Am Anfang war das Feuer. Es ist jetzt ungefähr ein Jahr her, da bekam ich die Gelegenheit zu einem Doppel-Interview und zwar konnte ich mit dem Initiator der Initiative HSVPLUS, Ernst-Otto Rieckhoff, sowie dem Mann, der die gesamte Kommunikations-Strategie hinter der Initiative verantwortete, Stephan Rebbe reden und ihnen meine Fragen stellen. Ganz besonders deutlich erinnere ich mich an eine Frage, die wohl, neben den Inhalten wie Ausgliederung, Öffnung für strategische Partner etc., die meisten Mitglieder interessierte.

„Herr Rieckhoff, wer sollte ihrer Meinung nach die neu zu schaffende HSV Fußball AG führen?“

Die Antwort von EOR lautete sinngemäß:„Ich möchte einen Experten mit Stallgeruch“. Auf meine Nachfrage, ob es nicht sinnvoller wäre, einen kompletten Neustart mit völlig unvorbelasteten Protagonisten zu starten, meinte Rieckhoff, dies wäre weder der Mitgliedschaft noch der hiesigen Presse zu verkaufen.

Exakt an dieser Stelle begann meiner Auffassung nach das Dilemma, in dem sich der HSV heute, nahezu exakt ein Jahr später befindet. Schon damals, weit bevor klar war, ob die HSVPLUS überhaupt die notwendige 3/4-Mehrheit erhalten würde, kümmerte man sich darum, was denn dem Boulevard „zu verkaufen sei“, ein Verhalten, welches den Verein seit Jahrzehnten lähmt und welches ihn weiterhin massiv dabei behindert, eigenständige Entscheidungen zu treffen.

Anstatt einen echten Neuanfang zu versuchen, versuchte man, „Altbewährtes“ zu reaktivieren und vergaß dabei, dass „Dukaten-Didi“ alles ist, aber eben kein Anführer mit Durchsetzungsstärke. Beiersdorfer lebt auch heute noch von einer Legende und von Seiten der HSVPLUS-Führung war man der Meinung, mit Hilfe dieser Legende zum Erfolg kommen zu können. Was man dabei vergaß: Der „Experte mit Stallgeruch“ muss mir nicht nur die Wahl sichern, er muss im Anschluss daran auch funktionieren und eben das tut „Didi“ nicht“.

Heute, ca. 10 Monate nach der Inthronisierung behauptet ich, dass die Entscheidung, die Rieckhoff damals zusammen mit Gernandt und natürlich Kühne getroffen hat, Fehler Nr. 1 in der langen Reihe der Fehler war, die man nach der Ausgliederung begangen hat und die dafür verantwortlich sind, dass sich der HSV im März/2015 von dem HSV im März/2014 im Grunde überhaupt nicht unterscheidet.

Die „Personalie Beiersdorfer“ war eine Entscheidung, mit Hilfe derer man sich mit dem Boulevard gemein machen wollte, denn der Boulevard „schreibt uns alle 2 Wochen das Stadion voll“, so Rieckhoff im März 2014. Bullshit, er schreibt dem Verein das Stadion höchstens leer, denn wenn die Leistungen stimmen, kommt das Volk ohnehin. Aber allein diese 80er-Jahre-Sichtweise lässt erkennen, dass sich in Hamburg nichts bewegt hat und nichts bewegen wird.

Ich behaupte, dass der Frust und der Leidensdruck der Mitgliedschaft im Mai 2014 so groß war, dass die Mitglieder jeden Weg mitgegangen wären, allein um sich der ungeliebten Ertel und Hunke zu entledigen. Die Macher von HSVPLUS und besonders die von ihnen eingesetzten Exzellenzen hatte einen Blanko-Scheck und sie haben ihn, Stand heute, verspielt.

Kurzer Sidestep: Warum macht man sich mit dem Boulevard gemein, warum sucht man die Unterstützung von BILD, Mopo und auch dem Abendblatt? Ganz einfach, man versucht, sich Zeit zu erkaufen. Gibt man den Hyänen, wonach sie verlangen, lassen sie einen ein paar Tage länger leben. Letztendlich ist ein Schulterschluss mit dem Boulevard jedoch immer ein Pakt mit dem Teufel, denn man kann der Bruderschaft nicht entkommen. Hält man sich nicht an das „Abkommen“, fliegt es einem um die Ohren, im Grunde ist es eine Art Erpressungs-Verbindung. Und was noch „lustiger“ ist – sie ist lediglich temporär, denn sobald sich abzeichnet, dass die Nummer in die Hose geht, vergessen die Jungs von den Schmierblättern, dass es sowas wie eine stille Absprache gegeben hat. Dann wird ohne Rücksicht auf Verluste aus allen Rohren gefeuert, der Ex-Partner wird binnen Sekunden zur Zielscheibe.

Beim „neuen HSV“ aber war man der Meinung, man müsse erneut seine Seele dem Teufel verkaufen und jetzt hat man den Salat. Dabei gibt es diverse Möglichkeiten, die eigenen Botschaften ohne den Boulevard zu transportieren. Ich kenne genügend Kommunikations-Experten, die konkrete Ideen auf den Tisch gelegt haben, mit deren Hilfe sich der Verein unabhängiger von den hiesigen Boulevardmedien hätte machen können, aber der Verein wollte nicht.

