Kommentar

Zuerst einmal, weil es sich so gehört, ein herzliches Willkommen an Ivica Olic. Mögest du in Hamburg glücklich werden und nicht an der Schwere der Last zerbrechen, die dir von den Fans auferlegt wird.

Nun ist es also doch so gekommen, wie die zahlreichen Medien, die ja bekanntlich in den Zeiten der neuen Schweigsamkeit nichts mehr erfahren, vorab berichtet haben – der HSV verpflichtet den 35-jährigen Ex-HSVer Ivica Olic für ca. € 2 Mio vom VFL Wolfsburg. Ich will an dieser Stelle gar nicht die Frage stellen, ob es außerhalb der Vereinigten Arabischen Emirate oder Katar schon einmal passiert ist, dass ein Verein für einen Spieler dieses Alters eine Ablösesumme bezahlt hat. Ich möchte auch nicht die Frage stellen, ob ein Olic allein in der Lage ist, trotz seiner allseits bekannten technischen Defizite den HSV im Alleingang vor dem Ende des Abendlandes zu bewahren. Ich möchte vielmehr andere Fragen stellen.

Ich möchte die Frage stellen, warum all denen, die mittlerweile im Zuge eines nahezu krankhaften Beißreflexes alles wegkreischen, was nicht zu allem wo Didi draufsteht, automatisch Hurra schreit, nicht auffällt, dass die neue HSV-Führung offenbar genau das nicht hat, was sie selbst gebetsmühlenartig einfordern: Geduld! Man muss doch mal Geduld haben mit den neuen Chefs. Sie können doch nicht alles, was in den Jahren zuvor verbockt wurde, in nur 8 Monaten verändern und verbessern. Stimmt, das können sie nicht. Und das erwartet auch niemand. Was nur Menschen wie ich erwarten, ist Ehrlichkeit und diese scheint den Herren Gernandt, Beiersdorfer, Knäbel und Co. in den letzten Wochen reichlich abhanden gekommen zu sein.

Anders ist es doch kaum zu erklären, wie man quasi im Tageswechsel heute Hü und morgen Hot sagen kann. Ich habe bereits das Zitat von Karl Gernandt, in dem er verkündete, dass der HSV in Zukunft das wenige Geld nicht mehr in teure Altstars, sondern in jungen, entwicklungsfähige Kräfte investieren wolle, angeführt. Nur wenigen Tage später verpflichtet man nun Olic, nachdem man fast vier Wochen lang erfolglos an einem 22-jährigen Perspektivspieler gebaggert hatte. Und Drmic war bei Weitem nicht der einzige Youngster, für den der HSV geboten hat. Jetzt aber verkündet Exzellenz Knäbel voller Stolz: „Olic war unser absoluter Wunschspieler“.

Es tut mir leid, aber dann breche ich zusammen. Ein Verein, den eine Schuldenlast von mehr als € 100 Mio. drückt. Der seine Anteile zu einem Wert verkaufen muss, den ihm der Investor vorgibt. Der sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit Geld leihen muss, um aktiv werden zu können oder auch nur die Lizenz zu erhalten, bezeichnet einen 35-Jährigen als seinen „Wunschspieler“? Das ist Wahnsinn.

Bevor wieder das ganz große Geschreie losgeht, es handelt sich nie und zu keinem Zeitpunkt um eine Kritik an dem Menschen oder dem Lizenzspieler Ivica Olic. Ivi ist einer der wenigen Spieler, die den Verein verließen, zu einem Mitkonkurrenten wechselte und heute immer noch gefeiert wird. Das können nur ganz Wenige von sich behaupten und das ist aller Ehren wert. Meine Kritik richten sich nur gegen diejenigen, die den Pfad, der ihnen von einer Mitglieder-Initiative (HSVPLUS) vorgegeben wurde und den sie sich selbst permanent auf die Fahne schreiben, bei der erstbesten Gelegenheit verlassen haben und das hat nur einen einzigen Grund:

Die Geduld hat sie verlassen!

Die Geduld mit den Maßnahmen des Trainerteams, die Geduld mit einem Kader, der noch vor einem halben Jahr für fast € 30 Mio. getuned worden war, ist scheinbar nicht in dem Maße vorhanden, welches notwendig wäre. Welches Zeichen die „Maßnahme Olic“ an die Mannschaft sein wird, bleibt abzuwarten. Viel Vertrauen in die 5. teuerste Mannschaft der Liga scheinen die Bosse jedenfalls nicht zu haben, anders ist es nicht zu erklären, warum man sich genötigt fühlte, für die Dienste eines 35 1/2-Jährigen insgesamt ca. 5 Mio. hinzublättern. By the way – das ist Geld, welches dem HSV in der nächsten Transferperiode fehlen wird, wenn 9 Verträge auslaufen. Aber so weit wird beim HSV scheinbar nicht mehr gedacht, es geht um das Hier und Jetzt und die Angst vor einem Totalabsturz scheint trotz der massiven Investitionen im letzten Sommer immens zu sein. Kein gutes Zeichen, um die eigenen Transfers zu rechtfertigen.

Was ist den Herren um Dietmar Beiersdorfer mit diesem Transfer eigentlich gelungen? Nun, auf jeden Fall haben sie sich die (teure) Unterstützung der Traditionalisten erkauft. Dies sind übrigens die gleichen Traditionalisten, die die vorherigen Traditionalisten (SC und Co.) am 25.05.2014 vom Hof gejagt hatten – ersetze Rom durch Athen.

