Wir werden mit Teamgeist, Leidenschaft, Kompetenz, Professionalität und Demut unseren HSV entwickeln, auf den alle HSVer und Hamburger wieder stolz sein können“, gibt Beiersdorf die Richtung vor. (Quelle: HSV.de vom 11.06.2014)

Kurz zur Erklärung für dieses Eingangs-Zitat. Ich hatte mich gefragt, welches eigentlich das Ziel des „neuen“ HSV sein könnte, nachdem man die vorgegebenen HSVPLUS-Ziele (Entschuldung, keine teuren und alten Stars zu überhöhten Preisen, neue strategische Partner, das Zuschütten der vereins-internen Gräben) komplett aus den Augen verloren hat. Mit anderen Worten:

Welches (sportliche) Ziel haben die Exzellenzen eigentlich formuliert? 

„Ein HSV, auf den alle HSVer und Hamburger wieder stolz sein können“. Das ist jetzt das Ziel? Ich denke, sowohl ein Uwe Seeler und ein Werner Hackmann, ein Bernd Hoffmann und sogar ein Carl-Edgar Jarchow wollten, dass die HSV-Fans stolz auf ihren Verein sein können, also kann’s das ja wohl nicht gewesen sein. Außerdem impliziert diese Aussage Beiersdorfers, dass man als Hamburger nicht mehr stolz auf seinen Verein war. Oder anders: Der HSV erhöht seinen Gehaltsetat (Mannschaft und Verein inkl. Vorstand) um 12% auf ca. € 65 Mio., damit die HSV-Fans wieder stolz auf ihren Verein sein können? Aber suchen wir weiter, vielleicht finden wir ja noch irgendwo ein ambitioniertes Ziel, welches die höchsten Ausgaben, die größten Transferkosten und den teuersten Kader in der Geschichte des HSV erklären könnte.

Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren kontinuierlich an der systematischen Neuordnung und somit an der langfristigen Perspektive des HSV zu arbeiten. Dies wird uns mit dem neuen Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer gut gelingen.“ (Karl Gernandt ebenfalls HSV.de am 11.06.2014)

„Systematische Neuordnung und langfristige Perspektive“, soso. Wie soll sie denn aussehen, die „langfristige Perspektive“? Irgendwie wird das nirgendwo erklärt. Bedeutet „langfristige Perspektive“, dass man auf Dauer die Klasse halten will? Was genau ist eine „systematische Neuordnung“? Soll das bedeuten, dass man in Zukunft ein nachhaltiges Nachwuchskonzept aufstellen möchte, warum sagt man das dann nicht? Oberkritisch betrachtet ist das doch alles nur Bla-Bla, inhaltsfreie Worthülsen, unter denen sich jeder etwas anderes vorstellen kann und bei denen der Phanstasie Tür und Tor geöffnet wird.

Im Vergleich zu den Daten bei Hoffmanns Amtsantritt entwickeln sich fast alle Zahlen nach oben. „Damals hatten wir einen Umsatz von 63 Millionen Euro“, erinnert sich Hoffmann. Seither wurden die Einnahmen in allen relevanten Bereichen, zum Teil sehr deutlich, gesteigert. Wirtschaftlich liegt der HSV somit schon dort, wohin er sportlich noch möchte: unter den Top 20 in Europa. (Die Welt vom 12.09.2007)

Die Ansage von Ex-Vorstandsboss Bernd Hoffmann war deutlich, man wolle zuerst finanziell, dann sportlich unter die Top 20 in Europa. Am Ende des Weges stand man auf Platz 13, eine Platzierung, von der der HSV 2015 nicht mal mehr ansatzweise träumen kann, heutzutage ist der Abstiegskampf ein ständiger Begleiter.

Dennoch – die Mitglieder haben ja nicht umsonst am 25.05.2014 für das Konzept HSVPLUS und die Ausgliederung der Profi-Abteilung gestimmt, oder? Offenkundig wollten ja fast alle, dass sich etwas ändert und zu dieser Änderung gehört halt auch eine realistische Perspektive, ein Ziel und vor allem eine Vision, wie man dieses Ziel erreichen möchte. Das alles fehlt mir im Monat 11 nach „Didi’s“ Thronbesteigung immer noch und irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass da noch was kommt.

Aber drehen wir die Geschichte doch einfach mal um und spielen ein wenig mit den Namen. Mal angenommen, der neue Vorstandsvorsitzende der HSV Fußball-AG hieße nicht Dietmar Beiersdorfer und dieser hätte auch keinen angeblichen Wundermann Bernhard Peters aus Hoffenheim an die Elbe gelotst. Nehmen wir außerdem an, der Vorsitzende des Aufsichtsrats hieße nicht Karl Gernandt, sondern Peter Müller und wäre nicht Verwaltungsratsvorsitzender bei Kühne&Nagel, sondern Inhaber einer PR-Agentur oder Besitzer einer Restaurantkette. Den Vorstand führt Herbert Schmidt, ehemals Geschäftsführer bei XY, Nachwuchsleiter wäre weiterhin Michael Schröder. Ansonsten ist alles so, wie es ist. Der HSV hat für knapp € 35 Mio. neue Spieler verpflichtet, hat – bis auf Kühne zu dessen Konditionen – keinen Partner gefunden, dümpelt sportlich von einer Krise in die nächste.

Was würden die bewegten HSVPLUS-Dschihadisten dann sagen? Würden sie ebenso von Geduld labern, würden sie jeden, der mit dieser Situation nicht glücklich ist, ebenso niederknüppeln, wie sie es seit 10 Monaten tun? 

Mitnichten würden sie. Was bedeutet dies also? Nun, es bedeutet, dass eine nicht vorhandene Entwicklung, eine weitere Verschuldung, das verpassen von finanziellen, strukturellen und besonders sportlichen Zielen einzig und allein deshalb geduldet werden, weil die handelnden Personen eben so heißen, wie sie heißen. Punkt.

Beiersdorfer wird unfassbare Kompetenz nachgesagt, dabei hat er in den letzten 10 Monaten mehr als einmal bewiesen, dass er den Konflikt scheut, dass er bei Transfers deutlich danebenliegen kann und besonders, dass er keine Visionen hat.

Gernandt wird Seriosität und der allumfassende Plan nachgesagt, dabei hat er in den letzten 10 Monaten mehr dummes Zeug erzählt, als viele seiner Vorgänger.

Bernhard Peters malt im stillen Kämmerlein ein Konzept nach dem anderen, aber aufgrund der Tatsache, dass seine Arbeit doch erst in 3 bis 14 Jahren zu beurteilen sein wird, kann er machen, was er will.

Eben dieser Aufschub, dieses Verweisen auf die Erfolge, die man eventuell in den Jahren 2019 – 2025 erkennen kann, hält diese Vereinsspitze am Leben. Nur deshalb ist es ihnen möglich, fern jeglicher (medialer) Kritik werkeln zu können, ohne dass sie auch nur irgendein konkretes Ziel formuliert haben. Dabei geht es in keinster Weise darum, irgendwelche Meisterschaften oder Pokale zu versprechen. Aber irgendwie ein wenig mehr als „stolz sein“ oder „systematische Neuausrichtung“ könnte es doch schon sein, wobei die Absicht natürlich erkennbar ist.

Wer kein Ziel anpeilt, kann kein Ziel verpassen.