Liebe Leser,

nach der Interview-Offensive der Herren Gernandt und Beiersdorfer vom letzten Wochenende (SKY, BILD, NDR, Abendblatt, N3-Sportclub) wird immer deutlicher bzw. gilt es als erwiesen, dass sich die Führung des Hamburger Sportvereins auf einen Trainer konzentriert hat und das bereits seit längerem.

http://www.ndr.de/sport/fussball/HSV-Tuchel-Gernandt-Interview,hsv14356.html

So soll der Ex-Mainzer Thomas Tuchel den hinkenden Dino aus dem Jammertal führen, auch dies wurde an dieser Stelle bereits vor Monaten geschrieben. Damals hieß es jedoch, man wolle nur „Unruhe in den Verein“ bringen, man „verbreite Gerüchte“, man solle doch mal „Ross und Reiter nennen“

Nun gilt Tuchel als die deutsche Trainerhoffnung der näheren Zukunft und auch ich denke, dass der Mann etwas Besonderes ist. Von zu vielen unabhängig voneinander argumentierenden Stellen wurde mir bestätigt, dass man im Grunde jeden Preis zahlen solle, um den Schwaben nach Hamburg zu locken. Angeblich hätte Vereine wie Bayern und Dortmund ihr Interesse beim Berater Tuchels hinterlegt, sollte sich bei ihnen in näherer Zukunft die Trainerfrage stellen, aus dem Ausland (England, Spanien) hört man Ähnliches. Insofern könnte man es durchaus als Coup bezeichnen, wenn das Vorhaben gelingen sollte.

Was jedoch kein Coup ist, was eher einem erneuten kommunikativen Armageddon gleicht, ist die mediale Vorgehensweise, die die Herren wieder einmal an den Tag legen. Während „Didi“ noch einigermaßen verhalten auf Tuchel hinweist, agiert sein Chef-Kontrolleur (natürlich nicht im Print, eine Kamera sollte es für Herrn Gernandt schon sein) wie ein medialer Amokläufer, der an dieser Stelle seine Kompetenzen ein weiteres Mal deutlich überzieht. Karl Gernandt ist Aufsichtsratsvorsitzender der AG und in dieser Funktion hat er sich öffentlich über Themen wie Trainer, Spieler, Tabelle etc. überhaupt nicht zu äußern, dies obliegt einzig und allein den Personen, die ER für das operative Geschäft eingestellt und überaus gut bezahlt hat.

Betrachtet man jedoch die Äußerungen der beiden Herren im Detail, so stellen sich Fragen, deren Beantwortung den Exzellenzen am Ende der Saison ausgesprochen schwer fallen wird, unabhängig davon, wie die Saison endet.

Der Trainer

Immer deutlicher wird  – diese Saison war als Übergangssaison angedacht, die einzige Erwartung, die man von Seiten der Vereinsspitze hatte, war, dass man nicht absteigen wollte. Vor diesem Hintergrund war auch ein Mirko Slomka nur noch für die Saison 2014/15 geplant, ab 01.07.2015 sollte es eh Tuchel werden. Dass man nun Slomka nach nur drei Spielen vor die Tür setzte und ihm eine Millionen-Abfindung bezahlen muss, zeigt, dass man dem Herrn mit den grauen Haaren nicht mal das Minimal-Ziel Klassenerhalt zutraute. Aber bereits nach Slomkas Entlassung war man sich mit einem anderen Trainer einig, dieser Herr sprang jedoch völlig überraschend am Vormittag des 16.09.2014 trotz Zusage ab und in einer Nacht- und Nebelaktion musste es dann Joe Zinnbauer machen, einfach deshalb, weil man keinen anderen hatte. Bestimmten Aussagen zufolge soll es sich bei dem Trainer, der plötzlich nicht mehr wollte, um Thomas Tuchel gehandelt haben.

Hier aber die erste Frage:

Wenn ich weiß, dass Zinnbauer doch nur die eine Saison machen und dann bestensfalls zur U23 zurückkehren soll, warum statte ich den Mann dann mit einem Vertrag für einen Bundesliga-Trainer (€ 70.000 pro Monat statt vorher € 10.000 im Monat) aus? Zinnbauer hatte einen gültigen Vertrag bis 2016 und wollte laut eigener Aussage gar nicht um einen besser dotierten Vertrag pokern. Warum wird auch an dieser Stelle erneut Geld verbrannt, welches der Verein nicht hat?