Ach ja, man hat einen Spieler verpflichtet, der den Mitspielern vormacht, wie man läuft und kämpft und was es heißt, sich reinzuhängen. Heilige Mutter Gottes, solche Ansichten stammen noch aus den Zeiten, als es hieß „Elf Freunde müsst ihr sein“. Wenn die Macher des HSV der Meinung sind, man bräuchte einen „Vorläufer“, sollte man sich über die Funktion der Spieler van der Vaart, Drobny, Westermann, Adler und Djourou dringend Gedanken machen.

Was soll Olic eigentlich spielen? Meiner Auffassung nach ist Olic eine Art alter Rudnevs. Laufstark, engagiert, technisch limitiert. Olic wird also beim HSV irgendwo zwischen der Mittellinie und dem gegnerischen Strafraum herumwieseln, nur leider ist dies der Raum, in den die Spieler des HSV den Ball nur allzu selten und allzu unkontrolliert befördern können. Olic hat in Wolfsburg 5 Tore in der Hinserie erzielt, bei einem Mittelfeld mit de Bruyne, Arnold, Goilavogui, Hunt und Luiz Gustavo keine Wahnsinnsleistung, aber dieses Mittelfeld hat der HSV leider nicht. Anyway, die meisten anderen Argumente haben Wade und hamuburgmini schon reichlich erörtert.

Ich möchte aber nochmal auf den Aspekt der Tradition zurückkommen und dies beginnt bei der Personalie Dietmar Beiersdorfer. Der vielbesungene „Dukaten-Didi“ hatte in den letzten 10 Jahren insgesamt drei wirklich gute Jahre und das waren die ersten drei Jahre als Manager des HSV. Hier gelangen (mit der Unterstützung von Bernd Hoffmann) zahlreiche gute Transfers, junge, halbwegs unbekannte Spieler wurden für relativ kleines Geld geholt und gut weiterverkauft. Die zweiten Hälfte seiner ersten Amtsperiode war dann schon lange nicht mehr so erfolgreich (ich habe vor einiger Zeit einmal eine detailliert Analyse veröffentlicht) und Beiersdorfer ging im Streit und mit Abfindung. Die Zeiten danach, sowohl bei Red Bull wie ach bei Zenith St. Petersburg waren durchschnittlich bis erfolglos. Im Grunde ist die Verpflichtung Beiersdorfers nichts anderes gewesen, als ein Rückgriff auf (vermeintlich) erfolgreiche Zeiten, obwohl Didi den HSV damals mit einem Transferminus von € 12 Mio verließ, über die Art und Weise möchte ich gar nicht reden.

Das Volksparkstadion. Groß war der Jubel, als Kühne den Fans „ihr“ Volksparkstadion zurückgab, der „Klau-Mi der Herzen“. Was aber verbindet die Menschen tatsächlich mit dem Begriff „Volksparkstadion“? Ich für meine Person verbinde damit eine überaus hässliche und unkomfortable Betonschüssel, in der ich mehr schlechte als gute Spiele gesehen habe. (Lars Wallrodt hat neulich in der Welt einen guten Artikel dazu verfasst) und mir mehr als einmal den Arsch ab gefroren habe. Ich verbinde damit Nazis und Rocker in der Westkurve, üble Auseinandersetzungen mit Polizei und gegnerischen Fans. Andere Fans aber verbinden mit dem Begriff „Volksparkstadion“ die Meisterschaften der 80er-Jahre und das ist auch absolut okay so. Nur – das ist mehr als 30 Jahre her, Leute. Und der HSV am 25.05.2014 wollte modern, vorwärtsgerichtet und modern werden und nicht nahezu ausschließlich in alten Traditionen verharren. Dies war es unter anderem, was den sogenannten „Verhinderern“ immer wieder vorgeworfen worden war. Sei würden nicht mit der Zeit gehen wollen, wollten den e.V. stützen, um die Meinung der Mitglieder zu stärken usw.

Was der „neue HSV“ in diesem Tagen tut, ist vielmehr die Rückkehr zu alten Traditionen, als es die verhassten Ertels, Hunkes und Co. jemals getan haben.

Kurz noch etwas Persönliches. Dies hier ist mein Blog und ich veröffentliche hier meine Meinung und meine Sichtweisen. Wem diese nicht passen, muss sie nicht lesen, ich zwingen ja auch niemanden, in eine Kneipe zu gehen, in der das Bier nicht schmeckt. Ganz ausdrücklich:

Dies ist ein HSV-Blog, aber kein HSV-Jubelblog!!! Wer ausschließlich Hurra-Meldungen lesen möchte, dem empfehle ich HSV.de oder das Hamburger Abendblatt. Nur, weil man einen Blog über den HSV schreibt, muss man nicht alles toll finden, was dort passiert. Keine Ahnung, warum das so schwer zu verstehen ist. Auch habe ich nicht, wie einige meinen, den Pfad der Tugend verlassen, sondern in der letzten Zeit kritisiere ich nicht mehr die Personen, die man gern kritisiert haben möchte, sondern diejenigen, die einen Heiligenschein tragen. Dies tue ich grundsätzlich immer begründet und diese Gründe sind an zahlreichen Stellen nachzulesen. Das macht aber so gut wie keiner, stattdessen werden irgendwelche Verschwörungstheorie entworfen, die an Lächerlichkeit nicht zu übertreffen sind.

Ich habe mit meinen Blogs meinen Teil dazu beigetragen, dass durch HSVPLUS heute diese Führung und diese Situation vorhanden ist, die wir jeden Tag sehen und ich bin mir meiner daraus resultierenden Verantwortung wohl bewusst. Andere sind dies scheinbar nicht, denn gestern konnte ich von jemandem, der maßgeblich für den Erfolg von HSVPLUS verantwortlich war, lesen:

HSV+, kenn isch nischt.

Das mag lustig gemeint gewesen sein, trifft den Kern aber tiefer, als viele denken.

Euch allen ein schönes Wochenende