Ganz ehrlich, ich kann es irgendwo verstehen. Die Fans des HSV haben keine Lust mehr auf „Negativ-Berichterstattung“ und Miesmacherei, wie sie es bezeichnen. Sie wollen endlich wieder hören und lesen, dass es mit ihrem Verein voran geht. Sie wollen hören und lesen, dass es ein Licht am Ende des Tunnels gibt und dass sich das lange Warten auf Heiland Didi gelohnt hat. Sie wollen daran glauben, dass Onkel KlauMi die Schatulle doch ein wenig weiter öffnet, dass Karl Gernandts Kontakte und JoHi’s Netzwerk die Anfragen strategischer Partner nur so sprudeln lassen. Sie wollen auch glauben, dass der Knoten bei Lasogga endlich platzt, dass Müller wieder so schnell rennt wie in Mainz und Ostrzolek so geil flankt wie in Augsburg. Auf dem Weg dahin werden die Realitäten ausgeblendet, weil man es einfach nicht mehr hören bzw. lesen kann und will. Diesmal muss es einfach klappen.

Wie gesagt, ich kann es verstehen, denn ich bin nicht nur Blogger, ich bin auch Leser und HSV-Fan und auch ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass irgendeine Saat endlich einmal aufgeht. Auch mir gingen in der Vergangenheit die Journalisten auf den Senkel, die in einer Art verzweifelter Penetranz auch den letzten Floh im HSV-Pelz suchten, um mir meinen Verein madig zu machen. Gewann der HSV, gewann er nur deshalb, weil der Gegner noch blinder war. Verlor der Verein, war das Ende nahe. Immer die gleiche Leier…

Im Moment aber ist zu beobachten, dass sich der Wind gedreht zu haben scheint und das im Gegensatz zu früher heute aus allem Friede, Freude, Eierkuchen geschrieben wird, selbst wenn der halbwegs objektive Beobachter bemerkt hat, dass wahrlich nicht alles perfekt ist, im Gegenteil. Dies aber scheint die früher so überkritische Presse in dieser Saison auszublenden und man sollte sich fragen, warum das so ist.

Liegt es daran, dass „Didi“ einfach doch mehr Kredit bekommt als alle seine Vorgänger zusammen? Liegt es daran, dass man als Experten-Journalist etwas erkennen kann, was nicht mal die Fußball-Experten erkennen? Oder liegt es vielmehr daran, dass man als Print-Journalist bzw. als Journalist eines Verlagshauses mittlerweile derart um seine Existenz kämpfen muss, dass man es sich mit absolut niemandem mehr verscherzen möchte und deshalb seine eigentliche Aufgabe, nämlich das durchaus kritische Hinterfragen eingestellt hat und auf Hofberichterstattung und Gefälligkeits-Journalismus umgeschwenkt ist?

Wie sonst könnte es sein, dass man einen Trainer, der vor dem letzten Spieltag aus 9 Spielen 8 Punkte bei 4 geschossenen Punkten geholt hat, zu „Magic Joe“ hypen möchte? Früher wurden Trainer mit vergleichbaren Bilanzen aus der Arena geschrieben, heute ist alles cool. Wenn ich sehe, dass „Herr Scholz“ in Schmocks Einöde seinen Lesern einen Satz „Womit Arslan statistisch in dieser Saison an jedem dritten HSV-Treffer direkt beteiligt ist. Eine starke Quote….“ präsentiert, muss ich vermuten, dass dort jemand seine User verarschen will. Der Spieler ist nach 12 an 2 Toren beteiligt und das ist eine „starke Quote“ ? Eigentlich suche ich immer noch den Smilie oder den Hinweis [Ironie aus] nach diesem Witz, aber ich befürchte ernsthaft, dass der Mann den Scheiß ernst meint.

Um es vielleicht doch noch einmal klar zu stellen: Weder die BILD, noch die Mopo, das Abendblatt und auch nicht HSV-Arena sind HSV.de. Möchte man ausschließlich positive Geschichten lesen, muss man sich halt ausschließlich dort rum treiben, aber das macht niemand. Die Leser sind schon an einer Art Wahrheit und eben nicht nur an einer geschönten Realität interessiert und genau dies muss eben auch erlaubt sein. Dabei geht es in keinster Weise (jedenfalls mir nicht) darum, den Verein oder irgendeinem Würdenträger „einen zu machen“, aber wenn etwas nicht stimmt, wenn Versprechen und Zusagen gebrochen werden, wenn halt einfach schlecht Fußball gespielt wird, dann muss man das schreiben dürfen, andernfalls macht man sich als Berichterstatter komplett und nachhaltig unglaubwürdig.

By the way – ich halte die Glaubwürdigkeit für das höchste Gut eines Journalisten und wenn dies (u.a. durch eigene Dummheit und Arroganz – de Vrij)  erschüttert ist, steht man als Journalist nicht nur dumm da, sondern am Ende auch mit leeren Händen.

Unabhängigkeit, Objektivität, Sachlichkeit, das sollten meiner Meinung die Dinge sein, von denen sich ein Berichterstatter lenken lassen sollte. Macht man sich zuerst zum Dauer-Motzki und wird anschließend zum Ghostwriter, verliert man nicht nur seinen Stolz (sollte er denn jemals vorhanden gewesen sein), sondern eben auch seine Glaubwürdigkeit. Ein Schreiber, der er mich bescheißt, ist bei mir unten durch.