April 2015, es liegt so etwas wie Resignation, sowas wie Gleichgültigkeit in der Luft. Wie Mehltau hat sich eine Art „Ach leck mich doch-Haltung“ über die Stadt gelegt und ich habe es in vorangegangenen Blogs oft genug betont: Das ist das Schlimmste, was dem Hamburger Sportverein in dieser dramatischen Situation überhaupt nur passieren kann – er ist egal geworden. Kein Zorn mehr, keine Wut, kaum noch aufbäumen, viele Fans haben sich und den Verein einfach nur aufgegeben.

Was aber wie eine plötzliche Erscheinung anmutet, ist ein langwieriger Prozess gewesen, zu dem der Verein wirklich alles beigetragen hat, was ein Verein nur beitragen konnte. Intrigen, Grabenkämpfe, Maulwurfs-Attacken, unsinnigste Personal-Entscheidungen, externe Einflussnahme, mediale Abhängigkeiten, katastrophale Außendarstellung, der HSV hat in den letzten Jahren wirklich keinen Fehler ausgelassen.

Dennoch bin ich der Meinung, dass diese gefühlte Gleichgültigkeit kein plötzlich auftretendes Phänomen darstellt, diese Gleichgültigkeit gab es bereits am Ende der letzten Saison, nur wurde sie damals von verschiedenen Faktoren übertüncht.

Ich behaupte:

Der Kampf der Fans in der letzten Saison war kein Kampf gegen den Abstieg, sondern ein Kampf gegen die alte Führung und damit verbunden für HSVPLUS.

Was war alles im März, April, Mai 2014 versucht worden? Fan-Märsche zum Training, offene Briefe von den Fans an die Mannschaft, Facebook-Gruppen, die zum Zusammenhalt und zur Unterstützung aufriefen. By the way – wo ist eigentlich diese Gruppe geblieben, die vom Chef des Miniatur-Wunderlandes ins Leben gerufen wurde und die sich am Ende damit feierte, dass sie es waren, die die entscheidende Initialzündung geliefert hätten? Warum tauchen die ca. 35.000 Follower dieser Gruppe heute nicht mehr auf?

Ich kann es euch erklären:

Weil es kein Feindbild mehr gibt, an dem man sich abarbeiten kann.

Den Fans war im April 2014 eines klar: Wenn der Abstieg kommt, dann kann man auch alle Umstrukturierungen im Sinne der Initiative HSVPLUS in die Tonne treten, dann ist es zu spät für diese Dinge. Also muss um jeden Preis die Klasse gehalten werden, ansonsten wäre alles umsonst gewesen. Nicht nur, dass es dann keine AG und keine strategischen Partner geben würde, man hätte auch weiterhin den „Rat der Ahnungslosen“ und damit verbunden Menschen wie Manfred Ertel, Jürgen Hunke, Carl Jarchow und Co. an der Backe und das wollten eben die Meisten nicht mehr. Diese Feindbilder waren es, die Anlass zur Aktivität gaben, wie großartig konnte man denn „Ertel raus“, „Hunke raus“ oder „Jarchow raus“ grölen? Kommt heute irgendeiner auf die Idee,  „Didi raus“ zu brüllen? Mitnichten.

Stand heute, 09.04.2015, würde mich wirklich interessieren, was die Wähler geantwortet hätten, hätte man ihnen die Frage nach der tatsächlichen Motivation, für HSVPLUS zu stimmen, gestellt. Folgende Auswahlmöglichkeiten.

– Ich will, dass der Verein modern und zeitgemäß aufgestellt wird, weil ich denke, dass nur so sein Fortbestand in der Bundesliga gewährleistet wird.

– Ich will, dass Didi zurückkommt

– Ich will auf jeden Fall, dass Ertel, Hunke, Jarchow und Co. endlich verschwinden, weil ich die Vereins-Totengräber nicht mehr ertragen kann

– Ich will, dass irgendwas anders wird. Was, ist mir eigentlich egal.

