Nein, damit man mich nicht von Anfang an falsch versteht (und einige machen sich einen regelrechten Sport daraus) – der Abstieg aus der Fußball-Bundesliga (bestensfalls in Liga 2), würde den Hamburger Sportverein weit mehr kosten als läppische € 14,5 Mio. Nur noch € 5 Mio. (statt € 25 Mio) an TV-Geldern, sinkende Eintrittspreise, Logen-Preise, Preise für Business-Seats. Abspringende Sponsoren (Emirates hatte klar geäußert, dass zweite Liga nicht vorstellbar ist). Dazu Spieler, die man sich im Unterhaus nicht mehr leisten kann und die deshalb für den Bruchteil ihres Wertes veräußert werden müssten. Vorstände und Direktoren mit langfristigen und hochdotierten Verträgen, die nicht mehr finanzierbar wären und deshalb abgefunden werden müssten. Keine 50.000 Zuschauer mehr bei Heimspielen, sondern vielleicht noch 26.000 gegen Sandhausen.

Dies ist beileibe kein künstlich erzeugtes Horror-Szenario, das ist die blanke Wahrheit, eine Wahrheit, die bei dem einen oder anderen Spieler noch nicht angekommen zu sein scheint. Aber auch den Verantwortlichen, Granden und Exzellenzen schimmert scheinbar erst nach der neusten sportlichen Bankrott-Erklärung, was das Stündchen geschlagen hat. Anders jedenfalls sind Äußerungen wie die von Verbrennungs-Didi nach dem Spiel gegen Leverkusen nicht zu erklären. Noch vor einer Woche wollte der Vorstandsvorsitzende das Wort „Abstieg“ nicht in den Mund nehmen, nur 7 Tage und 90 Minuten später klingt die pure Panik aus den Worten dessen, mit seinen Transfers und seiner zögerlichen Haltung im Fall Zinnbauer eine Hauptschuld an der Misere trägt.

Aber im Grunde genommen begann das Desaster schon viel früher und auch hieran trägt Beiersdorfer eine gehörige Portion Mitschuld. An dem Tag, an dem der HSV Hakan Calhanoglu an Bayer 04 Leverkusen verkaufte, verkaufte er einen Teil seiner Erstliga-Berechtigung und ich möchte das an dieser Stelle erklären.

Zuerst einmal, damit bei dem einen oder anderen die Schnappatmung nicht erst einsetzt – die Art und Weise (Krankschreibung), wie sich der überaus mies beratende Türke nach Leverkusen drängelte, war unter aller Sau. Sowas geht nicht und doch sind solche Aktionen heute nicht eben selten. Dennoch: Auch zu diesem Zeitpunkt hatte der HSV das Heft noch in der Hand, der Spieler hatte einen gültigen Arbeitsvertrag bis zum 30.06.2018.

Ein Beispiel: Was machten die Leverkusener, als sich der HSV für Josip Drmic interessierte? Sie teilen mit, dass sie den Spieler frühestens dann abgeben würden, wenn sie einen adäquaten Ersatz gefunden hätten. Diesen Ersatz fanden sie nicht, der Spieler blieb in Leverkusen und und steht aktuell bei 6 Toren und einer Vorlage.

Der HSV aber ließ Hakan10 gehen und meinte, so schlau zu sein und dem Spieler die Gesamtschuld in die Schuhe schieben zu können. Leider vergaß man zu berichten, dass der HSV selbst den Spieler bei den Bayern angeboten hatte, nach einer kurzen Phase des Nachdenkens jedoch eine Absage erhielt. Anschließend wurde der Spieler über seinen Berater bei Bayer 04 Leverkusen angeboten, der HSV brauchte Geld für die Lizenz. Als dann jedoch überraschenderweise frisches Geld (Kühne) eintrudelte, wollte man von den Angeboten nichts mehr wissen, aber zu dem Zeitpunkt hatte sich der Spieler gedanklich bereits aus Hamburg verabschiedet.

Trotzdem: Auch  hier hatte man immer noch zwei Möglichkeiten.

