Nein, schreiben darf man nicht darüber, am besten nicht mal reden. Alles, was auch nur annähernd nach leiser Kritik an der Entwicklung des „neuen HSV“ klingt, wird gnadenlos niedergebrüllt. Dabei sind die „Kritiker der Kritiker“ in ihren Bezeichnungen für die, nach ihre Maßstäben, Fahnenflüchtigen und Vaterlandsverrätern nicht gerade zimperlich. „Hassprediger“, „Hetzer“, „Nicht-HSVer“ sind noch die eher harmlosen Varianten, in denen die Getreuen ihren Unmut darüber zum Ausdruck bringen, dass es Berichterstatter, Journalisten oder Blogger gibt, die nicht einfach der Herde hinterherlaufen, sondern die (absolut berechtigte) Fragen stellen. Fragen sind aber in diesen Tagen nicht erwünscht, Geduld ist erwünscht. Kritiklosigkeit ist erwünscht und bedingungslose Treue ist erwünscht. Wer das nicht „leisten“ kann oder will ist halt ein Verräter oder noch schlimmer, ein Not-for-saler 2.0, wie mir gestern ein Leser schrieb.

Dabei war es noch genau diese Haltung, diese Fähigkeit, Kritik an den herrschenden Strukturen zu erkennen und zu formulieren, die exakt den gleichen Leuten zu Ruhm und Ehre verholfen hatte, die jetzt als neue Verräter-Gilde identifiziert wird. Wie kann das passieren? Nun, das ist im Grunde ganz einfach. War es bis zum 25.05. die Kritik an den „richtigen“ Personen, die korrekt und notwendig war, so ist es jetzt die Kritik an den „falschen“ Personen, die nicht erwünscht ist. Doppelmoral in Reinkultur.

An dieser Stelle komme ich zu meiner ersten kurzen Frage:

Warum tue ich das? Warum beschäftige ich mich kritisch mit Personen, Entscheidungen, Positionen? Warum mache ich meine Bedenken an der aktuellen Entwicklung kenntlich? Ich könnte mir das Leben doch wesentlich angenehmer, bequemer und lustiger machen. Ich könnte pausenlos von Geduld schreiben, ich könnte die Personal-Entscheidungen loben und die Testspiel-Ergebnisse gegen 5-Ligisten bejubeln. Ich könnte die Transfers verteidigen und Kühne/Gernandt lobpreisen. Eines wäre sicher, der Jubel der Plus-Fanatiker wäre mir gewiss. Ich wäre die journalistische Speerspitze gegen alle Unkenrufe, der Verteidiger des Glaubens. „Grave, gut, dass es zumindest dich noch gibt“.

Also? Warum mache ich das nicht einfach? Ich müsste mich nicht länger bepöbeln oder bedrohen lassen und würde wahrscheinlich täglich 500 Leser und 100 Facebook-Freunde mehr haben. Da ich kein Masochist bin und aus Schmerzen Vergnügen beziehe, muss es einen anderen Grund geben, oder?

Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: Weil es, zumindest aus meiner unmaßgeblichen Sicht, nicht richtig wäre. Ich habe irgendwann einmal beschlossen, dass ich in diesem Blog keine Deals mache und keine Gefälligkeiten erweise, aber dafür das schreibe, was meiner Meinung nach richtig ist. Damit macht man sich nicht nur Freunde, aber das ist mir egal. Was mir aber nicht egal ist, ist die Haltung einiger, die meinen, dass für die einen (alter AR und Vorstand) etwas galt, was für die anderen nicht gilt. Das geht nicht und das mache ich nicht mit.

