Mal im Ernst, sollte es nicht überall im Leben so sein? Wer etwas leistet, wird dafür belohnt, wer weniger leistet, muss sich neu anbieten. Jedenfalls habe ich es so gelernt, was aber nichts bedeuten muss. In Hamburg respektive beim HSV wurde dieses „Prinzip der Leistung“ von den Exzellenzen lauter ausgerufen als je zuvor. Es gelte ab sofort nur noch die Leistung des Einzelnen, vor (großen) Namen wolle man in Zukunft nicht mehr Halt machen.

Wie von Beiersdorfer gefordert, setzt Zinnbauer die Strategie des HSV um, verstärkt auf den Nachwuchs zu setzen. Der Coach erklärt stets, dass seine Lösungen nicht aus der Not geboren seien, sondern dem Leistungsprinzip folgten. (FAZ.net, 23.11.2014)

Zu diesem Zweck und um der Öffentlichkeit nachdrücklich zu demonstrieren, dass man es ernst meinen würde, nahm man sich die Herren Westermann und van der Vaart zu Brust, auch weil man sich in diesen Fällen der Unterstützung der genannten Öffentlichkeit sicher sein konnte. Beide Großverdiener gelten seit längerem als die Wurzel des Übels und mit ihrer Demission hat man garantiert die breite Meinung auf seiner Seite.

Dabei ist es so, wenn man denn einmal wirklich ehrlich sein möchte, dass beide Spieler zwar nicht so performen, wie man es von ihnen gewohnt sein sollte oder wie es ihrer Besoldung entspricht, aber gegenüber den Leistungen ihrer Mitspieler fallen sie keinesfalls ab. Aber das ist beim HSV 2015, bei dem es mehr denn je auf erkaufte Ruhe und mehr Schein als Sein ankommt, nicht mehr wichtig. Bei beiden Spielern laufen die Verträge aus und man kann sie im Grunde ohne Gefahr verbrennen.

Damit man mich nicht falsch versteht – ich bin garantiert unverdächtig, der Anwalt der Herren Westermann und van der Vaart zu sein, aber was Recht ist sollte Recht bleiben. Unglücklicherweise setzt die neu ernannte Führung des Vereins den „Heute hü, morgen hot-Stil“ seiner Vorgänger fort, eine klare Linie sucht man nach wie vor vergeblich.

Das erste Mal kehrte der HSV ganz bewusst vom Leistungsprinzip ab, als man sich kurz vor Rückrunden-Toreschluss die Dienste  von Ivica Olic sichern konnte. Die „PR-Verpflichtung Olic“ war nicht nur teuer, sie war auch komplett sinnentleert, aber wer Millionen für einen 35-Jährigen ausgibt, macht sich irgendwie unglaubwürdig, wenn man ihn dann auf der Bank sitzen lässt. Also schmiss man den Oldie nach nur einer Trainingseinheit ins kalte Wasser und ließ einen fitten und austrainierten Artjoms Rudnevs auf der Bank versauern, obwohl der Lette als einer der Wenigen die komplette Winter-Vorbereitung verletzungsfrei absolvieren konnte.

Das Resultat: Olic läuft sich zwar nach wie vor einen Wolf, verbreitet jedoch NULL Torgefahr, wirkt wie ein Fremdkörper. Nach 4 Spielen ohne Tor und ohne Vorlage verletzte sich der Kroate am Oberschenkel. wurde aus lauter Verzweiflung wieder reingebracht, obwohl ein fitter Rudnevs bereitsteht. Ergebnis: Nach 20 Minuten musste Olic erneut verletzungsbedingt vom Feld, Rudnevs kam und sollte nun Wunderdinge vollbringen, nachdem man ihm zuvor eindrucksvoll demonstriert hatte, was man von ihm und seinen Fähigkeiten hält. Leistungsprinzip!

