„Der Sportchef kennt die Bundesliga nicht“

Halt, nein, ich meine nicht etwa „Direktor Profi Fußball“ Peter Knäbel, der immerhin den Vorteil hat, in Deutschland gespielt zu haben. Nein, die Rede ist von Ex-Sportchef bzw. Sportvorstand Frank Arnesen, denn der Däne war ja bekannt dafür, sich nur und ausschließlich bei seinem vorherigen Arbeitgeber FC Chelsea zu bedienen. Der Umstand, dass der HSV damals, in der Saison 20111/12 zu Spielern kam, die er sich eigentlich gar nicht hätte leisten können, weil Arnesen aufgrund seiner Beziehungen zu Club-Eigner Abramowitsch besondere Konditionen aushandeln konnte, spielte keine Rolle, weil die verpflichteten Spieler halt nicht von Anfang an so performten, wie es der aufgeklärte Fan und der investigative Journalist gern gehabt hätte. Stattdessen wurde Arnesen mit dem Etikett „bundesliga-untauglich“ versehen und Woche für Woche mehr diskreditiert.

Vergessen wurde dabei ebenfalls gern, dass Arnesen der letzte Sportchef des HSV war, der sich grundsätzlich schützend vor seine Spieler stellte. Trainingsgruppen 2 oder erfundene Verletzungen gab es beim Dänen nicht, dazu war er leider zu ehrlich.

Fassen wir der guten Ordnung halber nochmal die Spieler zusammen, die Arnesen, der unter falschen Versprechungen nach Hamburg gelotst worden war, aus dem trüben London nach Hamburg holte.

Gökhan Töre (19). Ablöse laut TM.de € 1,3 Mio, tatsächlich waren es knapp € 200.000. Der hochtalentierte Türke aus Köln begeisterte aufgrund seiner Fähigkeiten und sorgte gleichermaßen für sein Verhalten für Kopfschütteln. Töre verließ den HSV und spülte € 3 Mio in die leeren Kassen, er ist türkischer A-Nationalspieler

Slobodan Rajkovic (22). Der Serbe kostet den FC Chelsea als 17-jähriger € 5,2 Mio. und durfte in England lediglich wegen der Ausländerregel nicht spielen. Heute wird Arnesen vorgeworfen, er hätte Boban ein zu hohes Gehalt bewilligt, für englische Verhältnisse ist es jedoch völlig durchschnittlich. Dafür bekam man einen 22-jährigen Nationalspieler für € 2,5 Mio Ablöse.

Jacopo Sala (19). Hochveranlagter U21-Nationalspieler aus Italien, der den HSV € 100.000 gekostet hat. Beim Transfer nach Italien erhielt der HSV die gleiche Summe zurück, Sala spielt heute Hellas Verona.

Michael Mancienne (23). Ehemaliger Kapitän der englischen U21-Nationalmannschaft. Mike kostet den HSV € 2,5 Mio und bildete bis zu seiner schweren Verletzung zusammen mit Heiko Westermann die stabilste Innenverteidigung der letzten Jahre.

Jeffrey Bruma (19). Niederländischer Nationalspieler, wurde für € 500.000 aus London geliehen, die Kaufoption in Höhe von € 3 Mio wurde vom HSV nicht gezogen. Heute ist Bruma Stammspieler beim PSV Eindhoven und auf dem Weg zurück in die holländische Nationalmannschaft.

Ich möchte nochmal betonen, wie alt diese Spieler, die Frank Arnesen vom FC Chelsea nach Hamburg holte, damals waren. 19, 19, 19, 22 und 23 Jahre alt. Das Wort „Geduld“, heute teilweise überstrapaziert, spielte 2011 offenbar keine Rolle.

Die damalige Mannschaft des HSV hatte einen Gesamtwert laut Transfermarkt.de von ca. € 98 Mio. bei Kaderkosten von ca. € 45 Mio.

Die heutige Mannschaft des HSV hat einen Gesamtwert von € 79,2 Mio bei geschätzten Kaderkosten von € 52 Mio.

Während bei Spieler wie Töre, Sala und Bruma (alle 19 Jahre alt) auf der Stelle Topleistungen erwartet wurden, hat man heute bei Spieler wie Marcos (21), Götz (21), Gouaida (21) usw. scheinbar endlose Geduld, obwohl man mit 21 Jahren in der Bundesliga nicht mehr als Talent durchgeht.

Aber nicht nur das, offenbar spielt in den heutigen „Didi-Zeiten“ keine Rolle mehr, wo sich der gerade zuständige Sportchef bedient, andernfalls müsste man den Hamburger SportVerein in Helvetica SportVerein umbenennen. Im Detail.

Hielt sich die „schweizer Sucht“ vor dieser Saison noch halbwegs in Grenzen, so muss man bei aktuellen Transfergerüchten nur in die Transferhistorie des umworbenen Spielers blicken, man finden nahezu immer einen Link ins Nachbarland.

Vor dieser Saison waren es Johann Djourou (27), schweizer Nationalspieler und Valon Behrami (29), schweizer Nationalspieler mit massiven Knie-Beschwerden, die den endgültigen Weg nach Hamburg fanden.

Aktuell ist der HSV an folgenden Spielern interessiert.

1. Josip Drmic (22), schweizer Nationalspieler, bis 2013 beim FC Zürich

2. Zdravko Kuzmanovic (27), serbischer Nationalspieler, geboren in Thun (Schweiz), bis 2007 beim FC Basel

3. Brown Aide Ideye (26), nigerianischer Nationalspieler, bis 2010 in Neuchatel

4. Mohamed Sala (22), ägyptischer Nationalspieler, bis 2014 beim FC Basel

5. Zum Probetraining: Innocent Emeghara (25), ehe. schweizer Nationalspieler, bis 2011 bei Grashoppers Zürich.

Es scheint, als kommen mittlerweile keine Spieler mehr für den HSV in Frage, die keine schweizer Vergangenheit oder Gegenwart haben, was kaum verwunderlich sein kann, wenn man sich den ehemaligen technischen Direktor der schweizer Nationalmannschaft als Sportchef nach Hamburg holt.

Um es ganz deutlich zu sagen, ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich halte Josip Drmic für einen Klassespieler und auch Kuzmanovic kann dem HSV sicherlich helfen. Probleme habe ich nur mit zweierlei Maß, denn ich kenne nicht eine kritische Stimme, die sich in diesen Tagen erhebt und die Frage stellt, ob Knäbel denn nur die Schweiz kennen würde. Hinzu kommt, dass nahezu alle diese Spieler fertige Profis sind, die bereits mehrere Profi-Stationen durchlaufen haben. Die Jungs, die Frank Arnesen damals aus Chelsea holte, sollten für die Zukunft des HSV stehen und waren mit noch nicht mal 20 Jahren gerade am Anfang ihrer Karriere.

Also – bitte gleiches Recht für alle. Wenn man meint, Arnesens Transferpolitik vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Zwänge kritisieren zu müssen, muss man auch die Transferpolitik der Exzellenzen kritisieren, die allerdings gerade mit den Dollarscheinen um sich werfen. Oder aber, man lässt es, dann aber auch beiderseits.

Vielleicht vergessen wir an dieser Stelle einfach, dass der neue Anteils-Onkel K-M Kühne ebenfalls in der Schweiz lebt. Alles nur ein Zufall 😉