– Ich will HSVPLUS, weil wir sonst absteigen

Ich bin absolut sicher, dass sich keine Mehrheit für Punkt 1 finden würde und exakt das ist das Problem, vor dem der HSV heute steht. Abstiegskampf und der Kampf dagegen ist Emotion und im Fußball resultiert die Emotion extrem häufig aus dem aufgebauten Feindbild.

Beispiel: Viele junge HSV-Fans finden Werder Bremen komplett ätzend, aber im Grunde können sie gar nicht genau erklären, warum eigentlich. Bremen ist der Feind, basta. Das muss als Erklärung reichen.

Dieser interne Feind ist aber unglücklicherweise abhanden gekommen, er existert nicht mehr. Die verzweifelten Versuche, die ehemaligen Machthaber für die Misere verantwortlich machen zu wollen, scheitern an der Tatsache, dass aus der aktuellen Mannschaft 19 Spieler von Herren Beiersdorfer verpflichtet bzw. weiterverpflichtet wurden und „Didi“ ist ja nun über jeden Zweifel erhaben, oder?

Kein Feind – keine Emotion  – kein Aufbäumen gegen den Abstieg. So einfach ist das.

Hinzu kommt, dass die Einzigen, die sich 2014 unabhängig von der Vereinsstruktur gegen den Abstieg gestemmt haben, nicht mehr da sind. Die extremen Jungs der CFHH gingen im Frühjahr auf die Barrikaden und demonstrierten ihren Unmut. So sehr ich Gewalt verurteile und so sehr ich es völlig daneben finde, wenn man mit Zäunen auf Spieler wirft etc., aber diese Emotionen fehlen dem HSV heute und man kann sie nicht künstlich erzeugen.

Wie komplett hilflos der Verein mittlerweile ist, zeigen haarsträubende Werbe-Veranstaltungen wie die gestrige Mopo-Twitter-Stunde mit Beiersdorfer. Eine peinliche PR-Aktion, die genau das widerspiegelt, was die neuen Exzellenzen darstellen. Langweilige, emotionsbefreite Schlaftabletten, an denen man sich noch nicht mal reiben kann.

Fasst man das alles zusammen, so erkennt man, dass bereits der letztjährige Abstiegskampf eigentlich kein Kampf gegen den Abstieg aus der Bundesliga, sondern ein Kampf gegen die alten Machthaber und für HSVPLUS war. Dies alles fällt nun in diesem Jahr weg und somit kann es diesmal kein „Abfallprodukt Abstiegskampf“ geben.

Aber halt, einen Kampf gibt es doch noch und diesen Kampf kämpfen ein paar hirntote Strahlungsopfer, die sich als neuen Feind diejenigen ausgesucht haben, die die Misstände im Verein seit längerem deutlich ansprechen. Diese Spacken sind der Meinung, dass sie diejenigen sind, die der entscheidende Faktor für den Erfolg von HSVPLUS waren. Sie kennen zwar keinen der tatsächlichen Initiatoren, aber sie sind der festen Überzeugung, zu einer Art „inner Circle“ zu gehören, eine Art „verstrahlte Bruderschaft der Dummerhaftigkeit“. Aus dieser kranken Überzeugung heraus verurteilen sie jegliche Kritik an „ihrem Machwerk HSV“, an ihrem „Didi“, an Super-Gernandt und an allen Begleiterscheinungen. Beharrlich werden Tatsachen und Fakten nicht nur ignoriert, sondern verleugnet und fragt man nach Beweisen, erhält man Antworten wie „Geduld“ oder „Didi macht das schon“.

Diese Pfeifen haben leider nicht begriffen, dass sie nicht Teil der Lösung, sondern Hauptbestandteil des Problems sind, denn sie sorgen für für eben diesen bewußtlos machenden Mehltau der Gleichgültigkeit und nehmen den Fans jeglichen Grund zur Emotion.

Aber wisst ihr was? Für diese Patienten spiele ich gern den Feind.

Super-Didi