Dunkel kann ich mich erinnern, ganz dunkel. Es ist noch gar nicht so lange her, da schwadronierte man im Volkspark von Begriffen wie „Demut“, „Zusammenhalt“, „gemeinsames Miteinander“, anstatt Grabenkämpfe von Maulwürfen. Endlich sollten die Zeiten von angeblich kalten Machtmenschen wie Bernd Hoffmann oder inkompetenten Kommunalpolitikern wie Carl-Edgar Jarchow vorbei sein, der Einzug der Exzellenzen ließ nur das Beste hoffen. Als Spitze der emotionalisierten Nahrungskette dann noch Gefühls-Didi, der während seiner ersten Pressekonferenz in der Arena Tränen der Rührung verdrückte, weil man ihm die großartige Chance gab, zu seiner großen Liebe zurückkehren zu dürfen. Heute hat man eher den Eindruck, die Tränen wurden deshalb verdrückt, weil sich der Ex-Dukaten-Didi bis zu dem Tag nicht mehr hätte vorstellen können, jemals wieder soviel Geld wie als Vorstandsvorsitzender des HSV verdienen zu können.

Was waren sie alle glücklich im Juli 2014. All die ausgezehrten HSV-Fans, die all die Jahre darben und zusehen mussten, wie sich ihr HSV eigenhändig zerfleischte. Nun aber sollte alles anderes werden, die neue Menschlichkeit kam mit dem Möbelwagen aus St. Petersburg und aus Zürich und würde man es nicht besser wissen, könnte man meinen, dass sich spätestens seit August in der Arena bereits vor dem Frühstück Dauer-umarmt wird.

Ich kann mich auch noch an eine Aussage vom „Direktor Profifußball“, Peter Knäebel, erinnern, welche er während meines Interviews tätigte. Auf die Frage, wie denn sichergestellt wird, dass der Kontakt zu den verliehenen Spielern aufrecht erhalten bleibt, antwortete Knäbel:

„In erster Linie ist es erst mal gut, dass die Spieler überhaupt etwas vom HSV hören. In Kontakt zu bleiben heißt, Interesse zu spüren, Wertschätzung zu erfahren. Man muss Spieler nicht ausleihen, wenn man sich am Ende nicht mehr für sie interessiert. Kümmert man sich nicht, verliert man eventuell nicht nur einen guten Spieler, sondern auch viel Geld. Insofern ist es für mich zwingend notwendig, das zu tun. Sichergestellt wird es auf der einen Seite über die Scouting-Abteilung, über die wir auch die Berichte über unsere verliehenen Spieler bekommen. Natürlich gucken wir auch außerhalb, aber auf der Scouting-Liste steht in dem Fall auch ein eigener Spieler wie Jonathan. Gestern habe ich mich mit seinem Berater, Christian Nerlinger, getroffen und ich werde den Spieler persönlich in Düsseldorf besuchen und nicht gerade, wenn er zufällig gegen St. Pauli in Hamburg spielt. Echtes Interesse heißt für mich auch: Flugkilometer machen, Autokilometer machen, mit den Jungs hinsetzen, Zeit verbringen.

Das klang doch mal gut, oder? Ein verliehener Spieler sollte nicht mehr als abgeschobenes Kapital, sondern als Investition für die Zukunft oder noch besser, als Mensch behandelt werden. Umso erschütternder war ich nun gestern, als durch verschiedene Medien folgende Aussage von Kerem Demirbay geisterte:

„Er (Beiersdorfer) hat mir damals viel Erfolg, Gesundheit und eine tolle Saison gewünscht. Das war wirklich sehr nett“, erinnert sich Demirbay an die SMS, um einschränkend hinzuzufügen: „Aber seither hatte ich keinen Kontakt mehr. Wenn, dann wurde mit meinem Berater gesprochen. Ich würde mich natürlich freuen, wenn sich die Verantwortlichen aus Hamburg bei mir melden. Klar!

Meine Güte, das kann sich doch nur um einen Witz oder einen Kommunikationsfehler handeln, oder? Der Spieler wird in die 2. Liga verliehen, bekommt zum Abschied eine launige sms und dann nichts mehr? Was ist aus den Flugkilometern geworden, Herr Knäbel? Was ist daraus geworden, dass man sich mit den Jungs „hinsetzen“ wollte? Und vor allem: Warum fällt maximal der Name Beiersdorfer als sms-Absender, der Name Knäbel fällt aber nie. Er fällt nicht, wenn es um Transfers geht (Olic: „Da hat Didi Druck gemacht“), er fällt nicht, wenn es um verliehene Spieler geht. Und jetzt soll mir doch bitte niemand erzählen, dafür hätte man keine Zeit.

Der Hamburger Sportverein hat zur Zeit insgesamt 4 Spieler an andere Vereine verliehen.

Kerem Demirbay (21) an den 1. FC Kaiserslautern (Vertrag bis 2017)

Jacques Zoua (23) an Suat Altin Insaat Kayseri Erciyesspor (Vertrag bis 2016)

Lasse Sobiech (24) an den FC St. Pauli (Vertrag bis 2016)

Jonathan Tah (19) an Fortuna Düsseldorf (Vertrag bis 2018)

4 verliehene Spieler, die zusammen einen aktuellen Marktwert von zusammen knapp € 8 Mio. und es ist nicht möglich, einen einigermaßen regelmäßigen Kontakt zu diesen 4 Spielern zu halten? Soll das ein schlechter Witz sein? 

Aber halt, zu den jeweiligen Beratern wird ja Kontakt gehalten, wenn man den Aussagen der Spieler glauben darf. Schade nur, dass allgemein bekannt ist, dass eben diese Berater immer nur dann auf der Bildfläche erscheinen, wenn es um Verträge geht, dem HSV scheint das allerdings zu reichen.

Außerdem werden Spieler natürlich intensiv gescoutet, was für ein Wahnsinn. Da sitzen dann also HSV-Scouts im Stadion, beobachten den Spieler, der dem Verein gehört, aber für ein Gespräch nach dem Spiel ist keine Zeit mehr? Ich breche zusammen.

Ich weiß, was jetzt wieder kommen wird. Für einige HSV-Plus-Dschihadisten ist das alles vollkommen normal und absolut in Ordnung. Ihr eigener Chef spricht auch nicht mit ihnen, die Herren sind ja alt genug, um selbst den Kontakt zum Heimatverein zu suchen und und und. Aber wehe, sowas wäre unter der Regierung Hoffmann an die Öffentlichkeit gelangt, dann wäre die gleichen Weichspüler Amok gelaufen.

Auf mich wirkt das wie eine Großmutter, die sich zwar bei den Eltern nach ihren Enkeln erkundigt, aber mit den Enkeln selbst nicht spricht. Oder noch schlimmer, wie emotional-verkrüppelte Eltern, die zwar auf die Meinung der verhassten Nachbarn Wert legen, ihr eigenes Kind aber ignorieren.

Hatte man gehofft, dass mit der Inthronisierung Beiersdorfers alles besser wird, hat man sich offenkundig nicht nur im sportlichen und finanziellen Bereich, sondern auch im zwischenmenschlichen Bereich geirrt. Und soll mir doch bitte niemand mit dem Argument kommen, für die 4 Spieler hätte man keine Zeit, weil man doch in Hamburg so viel zu tun hätte. Lächerlich³