Jörn Wolf sagte vor einiger Zeit zu mir:„Ich bitte dich, das im Sinne des Vereins zu machen, weil ich weiß, dass ich mit dir keinen Deal machen kann“. Darauf bin ich stolz. Ich lasse nicht mit mir handeln und ich lasse mich auch nicht bedrohen, aber dafür schreibe ich das, was ich für richtig halte. Das, was ich schreibe, muss bestimmt nicht jedem gefallen, aber ich erwarte, dass man es respektiert, so wie ich andere Meinungen respektiere, die sachlich begründet vorgetragen werden.  Mentale Halbaffen wie Spam-Feigling und Gummizellen-Insasse HSV63 fliegen schneller raus, als sie „Lachs“ schreiben können oder bleiben von Anfang an vor der Tür. Das ist so und das wird auch in Zukunft so bleiben!

Kommen wir zurück zum Thema, da ich heute einige Dinge einmal ganz unmissverständlich klar stellen möchte. Völlig unabhängig davon, welcher „Glaubensrichtung“ man angehört, muss es erlaubt sein, die Tatsachen und Realitäten abzubilden. Wenn das nicht mehr möglich ist, wenn man nur noch das schreiben bzw. sagen kann oder darf, was eine bestimmte Klientel hören bzw. lesen will, dann sind wir wieder auf dem Baum.

Wenn ich schreibe, dass die Mannschaft, die vor dieser Saison für fast € 30 Mio. !!! verstärkt bzw. ergänzt wurde, aktuell nach 11 Spielen 9 Punkte und 4 Tore auf der Habenseite hat, dann ist das eine Tatsache und die darf man erwähnen. Dem entgegen stehen Äußerungen von wahren Gläubigen, die von Geduld reden, die schreibe, dass sie glauben und denken, dass es in Zukunft besser gehen wird. Also haben wir auf der einen Seite die Realität, auf der anderen Seite die Hoffnungen. Diese Hoffnungen darf man äußern, die Realität aber nicht, weil – sonst ist mein ein Hassprediger. Lustigerweise durfte man gegenüber alten Aufsichtsräten (Hunke, Ertel) einfach mal lustig behaupten, das war seinerzeit völlig ok. Schließlich waren diese Herren der erklärte Feind und dann sind alle Mittel erlaubt. Ich erinnere an Manfred Ertels unsäglichen Facebook-Post zum Thema Hoeness/Haftstrafe. Alle, auch ich, waren empört und haben Ertel dafür abgestraft. Würde sich heute Dukaten-Didi oder Peter Knäbel in ähnlicher Art zu Wort melden, wäre das kein Thema. Ich erinnere ebenfalls an die zu Beginn der Saison mehrfach getätigten Aussagen von Herrn Gernandt zum Thema Mannschaft, Trainer, Aufstellung etc. Kein Problem, Alter, der darf das. Hätte sich Manfred Ertel in vergleichbarer Form geäußert, er wäre skalpiert worden.

Damit hier keiner auf komische Gedanken kommt, ich will weder Ertel noch Hunke in irgendeiner Form verteidigen, ganz sicher nicht. Aber, was bei dem einen gilt, muss bei dem anderen auch gelten, ansonsten macht man sich unglaubwürdig.

Thema Hilke und Vertragsverlängerung. Die Realität, die Wahrheit sieht wie folgt aus: Anhäufung von Verbindlichkeiten, Fan-Anleihe, van der Vaart-Deal gegen die Empfehlung der sportlichen Leitung, Indonesien-Reise gegen Empfehlung der sportlichen Leitung, rückläufige Mitgliederzahlen, schlechte Performance beim Projekt Hamburger Weg, rückläufige Zahlen bei Business Seats, schlechtere Auslastung der Logen, katastrophale Außendarstellung des Vereins, bis heute kein sichtbares Kommunikations-Konzept. Das ist die Darstellung des Status Quo und sie ist unbestritten. Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen, muss man die Frage nach der Begründung für eine Vertragsverlängerung stellen dürfen. Nein, diese Frage muss eigentlich von jedem verantwortungsvollen Medium gestellt werden und die Tatsache, dass dies nicht geschieht, ist erschütternd und bezeichnend genug.

