Über Geschmack lässt sich bekanntlich (nicht) streiten. Der Eine mag schwarze Autos, der Andere mag weiße. Während der Eine sich für Flugzeuge begeistern kann, findet ein Anderer, dass die Dinge die Umwelt verdrecken. Über alles lässt sich diskutieren und natürlich kann man auch über sportliche Berichterstattung und am Ende natürlich auch über die Berichterstatter selbst diskutieren. Ich zum Beispiel mag Steffen Simon und Thomas Hermann nicht, aber das hat nichts damit zu tun, ob ich sie als Person mag oder nicht. Wie auch, ich kenne sie schließlich nicht. Aber ich kann begründen, warum ich sie nicht mag. Simon hat in meinen Augen keine Ahnung, worüber er überhaupt redet und Hermann ist mehr ein Sensationsreporter, der mit seiner Art zu reden auf den Jahrmarkt und nicht ins Fernsehen gehört. Aber: Das ist meine persönliche Meinung, die niemand teilen muss.

Nun ist es in den letzten Wochen mehrfach vorgekommen, dass sich sogenannte „Fans“ eines Ruhrpott-Vereins an einem bestimmten SKY-Reporter, sagen wir mal abgearbeitet haben, wobei die Art und Weise, wie sie dies gemacht haben, zu 100% zu verurteilen und strafrechtlich zu verfolgen ist. Die Zeit hat nun einen Grundsatzartikel hierzu verfasst, in dem ich mich und meine Arbeit an diesem Blog mehrfach wiederfinde.

Der Kommentator Marcel Reif provoziert, weil er kritisiert. Fans und Medien fühlen sich dadurch beleidigt. Dabei ließe sich noch viel kritischer auf den Fußball schauen. VON 

Es stimmt, Marcel Reif kritisiert. Aber Reif kritisiert eben alles, was ihm kritikwürdig vorkommt. Er kritisiert die Bayern und die Dortmunder, die Mainzer und die Hamburger, aber mir ist ein Mensch, der offen kritisiert (nicht pöbelt oder beleidigt!!) 100 Mal lieber, als unsere Hamburger „Sportjournalisten“, die, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, kübelweise Dreck über den HSV auskippen und lästern, was das Zeug hält, die aber 10 min. später in ihren Artikeln oder Blogs Dinge wie

„Großartig, HSV, dieses 0:0 gegen die wiedererstarkten Dortmunder. Vor 57 000 Zuschauern im ausverkauften Volkspark hielt der HSV mit Leidenschaft dagegen, stand in der Defensive prächtig, gestattete dem großen Favoriten kaum einmal klare Möglichkeiten – das konnte sich wahrlich sehen lassen..“

von sich geben. Bei aller Liebe, aber das ist hinterfotzig, unehrlich, dümmlich und komplett daneben. Ebenso, wie es daneben, in Hamburg und besonders bei Herrn Matz aber schöne Tradition ist, am Tag der Entlassung dem Entlassenden Dreck in den Nacken zu werfen und sich in ekelhaftester Art und Weise über diese Person auszukotzen. Dann lieber einen Marcel Reif, der die Dinge benennt, wenn sie passieren. Offenes Visier.

Reif mag eitel sein und elitär wirken, doch der entscheidende Grund, warum er provoziert, ist: Er ist kritisch. Man könnte auch sagen, Reif provoziert, weil er seinen Job macht. Schlechte Leistungen nennt er schlechte Leistungen, Schwalben sind für ihn Schwalben, affiger Jubel bleibt affiger Jubel.

Kenne ich, habe ich zigfach erlebt, werde ich noch zigfach erleben. Wenn ich den HSV kritisiere, bin ich plötzlich „kein wahrer HSVer“ mehr, wenn ich Verhaltensweisen von Spielern oder Funktionären beleuchte, werde ich aufgefordert, wegzusehen. Schließlich sei dies hier ein HSV-Blog und dort müsse der HSV geschützt und unterstützt werden. Am Arsch, Freunde. Dies ist vielleicht ein HSV-Blog, aber es ist kein HSV-Jubelblog und es ist erst recht kein HSV-Fanblog. Diesen Unterschied sollte sich der eine oder andere bei Gelegenheit einmal vergegenwärtigen.

