Liebe Leser,

wie jeden Tag bzw. Abend davor beschäftige ich mich mit dem Gedanken, mit der Idee, was man schreiben könnte. Was man über einen Verein schreiben könnte, über den scheinbar bereits alles geschrieben ist. Könnte man denken, ist aber nicht so. Die Frage ist dann nur: Sollte man das, was man weiß, überhaupt schreiben? Sollte man die (zu Recht) frustrierten, geschwächten, mutlosen Fans noch weiter nach unten ziehen, welchen Sinn hätte dies? Auf der anderen Seite ist Profi-Fußball kein Kindergeburtstag und wer sich dafür interessiert, muss zwangsläufig mit den Realitäten leben. Der Umstand, dass viele dies eben nicht können, zeigen zahlreiche Reaktionen hier, aber auch auf verschiedenen Facebook-Seiten, auf denen u.a. mir gedroht wird, wo man bepöbelt wird, wo man aufgefordert wird, doch mal „für positive Stimmung zu sorgen“.

Ich möchte den heutigen Tag und auch die Länderspielpause, in der nicht viel über den HSV zu berichten ist, nutzen, um ein wenig Einblick zu gewähren. Einen Einblick, der eventuell ein wenig deutlicher macht, wie ich zu dem komme, worüber ich schreibe. Wer daran nicht interessiert ist, möge bitte ab hier abschalten, ich könnte es verstehen.

Ich beschäftige mit seit ca. 40 Jahren mit diesem Verein und ich denke, ich habe wahrscheinlich (bis auf einen Abstieg) alles mitgemacht, was man als Anhänger eines Vereins mitmachen kann. Ich stand frierend in der Westkurve, ich war Zeuge von Massenschlägereien kurz vor der S-Bahn-Unterführung, ich habe mich im Stockdunklen durch den Wald getastet, um Parkplatz Braun zu finden. Das alles zeichnet mich nicht aus, es ist einfach so. Damals allerdings habe ich mich nur mit dem Fußball beschäftigt. Ich wusste, welche Spieler auf dem Platz stehen, wie der Trainer und der nächste Gegner heißt. Ich habe bei Siegen gejubelt und war nach Niederlagen frustriert. Aber eben immer nur bis zum nächsten Spieltag frustriert, weil – dann kam die neue Chance. Vielleicht wusste ich gerade noch, wer Präsident war, eventuelle Aufsichtsräte kannte ich nicht.

Irgendwann vor ca. 3 Jahren beging ich dann einen Fehler, ich fing an, mich mit dem Verein und nicht mehr nur mit dem Fußball und der Mannschaft zu beschäftigen. Ich erhielt nach und nach mehr Einblicke in Vereinspolitik und je populärer dieser Blog wurde, umso mehr Verantwortliche kamen auf mich zu, um mit mir zu reden. Natürlich weiß ich, dass sie das nicht taten, weil ich ein so unglaublich netter Mensch bin oder so fabelhaft aussehe, nein, sie wollten ihre „Botschaften“ platzieren. Sie wollten, dass ich „mehr“ weiß. Natürlich durfte ich nie einen Namen nennen, diese Gespräche nennt man dann „Hintergrundgespräche“ und ihr könnt es mir glauben oder nicht – bis heute habe ich mit fast jedem ehemaligen oder auch aktuellen Würdenträger des Vereins solche „Hintergrundgespräche“ führen „dürfen“.

Das, was ich aus diesen Gesprächen gelernt habe, habe ich versucht, teilweise verschlüsselt, teilweise gar nicht in den Blog einzubauen, wenn ich denn der Meinung war, dass es berichtenswert sei. Heute würde ich vermuten, dass ich ca. 80% der Dinge, die mir zugetragen wurden, nicht geschrieben habe, das macht es aber nicht besser, weil ich eben um diese Dinge weiß!

Das führt mich zum ersten Dilemma. Wie entscheide ich, was ich schreibe und was nicht? Wenn ich „dies“ schreibe, schade ich eventuell einer Person. Wenn ich „das“ unterlasse, schütze ich eine andere. Ich habe eigentlich immer versucht, mich nie mit einer Gruppe oder einer Tendenz gemein zu machen, es ist mir leider nicht gelungen. So habe ich mich, aus Überzeugung, zu einem Teil der Mitgliederbewegung HSVPLUS machen lassen, eine Sache, die ich aus heutiger Sicht bereue. Ich bereue sie nicht, weil ich das Konzept nicht mehr unterstütze, das Konzept finde ich nach wie vor alternativlos. Ich bereue es, weil ich mit meiner Unterstützung für dieses Projekt den falschen Leuten zu Macht verholfen habe und in ca. 90% der Fälle geht es in diesem Verein um genau das – um Macht.