Was steht an „Argumentation“ dagegen? Emirates, SportFive, adidas? Die schlichte Verlängerung von bestehenden Verträgen ist Grund genug für eine erneute Vertragsverlängerung eines Vorstandes? „Vielleicht gibt es ja im Hintergrund bereits erfolgreich eingefädelte Deals, von denen die Presse endlich mal nichts mitbekommen hat und darum ist der Vertrag verlängert.“ Da ist es wieder. „Vielleicht“, „ich glaube“, ich denke..“, „Es könnte doch sein, dass..“ Wir haben auf der einen Seite die unumstößlichen Fakten, auf der anderen Seite die Vermutungen und Hoffnungen. Schlimm nur, dass sich die Erzeuger der Vermutungen mehr im Recht fühlen und denjenigen, die es wagen, die Fakten zu benennen, jegliche Objektivität absprechen.

Thema Vorstand. Herr Gernandt sprach im Anschluss an die Mitgliederversammlung vom 25.05. von „Tabula rasa“. Kein Stein bliebe auf dem anderen, man wolle in Zukunft mit 2 Vorstandsmitgliedern ins Rennen gehen und die Strukturen schlanker gestalten, auch und besonders vor dem Hintergrund der finanziellen Situation. Nun, mittlerweile haben wir 4 Vorstände (wobei Carl-Edgar Jarchow voraussichtlich im Juni 2015 ausscheiden wird), diverse neue Direktoren und einen Sack voller Abfindungs-Verhandlungen. Das muss man nicht schreiben dürfen, dass muss man schreiben, denn es entspricht erneut nicht dem, was dem HSVPLUS-Wähler vor der Wahl zugesagt worden war. Tut man dies aber, so wird man erneut mit dem Hinweis auf Geduld nieder geschrien. Ich erinnere gern daran, was die gleichen Pöbler getan hätten, wenn Manfred Ertel derart weit vom Thema abgekommen wäre.

Stichwort Anschubfinanzierung durch Kühne/“kostenloses“ Geld. Vor der Mitgliederversammlung wurde von Seiten Ernst-Otto Rieckhoffs von einer Anschubfinanzierung, ausgezahlt von Klaus-Michael Kühne gesprochen. Man würde, im Falle eines Wahlsieges und einer Inthronisierung von Dietmar Beiersdorfer eine nicht unwesentliche Summe aus der Schweiz erhalten und zwar als „kostenloses“ Geld. Ich weiß zwar nicht, wie ihr das seht, aber „kostenloses“ Geld bedeutet in meiner Welt eine Schenkung. Nachdem HSVPLUS aber am 25.05. mit großer Mehrheit durch gewunken wurde, musste der Neu-Vorstand bis zum 04.08. warten, bis Kühne sein Darlehn um weitere € 17 Mio. aufstockte, von Schenkung keine Rede. Es gibt Menschen, die würden dies als Wahlbetrug auslegen.

Ich könnte jetzt noch die Ankündigungen erwähnen, dass zahlreiche, sogenannte „strategische Partner“ bereitstünden, von denen man bis heute kein Sterbenswörtchen hören kann, aber was soll’s…

Mir und anderen Kritikern dessen, was letztendlich von HSVPLUS übrigen geblieben ist, werden aus Ermangelung von seriösen Begründungen gern persönliche Motive vorgeworfen bzw. unterstellt. Auch dazu möchte ich heute noch einmal endgültig Stellung beziehen.

Glaubt eigentlich irgendjemand tatsächlich, dass ein Stephan Rebbe, ein Holger Hieronymus, ein Dietmar Jacobs, ein Dr. Wolfgang Klein, dass diese Herren Kritik an etwas üben, weil sie nach der Mitgliederversammlungen „keinen Job bekommen haben“??? Denkt das wirklich jemand mit einem funktionierenden Resthirn, welches ein Überleben ohne fremde Hilfe ermöglicht? In der Tat ist es doch wohl eher so, dass solche Unterstellungen mehr über deren Urheber aussagen, als dass sie irgendeinen Wahrheitsgehalt erfüllen. Und auch hier wieder – Doppelmoral ohne Ende. Während man besonders Hieronymus und Jacobs während der Wahlkampfphase zwischen Januar und Mai jedes Wort glaubte, sind exakt diese Herren in dem Moment nicht mehr glaubwürdig, sobald sie eine Position beziehen, die mit dem, was der gläubige Plusser denkt, nicht vereinbar ist.