Gemecker über angeblich ahnungslose Sportreporter ist ein noch älterer Volkssport als Schimpfen auf die Bahn. „Es wird immer welche geben, die sagen, an der Niederlage ihres Vereins war der Kommentator schuld“, sagt Reif.

Auch bereits zigfach erlebt. „Wenn ihr sowas schreibt, bringt ihr Unruhe in den Verein“. Was für ein Bullshit. Unruhe bringt der Verein in den Verein, nämlich dann, wenn er sich durch sein Verhalten, seine Kommunikation oder seinen sportlichen Zustand angreifbar macht. Die Medien berichten darüber, das ist ihr Job.

Im Fußball bekommt man stattdessen zu hören, Journalisten sollen sich aus der Sache besser raushalten. Außenstehenden gestehen viele Fans einen kritischen Umgang mit ihren verehrten Lieblingen nicht zu. Ultras sehen sich als Teil des Vereins. Andere, die Geld für ein Sky-Abo zahlen, wollen ihren Verein nicht schlechtgeredet bekommen. Im Internet schreiben User schon mal unter Texte: „Beschmutzen Sie nicht Ihr Nest, Sie leben von diesem Sport.“

Wie geil, oder? Man soll über den Verein berichten, aber man soll doch bitte nur positiv berichten. Auf die mehrfache Frage, was ich denn bitte Positives schreiben sollte, bekam ich keine Antworten. Aber es wird einem nachgesagt, dass man ja absichtlich Brände legen würde, weil man ja auf Klicks und Ähnliches angewiesen sei. Ich verweise gern nochmals darauf, dass ich weder mit diesem Blog noch mit meiner Facebook-Page Geld generiere und wenn es so wäre, würde ich auch nicht anders schreiben.

So manch ein Manager, der seinen Trainer gegen Schlagzeilen schützt, gibt dem Kritiker unter vier Augen recht. Und hinter manchem Verriss eines Stürmers oder Vorstands steckt eine interne Quelle.

„Niemals!!! Das sind doch alles Erfindungen der linken Lügenpresse. Niemals würde Didi schlecht über einen Mitarbeiter reden.“ Genau, Leute, träumt einfach weiter.

Es ist ein grundsätzliches Missverständnis zwischen Reportern und Fans: Viele Fans können sich nicht vorstellen, dass jemand Spiele, Trainer, Vereine nicht nach Vorliebe, Gefühl und Zugehörigkeit bewertet, sondern kühl, distanziert, analytisch. Jede Äußerung schreiben sie einem Lager zu.

Vielleicht nicht kühl, aber analytisch und mittlerweile distanziert. Darf man nicht, wenn man seinen Blog „HSV-Arena“ nennt? Doch, darf man. Muss man dürfen.

Reif ist Fan des 1. FC Kaiserslautern, des Vereins, für den er in der Jugend spielte. Besser: Er war es. Als Sportjournalist kann man nämlich, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht, kein Fan bleiben. Wer hinter die Kulissen dieses hoch kommerziellen Sports schaut, verliert die Naivität. Wer hinter die Kulissen schaut, weint nicht mehr nach Niederlagen, springt nach Toren nicht mehr auf.

Eines der Hauptprobleme, welches aber kaum gesehen und noch seltener verstanden wird. Die Fans sehen nur das, was ihnen die Medien erzählen und am Wochenende sehen sie ein Spiel. Sie bilden sich ihre Meinungen aus dem, was ihnen verkauft wird, aber einige meinen, mehr zu wissen. Vielleicht haben sie bei einer Veranstaltung mal mit dem Vorstand Marketing geklönt oder mal mit dem Pressesprecher telefoniert. Diese Begebenheiten versetzen sie dann in den Zustand des „Aufgeklärt-seins“, sie meinen, die ganze Sache durchschaut zu haben und sich auf dem gleichen Wissenstand wie die Berichterstatter zu befinden. Soll ich es jetzt zu meiner Aufgabe machen, diesen Typen zu erklären, dass sie absolut nichts wissen und noch weniger verstanden haben?

