„Gravesen, du bist doch kein echter HSVer (mehr)“

Was im ersten Moment eigentlich zum totlachen animieren sollte, wirft beim zweiten Nachdenken dann doch die Frage auf: Was ist eigentlich ein „echter HSVer“? Ab wann ist man „echter HSVer“ und ab wann nicht? Was qualifiziert jemanden zu einem „echten HSVer“ oder was disqualifiziert einen? Kann man einmal ein „echter HSVer“ gewesen sein und ist dann keiner mehr? Was muss man getan/verbrochen haben, um plötzlich kein „echter HSVer“ mehr sein zu dürfen? Fragen über Fragen?

Naiv wie ich bin, hatte ich eine Zeit lang tatsächlich gedacht, ich wäre ein „echter HSVer“. Ich bin in Hamburg geboren und lebe in Hamburg, insofern kann sogar Herr Reichert beruhigt aufatmen.

„Echter HSVer“? Check!

Ich habe 8 Jahre lang selbst für den HSV gespielt und die Knochen hingehalten.

„Echter HSVer“? Check!

Ich war so dämlich, Campus-Anteile zu kaufen.

„Echter HSVer?“ Check!

Ich bin schon als 12-Jähriger in die damalige, zugige Westkurve gegangen und habe mir ab Oktober den Arsch abgefroreren.

„Echter HSVer?“ Check!

Ich bin Mitglied im Hamburger Sportverein.

„Echter HSVer?“ Check!

Ich betreibe den größten privat-initiierten HSV-Blog Deutschlands, bekomme dafür kein Geld, informiere die Fans jeden Tag kostenfrei.

„Echter HSVer?“ Check!

Ich finde nicht alles toll, was bei meinem Verein passiert. Ich nehme mir das Recht heraus, an Stellen zu kritisieren, die ich für kritik-würdig erachte. Ich jubel nicht bei einer Tordifferenz von 9:19 Toren nach 17 Spielen, sondern ich frage, wie sowas sein kann. Ich stelle fest, dass das, was von HSVPLUS übrig geblieben ist, nicht das ist, was ich im Mai des letzten Jahren gewählt habe.

„Echter HSVer?“ Nicht mehr.

So jedenfalls wird das von einigen wenigen gesehen. Jemand, der nicht alles abjubelt, der nicht die von ihnen eingeforderte Geduld aufbringt, kann einfach kein echter HSVer sein. Punkt.

Natürlich bin ich noch nicht ganz so schlimm wie diese Typen von HSV Not-for-sale, die sich gegen eine Ausgliederung der Profi-Abteilung ausgesprochen hatten und die irgendwie ihre Gründe dafür hatten, auch, wenn ich die Gründe bis heute nicht verstehe. Nein, so schlimm bin ich noch nicht, aber ich bin auf dem besten Wege dorthin.

Lustigerweise war ich bis ungefähr Juni 2014 ausgerechnet für diejenigen kein „echter HSVer“, die heute finden, dass ich die Wahrheit schreibe und alle diejenigen, die meine Texte bis Mai feierten, wünschen einen „unechten HSVer“ jetzt auf den Scheiterhaufen (kein Spaß).

Also nochmal die Frage: Was macht einen „echten HSVer“ aus und wer hat das Recht, den Maßstab fest zu legen? Ist Manfred Ertel kein „echter HSVer“, dafür aber Didi Beiersdorfer? Wenn Joachim Hilke ein „echter HSVer“ ist, dann kann Jürgen Hunke keiner sein, oder?

Gerade im Vorfeld der nächsten Mitgliederversammlung wird von den verschiedensten Stellen festgestellt, wer denn nun definitiv ein „echter HSVer“ ist und wer nicht. Wer welche Anträge stellen darf und wer nicht (weil er eben kein „echter HSVer“ ist). Während bei den Einen Stein und Bein geschworen wird, dass sie alles, was sie tun, nur im Sinne des Vereins tun, wird bei den Anderen grundsätzlich vermutet bzw. behauptet, dass sie, egal was sie tun, nur für sich oder für ihre Mitverschwörer tun würden.

Ehrlich gesagt masse ich mir nicht an, darüber entscheiden zu können (oder zu dürfen), wer denn nun ein „echter HSVer“ ist und wer nicht, aber ich frage mich in diesen Tagen immer mehr, ob es überhaupt erstrebenswert sein sollte, diesen zweifelhaften Titel anzustreben. Wenn ich mir angucke, was für kranke Hirne besonders bei Facebook rumturnen und dort alles kleinhacken, was ihnen nicht in den Kram passt, dann möchte ich in Zukunft vielleicht doch lieber nur Hamburger und kein „echter HSVer“ sein.

Ach ja, „echter HSVer“. Gestern geisterte wieder einmal das Gerücht durch zweifelhafte Medien, dass ein englischer Premier League-Club an der Verpflichtung von Pierre-Michel Lasogga interessiert sein soll. Die Reaktion einiger (nicht weniger) „echter HSV-Fans“ darauf macht einfach nur noch sprachlos. „Briefmarke auf den Arsch und ab auf die Insel“….“Wenn man noch ein paar Euro für den Simulanten kriegen kann, dann ab dafür“. Das waren die eher harmlosen Äußerungen von Vollidioten, die bei der Verkündung von Lasoggas Transfer nach Hamburg noch Kerzen angezündet haben.

Nächsten Sonntag, liebe „echte HSVer“, ist Mitgliederversammlung und ich freue mich schon darauf, viele viele von euch dort kennen zu lernen. Dann habt ihr die Möglichkeit, mir das, was ihr anonym als Spammail oder unter Spaddelnamen wie „Lu Mumba“ oder „Kunte Kinte“ bei Facebook pöbelt, mir direkt ins Gesicht zu sagen. Ich freue mich so 🙂