1. Man teilt dem Spieler und seinem Berater unmissverständlich mit, dass man ihn nicht abgeben würde. Punkt. Calhanoglu hätte geschmollt, sein Berater hätte sich (zu Recht) beschwert. Anschließend hätte der Spieler noch eine Saison in Hamburg gespielt und der HSV hätte Zeit genug gehabt, sich um  einen adäquaten Ersatz zu bemühen.

2. Man gibt den Spieler ab, hat aber einen vergleichbaren Spieler in der Hinterhand, bestenfalls im eigenen Kader bzw. Nachwuchs. Beides hatte der HSV nicht und heute wundert man sich, warum man mit 16 geschossenen Toren gegen den Abstieg kämpft.

Man erinnere sich: Allein der Umstand, dass der HSV mit gerade mal 27 Punkten in der letzten Saison die Klasse halten konnte, war eigentlich ein Skandal. Mit 11 geschossenen Toren und 6 Assists hatte Hakan Calhanoglu in seiner ersten Profi-Saison einen maßgeblichen Anteil daran, dass dieses Wunder überhaupt möglich war, denn ein 20-Jähriger sorgte damals für das, woran es dem HSV heute an allen Ecken und Enden fehlt.

Ständige Gefahr bei Standards

Präzise Pässe ins letzte 1/3

Überraschungsmomente

Torgefahr aus dem Mittelfeld

All das brachte Calhanoglu ins Spiel und all das hat der HSV in der Saison 2014/15 nicht. Deshalb 16 erzielte Treffer, deshalb NULL Gefahr bei Standards, deshalb keine exakten Anspiele in die Spitze, deshalb verhungerte Stürmer.

Aktuell sitzen in den Führungsgremien des Hamburger Sportvereins diverse selbsternannte Experten, Analysten, Taktiker vor dem Herren. Warum konnten diese Herren nicht erkennen, dass man mit dem Verkauf von Hakan Calhanoglu seine sportliche Seele verkaufte und warum verpflichtete man keinen Ersatz?

Natürlich ist es nicht möglich, einen Spieler von Calhanoglu’s Klasse so einfach 1:1 zu ersetzen, aber ich kann ihn überhaupt nicht ersetzen, wenn ich statt seiner einen Stieber aus der 2. Liga und einen Sprinter Müller aus Mainz hole. Beide Spieler verkörpern auch nicht annähernd das, was Hakan auszeichnete. Bayern München verkauft Mandzukic und holt Lewandowski und nicht Hummels. Der HSV verkaufte seine wirkungsvollste Waffe und verpennte es, sich um einen Ersatz zu kümmern, ein folgenschwerer Fehler des Dietmar B.

So gesehen könnte man behaupten, dass der Dino seine Erstliga-Zugehörigkeit für lächerliche € 14,5 Mio. (Ablöse für Calhanoglu) geopfert, zumindest aber massiv riskiert hat. 

Seit Monaten erfreuen sich sogenannte „Fans“ mit einem Alkohol-Blutwert von 2,7 Promille und dem IQ einer Teppichbürste daran, „Alle auf die 10“ zu grölen, herzlichen Glückwunsch. Ohne „die 10“ wäre der HSV bereits in dieser Saison in der 2. Liga gelandet. Wie wäre es denn demnächst mal mit „Alle auf das B“?, denn Herr Beiersdorfer verschleuderte ca. € 35 Mio. und erklärt jetzt, dass diese Spieler früher ja viel besser waren.

Übrigens: Die höchste Form der Demütigung gelang Roger Schmidt, als er die Ex-HSVer Heung-Min Son und Hakan Calhanoglu im Spiel gegen den HSV gar nicht erst aufstellte. Das Zeichen lautete: „Seht her, wir brauchen eure Ex-Spieler gar nicht, um euch vor zu führen“.

Fröhliche Ostern.

P.S. Im Übrigen haben Herren wie Hunke, Ertel, Jarchow etc. mit der aktuellen sportlichen Performance so gut wie nichts mehr zu tun. Nochmal zum mitschreiben: Am Ende des Spiels gegen Leverkusen standen 7 Spieler (plus Lasogga und Djourou) auf dem Platz, die von Beiersdorfer geholt wurden und unglücklicherweise schießen weder Strukturen noch Exzellenzen die Tore.