Fußball vermittelt durch sein öffentlich einsehbares Kerngeschäft auf dem Platz eine Scheinnähe. Jeder glaubt mit den eigenen Augen zu erkennen, was passiert. Doch wer sich umsieht, bekommt viel mit von amateurhafter Unternehmensführung in Proficlubs, von fachlichen Mängeln bei Trainern, von Missgunst und Intrigen in Vereinen, von Gerüchten um Veruntreuung und von Fußballern, die mit ihrem „Sozial“-Verhalten keine drei Monate in der freien Wirtschaft überleben würden.

Exakt das ist es, diese beschriebene Scheinnähe. Jeder meint, etwas zu wissen, dabei weiß er einen Dreck.

Die Diskrepanz zwischen öffentlichem und Insiderwissen dürfte nirgends so groß sein wie im Fußball. Das hat viele Gründe. Über Missstände spricht so gut wie keiner offen. Kritiker werden von Vereinen und Spielern geschnitten.

WIR SIND NOCH NICHT SOWEIT!!!! Reicht, oder?

http://www.zeit.de/sport/2015-03/marcel-reif-journalismus-medienkrise

Nochmal: Ob ich Marcel Reif nun mag oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Wenn mir  seine Art der Analyse nicht passt, kann ich ihn (und das geht bei SKY) stummschalten und durch Stadion-Ton ersetzen. Mit Steffen Simon mache ich das auch so (dann gucke ich das Spiel und höre Musik), Thomas Herrmann schalte ich ganz ab. Aber Angriffe auf eine Person, dessen Sichtweise mir nicht passt, ist absolut unterste Schublade.

Zwei andere Dinge.

1. Valon Behrami. Das, was Behrami gestern in der 3 Minute im Spiel gegen Dortmund abgeliefert hat, war kein Foul. Es war auch keine rote Karte, es war meiner Meinung nach Körperverletzung. Da der Spieler für das Vergehen nicht bestraft wurde, hoffe ich darauf, dass sich das DFB-Sportgericht dieser Sache annimmt. Warum? Weil ich Fußballer bin und solche Aktionen auf einem Fußballplatz nichts verloren haben. Man stelle sich nur einmal vor, beispielsweise Hakan Calhanoglu hätte exakt das Gleiche mit Maxi Beister gemacht, dann hätte ich den Shitstorm erleben mögen. Egal, ob HSV-Spieler oder nicht, diese Art des Foulspiels gehört sanktioniert.

Der Umstand, dass ausgerechnet ein absolut limitierter Spieler, der zur Gewalt neigt, vom HSV und seinem Trainer zum „Leader“ ernannt wird, finde ich übrigens höchst bedenklich. Und soll mir doch bitte niemand mit einem „van Bommel-Vergleich“ kommen. Der Holländer war ein Treter übelster Sorte, aber er konnte immerhin kicken. Behrami kann überhaupt nichts.

2. Heiko Westermann

„Die Idioten, die meinen, den Fußball erfunden zu haben, können mich mal am Arsch lecken.“

Als ich das las, wollte ich spontan „Danke, Heiko“ schreien, weil es mir so dermaßen aus der Seele sprach. Woche für Woche urteilen fettbäuchige Halb-Alkoholiker, die in nüchternem Zustand aus 4 m keinen Möbelwagen treffen, über diesen Spieler. Wie sehr ihm das Ganze an die Nieren geht, kann man an diesem Ausbruch erkennen, der garantiert nicht geplant war. Man kann die Leistungen eines Spielers und auch seine Fehler kritisieren, damit hat kein Fußballer dieser Welt ein Problem. Die Art und Weise aber, wie besonders Westermann von diesen sogenannten „HSV-Fans“ niedergemacht wird, ist unterirrdisch. Lustigerweise sind das aber meistens die gleichen „Fans“, die einem Blogschreiber oder einem Kolumnisten erzählen wollen, dass er den Verein nicht zu kritisieren hätte.

Lachhaft ohne Ende.

Euch allen einen schönen Sonntag.