Eine weitere Erkenntnis aus meiner Arbeit für diesen Blog: Die vermeintlich „Guten“ sind nicht nur gut und die vermeintlich „Bösen“ sind nicht nur böse. Das Problem im Profifußball 2015 ist meiner Auffassung nach das Geld. Heutzutage ist so unfassbar viel Geld im Spiel, wenn es um einen Bundesliga-Verein geht, hier existiert kein Platz mehr für Romantik, Tradition und Ehrgefühl. Dies sind Empfindungen, die sich Fans und Auswärtsfahrer gönnen können, aber sobald man mit dem inneren Verein zu tun hat, geht das nicht mehr.

Mal ein kleines Beispiel, ohne Namen zu nennen. Ein Berater hat Spieler X unter Vertrag, ein hoffnungsvolles Talent. Dieser Spieler wird von einem finanzstarken Verein umworben, der Spieler möchte wechseln. Am Ende kommt der Transfer zustande und der Berater, der im Grunde nur diesen einen Spieler unter Vertrag hat, kassiert auf einen Schlag eine Provision in Millionenhöhe. Zwei von diesen Deals und der Mann hat mit Ende 30 für alle Zeiten ausgesorgt. Kann man sich jetzt vorstellen, dass dieser Berater nahezu alle Hebel in Bewegung setzt, um zum Ziel zu kommen? Kann man sich vorstellen, dass dort Gelder an Personen fließen, die eigentlich nicht kassieren dürften, die aber einen solchen Transfer maßgeblich beeinflussen können? Ich kann euch versichern, diese Praktiken geschehen täglich und sie geschehen nicht nur beim HSV. Wo viel Geld ist, wo viel Geld schnell verdient werden kann, ist für Romantik kein Platz.

Ein anderes kleines Beispiel. Viele Fans denken, an den Schaltstellen der Macht, sei es nun in Aufsichtsräten oder Vorständen, sitzen Atom-Experten, die jede ihrer Entscheidungen von messbaren Parametern abhängig machen, die Entscheidungen von Finanz-Experten, Sport-Wissenschaftlern etc. bewerten lassen und abhängig machen. Lachpille, Freunde. Ich weiß von Entscheidungen in mehrfacher Millionenhöhe, die beim Pinkel auf dem Stadionklo getroffen wurden, ich weiß, dass Spieler für zig-Millionen geholt wurden, obwohl man sie nie gesehen hatte. Aber da hat dann ein Berater oder ein Journalist gesagt, dass der doch vielleicht…und außerdem könnte man da und dort noch ein wenig verdienen….

Dies alles wissen die „normalen“ Fans nicht und es ist gut, dass sie es nicht wissen. Allerdings gibt es eine kleine Gruppe von Anhängern, die der Meinung sind, dass sie sich auf dem gleichen Wissensstand befinden, wie diejenigen, die all diese Gespräche führen. Einen Dreck wisst ihr, ihr Großmäuler. Ihr zieht eure Information aus dem, was ihr in der Presse lest, um anschließend die Quelle eurer Erkenntnis zu verdammen. Ihr kritisiert Meldungen, die euch nicht passen, obwohl ihr einen Scheiß wisst, was und wer tatsächlich dahintersteckt. Aber da ihr ja 26 Stunden am Tag online seid, bei Facebook etc. lebt und in 26 verschiedenen Foren euren Mist absondert, seit ihr selbst alles kleine Experten. Sicher doch.

Ich habe mittlerweile aufgehört, mich mit solchen Subjekten auseinander zu setzen, es bringt einfach nichts. Man kann einem Klugscheißer nicht erklären, dass er nicht klugscheißen soll, aber dann soll er woanders scheißen.

