Was spricht für den HSV? Außer der Verbesserung der Heimbilanz in den letzten Spielen der Vorrunde eigentlich wenig. Die Vorbereitung auf die Rückserie war traditionell holperig, zahlreiche Spieler fallen verletzt aus (Behrami, Holtby, Cleber, Diekmeier), haben große Teile des Trainingslagers verpasst (Lasogga) oder stehen gar nicht im Kader (Ostrzolek). Einzig die Rückkehr des “verlorenen Sohnes Ivica Olic” könnte und muss zu einer Art Schub führen, besonders das Hamburger Publikum wird gefragt sein und es wird aufgrund der Rückkehr des Kroaten seinen Job machen. Der HSV wird über die Begeisterung, das Kollektiv und die Laufbereitschaft kommen müssen, dabei aber aufpassen, dass sie von den Kölnern nicht ausgekontert werden, wie gestern die Bayern vom VFL.

Was spricht für die Kölner? Vieles. Sie hatten eine ausgesprochen ruhige Vorbereitung ohne große Verletzungssorgen, lösen sich mehr und mehr vom Image des Skandal-Clubs und sind mittlerweile sogar wieder in der Lage, für Spieler wie den Ex-Hoffenheimer Carlos Eduardo interessant zu sein. Die Kölner sind mit 19 Punkten absolut im Soll und können beruhigt aufspielen.

Wer sich erinnern mag – diese Prognose habe ich gestern morgen im Blog vor dem ersten Spiel der Rückrunde gepostet. Und nein! Ich bin kein Hellseher, ich weiß nichts besser, ich habe nicht mehr Ahnung als all die Anderen.

Aber ich kann denken und ich kann beobachten und wer das kann, der wäre zum gleichen Schluss gekommen. 

Geduld hieß das große und immer wieder erwähnte Stichwort der vergangenen Monate. Man müsse doch bitte Geduld mit den neuen Exzellenzen aufbringen, schließlich könnten sie nicht das, was in den letzten Jahren verbaselt wurde, in kürzester Zeit erneuern. Dazu bräuchte es Zeit, Geduld und Vertrauen in die handelnden Personen.

Ehrlich, ich bin wohl derjenige, die die meiste Geduld mit der neuen Führung aufbringen würde, wenn ich nur erkennen würde, dass ENDLICH einmal die richtigen Schlüsse gezogen werden würden. Wenn ENDLICH einmal nicht nur gelabert, sondern gehandelt werden würde. Wenn ENDLICH einmal die Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit gezogen werden würden und nicht die exakt gleichen Fehler nur von anderen Millionen-Gehaltsempfängern gemacht werden würden.

Genau das aber macht die neue Führungsspitze um Beiersdorfer nicht, der mich täglich mehr an den guten alten Grinis-Klinsi erinnert, weil er ähnlich wie der Ex-Bundestrainer versucht, die Unzulänglichkeiten weg zu lächeln.

Beiersdorfer ist ein netter Mensch und wie viele nette Menschen versucht er, es jedem Recht zu machen. Er ist dabei, so wenig Menschen wie möglich vor den Kopf zu stoßen und sich selbst eine Art Komfortzone zu errichten, umringt von Personen, die ihm das erzählen, was er hören möchte. Dabei setzt Beiersdorfer in Zeiten der Geschwindigkeit, Schnelligkeit und Kapitalismus einzig und allein auf die „Karte Tradition“ und diese Karte wird den HSV am Ende dieser Saison letztendlich in die 2. Liga führen.

Personalentscheidungen.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Aber okay, fangen wir einmal bei Jaroslav Drobny an. Ein durchschnittlicher Bundesliga-Torhüter, der die Bälle hält, die man halten muss. Mehr nicht. Der Mann ist 35 Jahre alt und Beiersdorfer verlängert den Vertrag bis 2017 mit Anschlussbeschäftigung im Trainerstab – Komfortzone. Wie kamen eigentlich andere Vereine zu Torhütern wie Neuer, Leno, ter Stegen, Trapp, Karius und Co.? Sie kamen zu diesen Spielern, weil sie bereit waren, neuen, gut ausgebildeten Torhütern einen Chance zu geben und deshalb Torhüter der alten Schule wie Rost, Nikolov etc. auszumustern. Der HSV aber setzt auf die Tradition und außerdem ist „Drobo“ doch auch ein netter Kerl.

Der Trainer. Man feuert einen Mirko Slomka und hat im Moment der Kündigung keine Alternative. Also ruft man den Trainer der U23, den Jugend-Koordinator und den Ex-Praktikanten in sein Büro, zeigt nacheinander mit dem Finger auf die Herren und sagt: „Du bist jetzt Chef-Trainer, du bist jetzt Co-Trainer und du bist jetzt Torwart-Trainer. Und jetzt an die Arbeit“. Sorry, aber als ich die Geschichte gehört habe, ist mir das Essen aus dem Gesicht gefallen. Als ich dann aber gehört habe, dass der Vertrag mit Zinnbauer ohne Not und zu massiv besseren Konditionen angepasst wurde, obwohl der Mann einen gültigen Vertrag bis 2016 hatte, hatte ich 2 Tage lang keinen Hunger mehr.

Stand heute muss man sagen, dass auch Joe Zinnbauer die Mannschaft um keinen Zentimeter nach vorn gebracht hat, eine Entwicklung ist nicht zu erkennen.

 

Die Transfers. Wahnsinn, absoluter Wahnsinn. Man kauft vor der Saison für fast € 30 Mio ein (ohne die € 6.5 Mio. für Holtby) und nach Ende der Hinserie sagt der Trainer der fünf-teuersten Mannschaft der Bundesliga: „Wenn wir die Klasse halten, haben wir alles richtig gemacht“. Natürlich hat Zinnbauer recht, nach 9:19 Toren und 17 Punkte aus der Vorrunde kann es nur noch um den Klassenerhalt gehen, aber das soll doch eigentlich mit dieser Mannschaft ein schlechter Witz sein.

