beginnen wir doch einmal vor dem Transfer. Ein umworbener Spieler wie z.B. Nicolai Müller hat verschiedene Angebote auf dem Tisch. Wenn er überall ähnlich verdienen kann, warum entscheidet er sich für Hamburg und den HSV? Weil Dukaten-Didi so gut überzeugen kann? Haha.

Was erzählt Didi dem Spieler eigentlich, womit wird er geködert? Hamburg ist eine tolle Stadt, viel Lebensqualität. Der HSV hat ein geiles Stadion mit leidenschaftlichen Fans. Der Verein hat einen großen Namen und große Tradition. Außerdem kann man in Hamburg immer noch sehr gut verdienen, Experten sind sich sicher, dass Pierre-Michel Lasogga bei keinem anderen Verein € 3,5 Mio im Jahr hätte einstreichen können.

Also? Der umworbene Spieler kommt nach Hamburg und denkt sich: Ich hab’s geschafft, ich bin jetzt HSV-Spieler. Wohne in der Hafencity, fahre Bentley, spiele in der Imtech-Arena, trage die Raute, das Leben ist schön. Das Leben ist sogar so schön, dass ab diesem Moment die letzten 5% Konzentration und Leidenschaft verloren gehen, nämlich genau die 5%, die den Spieler zu einem begehrten Spieler gemacht haben.

Geht das nicht nur einem, sondern mehreren Spielern so, haben wir den Salat und diesen Salat haben wir jetzt seit 30 Jahren. Mit einigen Ausnahmen natürlich, aber diese Spieler wollten sich nicht mit dem Etikett HSV-Spieler zufriedengeben, sondern die wollten weiter. Leider sind sie in der Minderheit, was im Übrigen auch für die Trainer gilt. HSV-Trainer zu sein heißt auch heute immer noch etwas anderes als 96-Trainer oder SC Freiburg-Trainer, völlig unabhängig vom sportlichen Erfolg.

Was ich damit sagen will: Ich denke, dass wir uns das Virus selbst machen, indem wir Spieler mit Argumenten locken, die im Anschluss zur Behäbigkeit führt. Wir erklären, wie sagenhaft Stadt und Verein sind und wundern uns dann, wenn es sie Spieler ebenso empfinden, sich im Paradies wähnen und abschlaffen.

Der Druck, etwas erreichen zu müssen, ist weg, weil (fast) alles erreicht ist.

An dieser Stelle vielleicht noch einmal für all diejenigen, die es immer noch nicht begriffen haben:

Dies ist ein Blog!

Ich produziere keine Nachrichten, ich muss keine Nachrichten produzieren. Ich schreibe meine Gedanken zu verschiedenen Geschehnissen, Umständen und Verhaltensweisen auf, aber ich mache keine Zeitung. Insofern sind die Einwände „Dann kann ich gleich Boulevard lesen“ vollkommener Blödsinn und zeugen davon, dass die Urheber solcher Sprüche die Wirkungsweise und Bedeutung eines Blogs nicht verstanden haben.

Oder um es noch verständlicher zu machen: Das, was sich „Matz Ab-Blog“ nennt, ist zu größten Teilen kein Blog, sondern eine etwas andere Art von Online-Journalismus, also im Prinzip nichts anderes als online-gestellte Print-Artikel.

Der oder das Blog [blɔg] oder auch Weblog [ˈwɛb.lɔg], engl. [ˈwɛblɒg], Wortkreuzung aus engl. Web und Log für Logbuch, ist ein auf einer Website geführtes und damit meist öffentlich einsehbares Tagebuch oder Journal, in dem mindestens eine Person, der Web-Logger, kurz Blogger genannt, Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert (‚postet‘) oder Gedanken niederschreibt.

(Und immer schön auf die Werbung klicken) 😉