Auf die Frage, ob Joe Zinnbauer der richtige Trainer sei, antwortet Vorstandsboss Beiersdorfer der BILD:

„Wenn ich eins weiß – Joe übt seinen Job mit großer Motivation und Hingabe aus. Es ist wichtig, jemanden mit solcher Leidenschaft auf der Position zu haben.“

Einfach mal nichts sagen

Klar, werden jetzt wieder einige meinen – was soll er denn sagen? Wenn er ja sagt und ihn nach dem Gladbach-Spiel feuert, steht er wie ein Lügner da. (Als hätte dies einen Fußball-Funktionär jemals gestört). Wenn er geantwortet hätte, dass er diese Frage nicht beantworten würde, könnte man dies als vorzeitigen Abgesang interpretieren, wie man’s macht, macht man’s verkehrt. Oder auch nicht?

Warum muss Beiersdorfer überhaupt zu diesen Zeitpunkt mit der BILD reden, sein „Direktor Profi-Fußball“ redet doch schon genug. Außerdem war „Didi“ die letzte Zeit ohnehin abgetaucht, vielleicht hätte er es dabei bewenden sollen. So steht eine Aussage im Raum, die jedem, der es denn möchte, reichlich Platz zur Interpretation lässt.

Didis Wohlfühloase

Dabei kommen wir fast automatisch zu ganz anderen Fragen, sollte man denn intern bereits tatsächlich mit einer Entlassung des ehemaligen U23-Trainers liebäugeln und viele Fragen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Führungskonstrukt, welches sich Harmonie-Mensch Beiersdorfer gebastelt hat.

Da wäre zuerst er selbst, der Vorstandsvorsitzende. Als Ex-Profi und ehemaliger Sportchef liegt sein Kompetenzbereich definitiv auf der sportlichen und weniger auf der wirtschaftlichen und kommunikativen Seite. Beiersdorfer hatte die Sommertransfers in Abwesenheit des damals zukünftigen Sportdirektors Knäbel eingeleitet und abgewickelt und er macht es immer noch. Jeder Spieler, der über seinen Transfer zum HSV spricht, spricht von „Didi“ und nicht von Peter. Ivica Olic wusste zu berichten, dass er es „Didi“ zu verdanken habe, dass er die Freigabe der Wolfsburger erhielt, der Name Knäbel fiel nicht ein einziges Mal. Aber auch diverse Spielerberater erklären, dass sie auch heute noch nur und ausschließlich mit Beiersdorfer reden würden. Knäbel posiert zwar auf den Fotos, auf denen U23-Spieler ihre nagelneuen Verträge unterzeichnen, ansonsten bleibt seine Rolle bisher unklar, außer natürlich, dass er sich in der Öffentlichkeit die Prügel für die miese sportliche Performance abholt, darauf hat „Didi“ nämlich keine Lust.

Wäre man ketzerisch, so könnte man fragen: Wozu hat der HSV den ehemaligen technischen Direktor der Schweizer Nationalmannschaft eigentlich geholt und ihn mit dem Gehalt eines Vorstandsmitglieds ausgestattet?

Ich bin einigermaßen sicher, dass Knäbel viel mehr tut als nur für Fotos zu posieren, sein Einfluss auf Mannschaft, eventuell Taktik etc. sollte man nicht unterschätzen.

Dann wär da noch Bernhard Peters, „Direktor Sport“, graue Eminenz im Hintergrund, der dafür geholt wurde, das Jugendkonzept zu revolutionieren, die Trainer zu coachen, im Grunde den gesamten Verein einmal auf links zu drehen. Peters kann als ehemaligen Hockey-Bundestrainer und auch aus seiner Zeit in Hoffenheim einiges an Erfolg vorweisen, beim HSV gilt er aktuell als absolut unantastbar, unter anderem auch deshalb, weil seine Kerntätigkeit auf die nächsten 3-5 Jahre ausgelegt ist und ihn niemand an schnellen Erfolgen messen kann und will. Peters gilt intern als derjenige, der tatsächlich für alles, was mit Fußball zu tun hat, verantwortlich ist, ohne seinen Segen passiert überhaupt nichts.

Vor diesem Hintergrund betrachten wir nun die Position des Trainers und man kann in Sekundenbruchteilen die Frage stellen, wie stark denn die Position eines Übungsleiters in dieser Konstellation überhaupt sein kann.