In der Winterpause verkauft man einen 24-jährigen Spieler, der sowohl auf der 6 wie auch auf der 8 spielen kann, für Almosen in die Türkei, obwohl man weiß!!!!!, dass mit Behrami und Holtby zwei der wichtigsten Spieler auf dieser Position monatelang ausfallen. Man beobachtet die Hinrunde und bemerkt, dass der HSV Riesenprobleme im Aufbauspiel hat, dass kaum mal ein Ball kontrolliert ins letzte Drittel gespielt wird, dass man nahezu unfähig ist, bei Standard-Situationen so etwas wie Gefahr zu entwickeln. Und dann kauft man einen 35-jährigen Ivica Olic!!! Man verbrennt erneut ca. € 5 Mio., obwohl man doch wissen müsste, dass die Probleme ganz woanders liegen. Aber zum Glück hatte „Ivi“ ja vor dem Spiel Tränen in den Augen, musste nach dem Spiel seine Jungs trösten und bekommt nach Ende der Karriere einen Job beim HSV.

Wieder eine Maßnahme Beiersdorfers, die ausschließlich auf der emotionalen Traditions-Ebene (Drobny, Volksparkstadion) spielt, die keinerlei sportliche Relevanz hat und die den Verein Unsummen kostet. Man versucht sich durch sportlich sinnlose, aber emotionale Aktionen Ruhe bei den Fans und den Medien zu erkaufen und bemerkt dabei nicht, dass man das Schiff mit voller Wucht gegen die Kaimauer nagelt.

By the way – wie ein sportlicher und kein emotionaler Schachzug aussehen kann, sah man gestern in Freiburg. Streich hatte erkannt, dass er zuwenig Gefahr im gegnerischen Strafraum erzeugte und holte Petersen aus Bremen. Ergebnis ist bekannt.

Der Assistent des Sportchefs. Ich habe noch die Worte von Ivica Olic im  Ohr: „Ich habe mit Didi gesprochen, er hat das toll gemacht, deshalb konnte ich auch mehr Druck machen“. Kein Wort über Peter Knäbel, dessen Hauptbeschäftigung es scheinbar ist, mit Spielern, die ihren Vertrag verlängern, auf Fotos zu posen oder den Medien den aktuellen Stand der Transferbemühungen zu schildern. Stand heute muss man feststellen, dass der HSV scheinbar einen Presse-Olli durch einen Presse-Pete ersetzt hat, wobei ich nicht sicher bin, dass Kreuzer so viel Interna an die Medien gegeben hat, wie es Knäbel seit Monaten tut.

Stand heute hätte man sich den ehemaligen technischen Direktor des Schweizer Verbandes wegsparen können, die Transfers macht ohnehin Beiersdorfer und er wird sie auch weiterhin machen.

Die Fans. Absolut erschüttern ist für mich zu sehen, wie die immer gleichen Brüllidioten bis 15.30 Uhr alles, aber auch alles total geil und sinnvoll finden, um dann um 17.22 Uhr alles zu verdammen.Entweder, oder, liebe Freunde. Entweder, ich stehe zu dem, was ich ca. 22 Stunden pro Tag via Facebook oder Matz Ab verbreite oder ich bin ein Spinner, der einfach nicht ernst zu nehmen ist. Aber die Fans hängen ja nicht nur in Blogs, Foren und sozialen Medien rum, sie gehen auch ins Stadion und das, was dort gestern in der 2. Halbzeit passiert, müsste Herrn Beiersdorfer eigentlich geschockt haben. Sein emotionaler Schachzug Olic war verpufft, die Schockstarrre ob der Unfähigkeit der Mannschaft war allgegenwärtig.

Als größter Spacken erweist sich erneut Gummizellen-KY, der wochenlang alles, was auch nur die leiseste Kritik äußert, ins Not-for-sale-Lager verfrachtet oder als Troll enttarnt, um jetzt nach nur einem verlorenen Spiel einzuprügeln, was das Zeug hält. Ich empfehle andere Medikamente 🙂

Problem ist nur: Jetzt ist das Geld weg und der Effekt ist auch keiner gewesen. Jetzt soll ein 28-jähriger Chilene (natürlich aus der Schweiz, woher auch sonst?) das Abendland retten, ich drücke die Daumen. Die Fans merken jeden Tag mehr, dass es so scheint, als könnte es diesmal nicht mehr reichen und wenn Beiersdorfer erst die Fans (trotz der Millionen-Investitionen in Gefühl und Tradition) verliert, hat er ein echtes Problem.

Ich für meine Person kann nur sagen, dass meine Geduld aufgebraucht ist, die Gründe habe ich angeführt. Dies ist meine eigene, persönliche Meinung, die niemand teilen muss. Überhaupt möchte ich in Zukunft denjenigen, die auf Hurra-Meldungen, Hofberichterstattung und Augensand stehen, empfehlen, diesen Blog zu meiden. Ich weiß, dass ihr viele Sachen anders seht (sehen müsst) und ich verstehe und respektiere dies. Aber ihr werdet hier nicht fündig und auch nicht glücklich. Ich empfehle – wie immer – HSV.de oder das Hamburger Abendblatt. Beim Ex-Springer-Blättchen kann man zumindest sicher sein, dass die Fehler irgendwann angesprochen werden. Leider erst dann, wenn es zu spät ist bzw. dann, wenn die Fehlermacher vom Hof gejagt wurden.