Auf den nächsten Fall müssen wir nun gar nicht lange warten, „Manic Joe“ zittert bereits mit den Füßen, um endlich seinen „Königstransfer“ bringen zu können. Dabei fällt der Schweiz-Albaner seit dem 26.12.2014 wegen einer Knie-OP aus und konnte erst wenige Tage mehr oder weniger mit der Mannschaft trainieren. Das aber interessiert Zinngruber nicht, der sich sofort zu folgender Aussage bemüssigt fühlt.

„Valon ist ein Leader, der Chef auf dem Platz. Er ist ein Siegertyp, will immer gewinnen und reißt die Mannschaft mit. Wenn er mir signalisiert, dass es geht, dann spielt er auch.“ (Komplettes Interview auf HSV.de nachzulesen)

Das muss man sich jetzt einmal auf der Zunge zergehen lassen. Der Mann kam als Halb-Sportinvalide nach Hamburg

[…]Wirklich stabil ist das Knie schon lange nicht mehr. Bereits beim Medizincheck im vergangenen Sommer war den HSV-Ärzten aufgefallen, dass Behramis linkes Knie Verschleißerscheinungen weit über das normale Maß hinaus aufwies. Aber: Nur durch diese Knieverletzung war der in ganz Europa begehrte Nationalspieler überhaupt bezahlbar. Zudem kündigte der WM-Teilnehmer schon damals an, dass er sich in der Winterpause durch den Schweizer Mannschaftsarzt Cuno Wetzel einem kleineren Eingriff unterziehen lassen wolle. Dass aus dem “kleinen Eingriff” eine große Sache werden könnte, wollte damals allerdings noch niemand glauben. (Hamburger Abendblatt, 03.03.2015)

und fiel jetzt fast 2 1/2 Monate wegen einer Knie-OP aus, die eigentlich nur als ein kleiner Eingriff geplant war. Wie kaputt man ein Knie sein, wenn ein kleiner Eingriff eine Verletzungspause von 2 1/2 Monaten nach sich zieht? Aber das ist nur der eine Teil des Problems. Der andere Teil ist der, dass der HSV unter dem „Leader auf dem Platz“ in insgesamt 16 Spielen, in denen Behrami mitgewirkt hat, eine Bilanz von 17 Punkten und 9:19 Toren aufweisen kann.

Behrami selbst kam in den 16 Spielen auf 0 Tore, 0 Torvorbereitungen und 5 gelbe Karten, zumeist für überhartes Foulspiel. Die Stärken des 29-Jährigen belaufen sich auf die pure Zerstörung des gegnerischen Angriffsspiels, sobald er selbst in Ballbesitz ist, wirkt er unbeholfen und kann kaum einen unfallfreien Pass über 10 Meter zum eigenen Mann bringen. Sein Kopfballspiel ist durchschnittlich, offensive Fähigkeiten sind nicht vorhanden.

Aber: Dieser Spieler wird jetzt von der HSV-Führung seit Beginn der Saison systematisch zum Führungsspieler aufgebaut, es vergeht kein Tag, an dem nicht entweder Beiersdorfer und Knäbel, oder auch Zinnbauer seine „Leader-Fähigkeiten“ hervorheben, seine unfassbaren Qualitäten beschreiben, den Mann in den Himmel heben. Bewiesen hat er von all dem noch überhaupt nichts, außer zu treten kann Behrami wenig, ein oft herangeholter Vergleich zum Ex-Bayern van Bommel ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten.

Fakt ist: Behrami ist ein durchschnittlicher, aber überbezahlter Fußballer mit eingeschränkten Talenten, der aber als eine Art Figur installiert werden soll, weil man seinen Transfer irgendwie erklären muss. Problem bei diesen „Leadern“ ist leider nur: Sie müssen auch spielen und wir oft der Schweizer in Zukunft aufgrund seines Knieschadens überhaupt wird auflaufen können, bleibt abzuwarten. Dann aber hat man einen Gojko Kacar endgültig enteiert, denn der Serbe bringt ganz andere Fähigkeiten mit. taugt aber aufgrund seiner ruhigen, zurückhaltenden Art nicht zur Galionsfigur. Außerdem läuft sein Vertrag aus.