So lange du etwas behauptest, was in mein Weltbild passt, kannst du behaupten, was du willst. 

Mir selbst wird unterstellt, ich wäre verbittert :-), weil ich beim HSV keine Akkreditierung erhalten hätte. Wirklich köstlich, aber ich erkläre es gern noch einmal, dann aber das letzte Mal. Ich selbst hatte an eine Akkreditierung nie einen Gedanken verschwendet, ein befreundeter Journalist brachte mich auf die Idee. Also fragte ich den Mediendirektor und der sagte mir selbige in einem Anfall von Großmut zu. Nachdem mehrere Abendblatt-Journalisten davon Wind bekamen, intervenierten sie ganz aufgeregt, wonach der Mediendirektor seine gemachte Zusage zurückzog.

Dieser Vorfall verbittert mich in keinster Weise, ich finde ihn nur bezeichnend. Bezeichnend deshalb, weil es mir selbst im Grunde scheißegal ist, wo ich im Stadion sitze. Ich kenne Hunderte von Menschen mit Dauerkarten, Arbeitskarten, Logen oder Business-Seats und ich könnte jedes Spiel kostenlos sehen, wenn ich es wollte. Meine Anwesenheit auf der Pressetribüne wäre aber für den Verein eine Chance gewesen, den Herren von der Presse zu demonstrieren, wer beim HSV entscheidet und wer nicht. Betrachtet man die Entwicklung, kann jeder, der sich über die manipulativen Medien aufregt, ausrechnen, wer beim HSV bestimmt und wer nicht. Aber, wer weiß? Vielleicht ist man ja einfach noch nicht soweit?

Desweiteren bin ich ja maßlos enttäuscht darüber, dass ich ein mir zugesagtes Interview mit dem Direktor Profi-Fußball zwar führen, aber nicht verwenden durfte (Ironie aus). An dieser Stelle und zum letzten Mal: Ich bin deshalb weder enttäuscht noch verbittert, aber die Art und Weise des Vorgehens finde ich aus kommunikations-technischer Sicht mehr als bedenklich. Ich habe dieses Interview zusammen mit Daniel Jovanov geführt und wir haben uns beide tagelang über die Fragen und den Verlauf des Gesprächs abgestimmt. Da ist viel Zeit und Arbeit eingeflossen, weil wir gern ein Interview gemacht hätten, was über den üblichen Abendblatt- und Mopo-Müll hinausgeht. Letztendlich habe wir ein solches Interview mit Peter Knäbel geführt und die Antworten von Herrn Knäbel wären für viele Leser überaus interessant und informativ gewesen. Darüber ärgere ich mich in der Tat, nämlich, dass dem Leser die Chance auf Information genommen wurde. Desweiteren ärgere ich mich über den Verlauf, denn bei mir gilt: Wenn ich etwas zusage, den halte ich es ein. Das dies beim HSV und ganz besonders in der Medienabteilung anders gehandhabt wird, habe ich jetzt verstanden, aber deshalb führe ich doch keinen Rachefeldzug gegen meinen Verein. Wer sowas denkt oder behauptet, sollte vielleicht anfangen, über sich selbst nachzudenken.

Fazit: Ich werde auch in Zukunft anmerken und kritisieren, aber auch loben, wenn es Anlass dazu gibt. Und das unabhängig von Namen und Rang der Person. So habe ich irgendwann vor langer Zeit Journalismus verstanden und der Umstand, dass es vielfach anders gehandhabt und gelebt wird, ist über alle Maßen bedauerlich.

Einen schönen (Stefan) de Vrijtag für euch.