Gestern konnte man sich die Frage stellen, wenn man denn wollte. War der Ausstieg von Klaus-Michael Kühne vor einigen Wochen jetzt eine Nebelkerze und war das gestern nett inszenierte Theater mit Busfahrt und Waldspaziergang eine von langer Hand geplante Veranstaltung, oder aber hat sich der unberechenbare Wahl-Schweizer tatsächlich von einem auf den anderen Tag umstimmen lassen, von wem auch immer? Anyway, man wird es wahrscheinlich nicht erfahren und am Ende des Tages spielt es auch keine Rolle. Die Skepsis seinen wankelmütigen Handlungen gegenüber hat sich der Mann allerdings selbst zuzuschreiben, denn mehr als einmal mutierte er vom Gönner und HSV-Fan zu Investor und jetzt halt wieder Rolle rückwärts. Was solls ?

Tatsache ist, dass sich der Vorstand und der Aufsichtsratsvorsitzende 4 Tage vor der Mitgliederversammlung kaum einen strategisch besseren Zeitpunkt hätten aussuchen können. Am kommenden Sonntag wird nämlich nicht nur der neue Präsident des HSV e.V. und sein Stellvertreter gewählt, es hätte auch durchaus sein können, dass aus der gewohnten Ecke kritische Fragen zu den Finanzen und zur Lizenzierung kursiert wären. Diesen Fragen hat man mit der Verkündung von Kühnes Einstieg zuerst einmal größtenteils den Wind aus den Segeln genommen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Der Deal ist gut. Er ist gut in Zeiten, in denen die Geldgeber beim Hamburger Sportverein nicht gerade Schlange stehen und er ist gut für die Seele der Fans und Mitglieder, weil Klaus-Michael Kühne in einer großzügigen Geste darauf verzichtete, die aktuelle IMTECH-Arena in eine Kühne&Nagel-Arena umzuwandeln, das Recht hätte er angesichts von € 4 Mio pro Jahr durchaus gehabt. Der Deal ist aber bei weitem kein Grund, durchzudrehen, denn man muss bei aller Freude schon genau betrachten, was tatsächlich passiert ist.

Kühne wandelt einen Teil seines Darlehns in Höhe von € 18,75 Mio in Anteile an der HSV AG in Höhe von 7,5% um, aus Schulden werden also Anteile. Auf der einen Seite natürlich positiv, weil den HSV weniger Verbindlichkeiten drücken (und weil man zusätzlich ca. € 1 Mio. an Zinsen spart), auf der anderen Seite aber auch gefährlich, weil man Kühne jetzt tatsächlich als Eigner im Boot hat.

Konnte man in der Vergangenheit darauf verweisen, dass Kühne ja nur ein Fan und Darlehnsgeber wäre, liegt der Fall jetzt anders, denn jetzt gehört KlauMi ein Teil der AG und er wird sich in Zukunft noch weniger verbieten lassen, sich zu den unpassensten Gelegenheiten zu Wort zu melden. Sein direkter Einfluss ist definitiv vergrößert worden.

Ferner muss man beobachten, welche Auswirkungen Kühnes Engagement auf weitere strategische Partner haben wird. Nicht nur einmal wurde in der Vergangenheit gemutmaßt, dass die Unberechenbarkeit des greisen Herren andere Investoren abschrecken könnte, weil sie grundsätzlich nur Partner Nr. 2 hinter Kühne wären.

Hinzu kommt, dass niemand die tatsächlichen Vertragsinhalte kennt. Welche „Nebengeräusche“ gibt es? Hat sich Kühne vielleicht noch etwas anderes gesichert bzw. sichern lassen? Der 77-Jährige ist nicht dafür bekannt, dass er Geld verschenkt, warum sollte er jetzt damit beginnen?

Wie dem auch sei, der Zeitpunkt war clever gewählt. Als Hauptanteils-Eigner musste der e.V. diesem Deal zustimmen und der aktuelle e.V.-Präsident heißt Carl-Edgar Jarchow. Schweber Jarchow hat sich auf seine letzten Tage nicht quergestellt und die Geschichte durchgewunken, ob der designierte e.V.-Präsident Meier dies ebenso gehandhabt hätte, darf bezweifelt werden.

Der andere Teil des Deals ist sicher der emotionalere Teil, denn Kühne übernimmt für (vorerst) 4 Jahre die Namensrechte an der Arena und gibt den Fans das Volksparkstadion zurück. Besonders begeistert wurde diese Meldung bei denjenigen aufgenommen, die nach der Benennung in AOL-Arena geboren wurden.

Ehrlich gesagt, mir ist es vollkommen egal, wie sie die Schüssel nennen, so lange es jemandem gibt, der dafür bezahlt und das tut Kühne. Insofern ist auch Gernandts Aussage bzgl. Abkehr von der Kommerzialisierung kompletter Bullshit, denn Kühne bezahlt ja dafür, dass er den Namen der Arena bestimmen darf. Eine Abkehr wäre es gewesen, wenn man seitens des Verein den Stadionnamen grundsätzlich nicht mehr zum Verkauf ausgeschrieben hätte, das aber kann sich heute kein Verein mehr leisten.

Kurz zusammengefasst: Aus Schulden wurden Anteile und der eine Namenssponsor (Imtech) wird durch einen anderen Namenssponsoren (Kühne) ersetzt. Kühne bezahlt pro Jahr etwas mehr (€ 4 Mio.) als Imtech (3,3 Mio.), aber eigentlich ist das der ganze Vorgang. Vor dem Hintergrund, dass es dem HSV angesichts der katastrophalen sportlichen Performance der letzten Jahre sicher schwer gefallen wäre, einen adäquaten Ersatz für Imtech zu finden, muss man dies als Erfolg für diejenigen verbuchen, die bisher nicht eben für Erfolg gestanden haben. Sie müssen jetzt allerdings nachweisen, dass sie nicht nur einem alten Milliardär ohne Erben das Produkt HSV schmackhaft machen können.

Was mich stört: In seiner gewohnte Euphorie haute Gernandt natürlich gleich wieder einen raus, schließlich waren ja zahlreiche Mikrophone und Kameras anwesend und das macht den Mann im roten Anzug immer ganz rallig.

 „Jeder weiß, an welchem Spieler wir interessiert sind. Wir können ihn uns leisten und jetzt muss man sehen, ob man mit dem anderen Verein einig wird“, sagte Gernandt.

Aus taktischer Sicht war diese Äußerung natürlich wieder an Blödheit nicht zu übertreffen, zumal man demjenigen, der verhandelt, mit solchen Sprüchen den Verhandlungsspielraum entzieht.

Dennoch – ein guter Tag für den HSV und von denen gab es in den letzten Jahren nicht all zu viele. Eines sei noch denen gesagt, die vor Freude aufschreien, weil die pöse Lügenpresse von diesem Deal im Vorfeld nichts erfahren hatte. Auch von den Einstiegen von AOL, HSH Nordbank und Imtech war vorher nichts bekannt geworden und damals hießen sowohl die Vorstände wie auch die Aufsichtsräte noch ganz anderes. Also immer schön den Ball flach halten.