Die Mannschaft

Vielleicht sind Lizenzspieler keine Raketen-Wissenschaftler, aber ein Gespür für Situationen besitzen sie. Jeder Spieler im Team wusste frühzeitig, dass Joe Zinnbauer ein Trainer auf Abruf war. Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass mal als Profi-Fußballer Millionen kassiert und dadurch quasi verpflichtet ist, immer sein Bestes zu geben, aber die Realität sieht anders aus. Man stellt gestandenen Nationalspielern wie van der Vaart, Adler, Jansen, Behrami, Westermann, Djourou und Co. einen unerfahrenen U23-Trainer vor die Nase, von dem sie wissen, dass er bestensfalls bis Saisonende arbeiten darf und dann erwartet man, dass sich diese Spieler zerreißen? Besonders die Spieler, die wissen, dass am Saison-Ende ihre Verträge auslaufen? So läuft das nicht und das sieht man heute. Hinzu kommt, dass auch die Spieler wussten, dass diese Saison einzig und allein als Übergangs-Saison mit dem Ziel Klassenerhalt geplant war. Wie will man da erwarten, dass sich die Spieler von sich aus höhere Ziele setzen?

Die Zuschauer und Fans

Groß war die Begeisterung, als „Didi“ den Thron bestieg. Jetzt wird alles wieder gut, der Dino wird im neuen Glanz erstrahlen. Dazu noch ein Sack voller Exzellenzen und Direktoren, ca. € 35 Mio. in die Mannschaft investiert, ab geht’s. Betrachtet man jetzt, dass man diese ca. € 35 Mio (ohne Holtby) in eine Mannschaft investierte, in der bereits Spieler wie Adler, Drobny, Jansen, Westermann, Kacar, Diekmeier, Rajkovic, Jiracek, Beister und Rudnevs vorhanden waren, kann man doch nicht ernsthaft vom Ziel „Klassenerhalt“ reden. Diese Truppe kostet den Verein bummelige € 54 Mio pro Saison an Gehalt und soll die Klasse halten? Wenn man jetzt weiter denkt und beachtet, dass es Menschen gibt, die für eine Loge € 100.000, für einen Business-Seat € 3.500 und für eine Dauerkarte € 800 ausgeben, dann ist das Ziel Klassenerhalt unter diesen finanziellen Voraussetzungen im Grunde Betrug am Kunden, von den gebotenen spielerischen Darbietungen einmal ganz zu schweigen.

Ziele und Vorgaben

Normalerweise formuliert man als Chef, Vorstand, Geschäftsführer oder was auch immer ein realistisches Ziel, erstellt dann einen Plan, wie man dieses Ziel bestenfalls erreichen möchte.  Dies alles möglichst strukturiert, leise und exakt. All dies hatte man sich von der neuen Vereinsführung erhofft, die Realität sieht in der Tat anders aus. Beim HSV herrscht immer noch aktiver Aktionismus und „Didi“ kann gern erklären, was ihm „auf den Keks“ geht, er und seine Mitstreiter handeln immer noch fremdbestimmt.

Wir haben auch deshalb unsere Probleme, weil hier über Jahre viel zu sehr auf die Außendarstellung geachtet wurde und weniger auf überzeugende Inhalte. Ob den Journalisten denn auch gefällt, wenn wir mit dem einen Spieler weitermachen oder eben nicht.

Heiße Luft und Bahlsen-Kekse. Allein die Transfers von Lasogga und Olic zeigen deutlich, dass es eben nicht nur auf Inhalte ankommt, sondern darum, was man am bestens verkaufen kann.

Fazit: Diese Saison wurde trotz der größten finanziellen Anstrengung und dem teuersten Kader in der Vereinsgeschichte bereits am Anfang abgeschenkt und wenn es in die Hose gehen sollte, möchte ich nicht in „Didi’s“ Haut stecken.