Vielleicht doch noch ein Schritt zur Aktualität. Gestern wurde bekannt, dass sich der HSV um Peter Hermann als Co-Trainer für Peter Käbel bemühen würde. Na schön, denke ich mittlerweile, sollen sie. Der nächste „Hoffnungsträger“, den dieser Verein zerreiben wird. Das Gleiche gilt für einen Thomas Tuchel, sollte er denn im Falle des Klassenerhalts kommen.

Was geschieht dann mit Tuchel? Oder anders gefragt: Was geschah mit Doll? Mit Fink? Mit van Marwijk? Mit Veh und Slomka? Sie alle kamen, wie auch ihre Vorgänger und ihre Nachfolger, mit riesigen Vorschusslorbeeren und noch größeren Hoffnungen. Jeder von ihnen dachte, dass er es wäre, der den Dino auf den rechten Weg führen könnte. Und heute? Heute ist es dann eben Tuchel und dann wird es Weinzierl sein und anschließend Schmidt.

Eine Erkenntnis, die ich aus nahezu alle meinen Gesprächen ziehen konnte, ist die Tatsache (nicht die Vermutung), dass sich der Verein (und wahrscheinlich fast alle Vereine) im Würgegriff des Boulevards und besonders eines bestimmten Mediums befindet. Hier wird mit Mittel operiert, die den Straftatbestand der Erpressung mehrfach erfüllt und es ist den Herren dieses Blattes scheißegal.

Mehrfach hörte ich den Satz „Wenn sie uns nichts sagen wollen, wir können auch anders…“, der einem Verantwortlichen beim HSV ins Gesicht gesagt wurde. Viele knicken dann ein, weil sie um ihre persönliche Reputation besorgt sind, kaum einer hat den Mut, dem zu widerstehen. Ich kann die Menschen verstehen, vielleicht würde ich nicht anders agieren.

Aus heutiger Sicht stelle ich mir die Frage, die sich täglich mehr Anhänger des HSV stellen: Sollte man den Trend, der Richtung 2. Liga zeigt, eigentlich mit aller Kraft aufhalten? Wäre es nicht vielleicht wünschenswert, dass dieser Verein endlich einmal mit voller Wucht gegen die Wand kracht, um auch die letzten Augen zu öffnen? Wäre ein mehrjähriger Reinigungsprozess nicht vielleicht die einzige Chance, diesem Verein die dringend benötigte neue Identität zu verpassen?

Denn was passiert denn, wenn der HSV im Mai die Klasse gehalten haben sollte? Es werden einige Verträge (van der Vaart, Jansen, Ilicevic, Rajkovic, Kacar etc.) nicht verlängert, es kommen ein paar neue Jungs und mit Sicherheit ein neuer Trainer. Und dann? Dann geht das Elend von vorn los. Vielleicht wird der HSV mal 9., wahrscheinlich wird er eher 12. oder 14. Noch wahrscheinlicher ist allerdings der nächste Abstiegskampf, die nächste Trainer-Entlassung, der nächste „höchste Schuldenstand aller Zeiten“. Will ich das? Ein HSV, der sich irgendwann mal wieder mit Bayern, Dortmund oder Wolfsburg messen kann, existiert nicht mehr in meiner Phantasie.

Damit man mich nicht falsch versteht – diese Erkenntnisse sind nicht aus Frustration, Verbitterung oder Ähnlichem erwachsen und ich weine mich auch nicht in den Schlaf, weil man mir eine zuvor versprochene Akkreditierung vorenthielt, im Gegenteil. Diese Erkenntnisse entsprechen (leider) der Wahrheit und ich kann euch versichern, dass ihr besser dran seid, wenn ihr all das nicht wisst. Deshalb auch grundsätzlich mein Rat:

Geht zum Fußball. Freut auch an Siegen, ärgert euch über Niederlagen. Aber lasst den Verein nicht zu eng an euch heran. Ihr verbrennt dabei.

Dennoch werde ich diesen Blog weiterschreiben und wenn es etwas Positives zu berichten gibt, werde ich der Erste sein, der es verkündet.

Irgendwann werde ich mal ein Buch über meine Zeiten als Blogger schreiben und dann kann es sein, dass ich auch mal ein paar Namen nenne. Zum jetzigen Zeitpunkt jedoch kann sich jeder Gesprächspartner darauf verlassen, dass ich seinen Namen vertraulich behandel, ein Grund, warum man mit mir spricht.