Was ist aus dem Plänen geworden, HSV.de, HSV-Facebook, HSV-Twitter, alternative Medien wie Blogs oder Kolumnen für sich zu nutzen? Ach ja, ich weiß, „wir sind noch nicht soweit“.  Heute weiß ich, dass der Hamburger Sportverein mit der personellen Besetzung, der er aktuell zu bieten hat, in 100 Jahren „nicht soweit“ sein wird, weil man gar nicht „soweit“ sein möchte. Viel zu eng sind die Verknüpfungen und Abhängigkeiten, die sich über die Jahre entwickelt haben und hier kommen wir zu Fehler Nr.2, der allerdings, wie alle anderen Fehler auch, unmittelbar mit Fehler Nr. 1 zusammenhängt.

Wenn man schon am 26-05.2014 neu starten wollte, warum hat man es dann nicht konsequent gemacht? Warum hat man nicht die Personen ersetzt bzw. ausgewechselt, die in den Jahren davor für die operativen Fehler standen.

Fehler Nr. 2 – Mediendirektor Jörn Wolf, Fehler Nr. 3 – Vorstand Marketing Joachim Hilke. Beide Personen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bild, welches der HSV in den letzten Jahren abgegeben hat, aber anstatt sie von ihren Ämtern zu entbinden und unverbrauchte Personen zu installieren, wurschelt „Didi“ einfach immer weiter, weil nämlich „Didi“ keine Lust auf unpopuläre Entscheidungen hat.

Bei beiden Herren steht erneut das im Vordergrund, was im Vorfeld ausführlich beschrieben wurde: Die Verbindung zum Boulevard. Hier werden alte Kontakte gepflegt, Gefälligkeiten erwiesen, Schulden beglichen. Um einmal einen Vergleich zum Fußball selbst herzustellen: Wenn ich einen unsicheren Torwart habe, kann ich die restlichen 10 Spieler austauschen, der Torwart bleibt die Schwachstelle. Also muss ich wohl oder übel den Keeper wechseln, oder?

Spricht man mit externen Experten, mit Beratern und Trainern, so erhält man immer wieder eine Antwort:

„Der HSV hat ein Kommunikationsproblem“

Nun ist dieses Problem so alt wie die Bibel und man hatte nach dem 25.05.2014 die Möglichkeit, nachhaltig daran zu arbeiten, aber dafür hätte man sich Hilfe von außen holen müssen (und damit meine ich keinen „Direktor Mailverkehr“, der zu seinem Job kam, weil er „Didi“ überall hin folgt), man hätte eine ehrliche Fehler-Analyse betreiben müssen, man hätte sich von faulen Äpfeln trennen und Experten einstellen müssen. Das alles tat man nicht und deshalb haben wir am 07.03.2015 das gleiche Kommunikations-Desaster wie am 17.6.2004 und am 23.09. 2011.

Wie kommen denn Katastrophen wie aktuell mit Julian Green zustande? Ganz einfach, weil man zwar übereinander, aber nicht miteinander redet.

Wie kommt es zu Verpflichtungen wie Lasogga, Olic oder Diaz? Ganz einfach, weil man meint, dem Boulevard nachgeben und Namen präsentieren zu müssen.

Stand heute steht für mich folgendes fest:

„Didi“ kann es nicht, er ist gescheitert. Der HSV hätte im Mai 2014 einen visionären Anführer mit Durchsetzungsvermögen ohne Verbindungen zum Boulevard gebraucht, Beiersdorfer ist das nicht. Beiersdorfer ist eine von eben diesem Boulevard aufgebaute „Dukaten-Didi-Legende“, der eben nicht nur für Verpflichtungen wie de Jong, van der Vaart, Kompany oder Boateng, sondern eben auch für Spieler wie Streit, Lauth, Mpenza, Rozehnal, Djeng und und und verantwortlich zeichnet, nur haben das eben viele vergessen bzw. verdrängt.

Knäbel kann es auch nicht. Der Mann ist intelligent, inter und freundlich, aber für ihn ist der HSV und sein Umfeld eine Nummer zu groß.

Zinnbauer kann es überhaupt nicht, der Mann ist grenzenlos überfordert und man sollte ihn schnellstmöglich erlösen.

Über die Herren Wolf und Hilke ist alles gesagt.

Dies alles ist für mich offenkundig und nicht nur für mich, passieren wird jedoch nichts. Eventuell wird man sich, wenn man denn in 2 Wochen auf Platz 17 angekommen ist, von Zinnbauer trennen, aber was spielt das noch für eine Rolle?

Die anderen Nichtskönner werden weiterwurschteln und sollte der HSV auch diesmal die Klasse halten (was ich bezweifel), dann geht der Eiertanz in der Saison 2015/16 ungebremst weiter.

Wie gesagt: Der HSV hatte am 26.05.2014 eine einmalige Chance, er hat sie leichtfertig verspielt.