Ganz oben Vereins-Ikone Didi, unantastbar, es sei denn, Onkel KlauMi holt die Laubsäge raus. Danach der Knäbel-Peter, seriös, ruhig in seiner Art, der Mann für die Außendarstellung, das sportliche-seriöse Gesicht des Vereins. Und von unten aus den Katakomben, der wahre Strippenzieher, Bernhard Peters. Weitgereist, erfolgreich, herrisch. Peters coacht sämtliche Trainer des Vereins und auch der jeweilige Chefcoach der Bundesliga-Mannschaft muss sich bei seiner Arbeit und seinen Kabine-Ansprachen filmen lassen. So gut und vielleicht richtig diese Maßnahme sein mag,  lieben tut die keiner.

Wer tut sich das an?

An dieser Stelle kommt nun die alles entscheidende Frage. Sollte sich der HSV irgendwann von Joe Zinnbauer trennen wollen, wie sehe das Anforderungsprofil an den neuen Coach aus bzw. welcher etablierte Trainer wäre bereit, sich diese vorher beschriebene Konstellation anzutun?

An vorderster Front Didi, der es sich auch in Zukunft nicht nehmen lassen wird, über die Transfers zu entscheiden. Peter Käbel, der irgendwie seine Position als Sportchef mit Leben füllen muss und entsprechen agieren wird (muss er ja) und dann noch Peters, der dem neuen Cheftrainer das Leben erklären will? Man stelle sich einen Thomas Tuchel vor, der erklären soll, dass eventuell Bayern, Dortmund und Manchester an ihm interessiert waren, er sich in Hamburg aber von einem Hockeytrainer filmen lassen soll. Der zwar bei sportlicher Erfolglosigkeit der Erste wäre, auf den man schießen würde, dessen Einfluss auf taktische Ausrichtung und besonders Transfers jedoch arg begrenzt wäre.

Im Grunde erlaubt dieses Konstrukt nur die Einbindung eines noch formbaren Trainer-Neulings wie Zinnbauer, weil etablierte Trainer bei der Vorstellung, unter diesen Umständen und mit diesen begrenzten Handlungsmöglichkeiten arbeiten zu müssen, abwinken werden. Kein Trainer lässt sich für etwas verantwortlich machen, was er nicht verantwortet, es sei denn, er hat es nötig. Ist seit längerer Zeit ohne Job, beginnt seine Karriere im Oberhaus gerade erst oder ähnliches.

Sportliches Konstrukt als Hindernis für einen Klassetrainer

Vor diesem Hintergrund macht es natürlich auch Sinn, dass Bernhard Peters bei seiner Vorstellung davon sprach, dass man nicht nur die Spieler, sondern auch die Trainer von morgen selbst ausbilden will. Absolut sinnvoll für den Blick in die Zukunft, für die Aktualität ist die Konstellation Beiersdorfer, Knäbel, Peters in der augenblicklichen Aufgabenverteilung jedoch ein Hemmschuh für die Verpflichtung eines Klassetrainers.

Bei der Gelegenheit kommt mir noch ein anderer Gedanke, der natürlich von den „Didi-Jüngern“ der Sektengemeinde HSV erneut ins Reich der Fabel verwiesen wird.

Beim Hamburger SV steht der schwelende Machtkampf zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann und Sportchef Dietmar Beiersdorfer vor der Eskalation. Letzterer beklagt die wiederholte Einmischung Hoffmanns in seine Aufgabengebiete. „Es gibt unterschiedliche Auffassungen sowohl in der Arbeitsweise als auch in der Abgrenzung der Kompetenzbereiche“, sagte Beiersdorfer dem „Hamburger Abendblatt“. „Diese waren auf der Ebene des Vorstands nicht mehr zu regeln.“

Die Differenzen folgen nach Ansicht der Hamburger „Morgenpost“ aus der schonungslosen Saisonanalyse Hoffmanns, der darin die Personalpolitik Beiersdorfers heftig kritisierte und die Scouting-Abteilung, die in Beiersdorfers Zuständigkeit fällt, besonders an den Pranger stellte. (sport1.de am 20.06.009)

An dieser Stelle sei die Frage gestattet, was Beiersdorfer als Vorstandsvorsitzender jetzt eigentlich anders macht als Bernd Hoffmann im Jahre des Herrn 2009. Auch er mischt sich in das Hoheitsgebiet des teuer-bezahlten „Direktors Profi Fußball“ ein, er tätigt Transfers, er äußert sich zur sportlichen Situation. 2009 war dies für Über-Didi ein Grund, sich hilfesuchend an den Aufsichtsrat zu wenden…