Wenn jetzt aber ein Kacar, der sich trotz zahlreicher Demütigungen seitens des Vereins immer wieder rangekämpft hat und gute Leistungen abliefert, obwohl er monatelang nicht unter Wettkampfbedingungen spielen konnte, einem unfitten Behrami weichen sollte, hätte man sich in der Führung des Vereins endgültig unglaubwürdig und lächerlich gemacht.

Kleine Nebenbemerkung: Obwohl dies alles erneut nichts als Fakten sind, die von jedem, der sich außerhalb eines Kickertisches oder FIFA2015 mit Fußball beschäftigt, bestätigt werden wird,  darf man es nicht zu laut sagen, ohne von den üblichen Patienten aufs Übelste abgestraft zu werden.

Ich kann den Scheiss von dir nicht mehr ertragen. Wir haben außer valeron keinen Chef. Also ist es richtig das er spielt. Aber wie immer erstmal gegen den Trainer wettern.

Recht hat er! Und ihm gehört auch die Kapitänsbinde umgebunden!

Es gibt Spieler, da muss man eine Ausnahme machen.

Behrami trainiert seit über einer Woche voll mit, warum sollte er noch nicht wieder fit sein? Andere Trainer hätten ihn schon letzte Woche gebracht.

Wenn Behrami spielen kann, muss er rein. Es ist doch momentan keine Führung auf dem Platz.

(Die Beleidigungen habe ich absichtlich nicht kopiert)

An dieser Stelle kann man ein Phänomen wunderbar beobachten, nämlich das verrückte Verhalten der „Fans“, die der Meinung sind, sich nicht von den Medien beeinflussen zu lassen, die aber nichts anderes tun. Behrami wurde ihnen jetzt monatelang als der neue Führer der HSV-Mannschaft verkauft, obwohl seine tatsächlichen Leistungen eher durchschnittlicher Natur sind. Das aber möchte niemand sehen, denn die verzweifelte Suche nach der Führungsfigur vernebelt die Sinne. Außerdem – wenn Didi, Presse-Pete, „Manic Joe“ und die Presse den Spieler nur oft genug zum Leader ausrufen, dann muss er schließlich auch der Leader sein, oder?

Letzter Satz: Ich kenne mittlerweile reichlich Menschen in Hamburg, die dem HSV einen Abstieg von Herzen wünschen und das liegt weder an einer vorhandenen Abneigung gegenüber den Spielern noch gegenüber den Funktionären oder dem Verein grundsätzlich. Es geht vielmehr um diese vollkommen kranken Internet-Honks, Facebook-Bewohner und Troll-Darsteller, die aber auch alles, was ihnen nicht in den Kram passt, gnadenlos niederpöbelt und ehemalige Not-for-Saler nicht nur in den Schatten stellen, sondern sie zu Waisenknaben degradieren. Allein ihretwegen wünschen viele Hamburger dem HSV den Gang in die 2. Liga, damit diesen Proleten endlich das Maul gestopft wird.

Mir selbst ist das alles mittlerweile einigermaßen egal, denn zum Glück für mich habe ich mich vom HSV-Fan zum HSV-Sympathisanten und HSV-Beobachter entwickelt. Mir geht das Schicksal des Vereins nicht mehr nahe und wenn der Verein absteigen sollte, dann ist das eben so.

 By the way – warum gilt das „Leistungsprinzip“ eigentlich nicht mal mehr im HSV-Tor? Drobny ist auf der Linie zwar ein durchschnittlicher Torhüter, aber sobald es in die andere Richtung gehen soll, wirkt er wie ein Rudiment aus den 90er Jahren.