Geboren ist der Mann am 29.08.1973 in Krumbach, das ist ein Ort mit 12.564 Einwohnern in Schwaben. 29.08. bedeutet, der Mann ist Sternzeichen Jungfrau und diesem Sternzeichen werden folgende Eigenschaften nachgesagt:

Der Jungfrau Mann ist auch im Horoskop fleissig, fürsorglich, treu, berechenbar, kontrolliert und praktisch veranlagt. Er ist aber auch sehr kritisch, was für genaues Arbeiten unumgänglich ist. Ein wenig mehr Selbstvertrauen stände ihm gut

Kritisch ist Thomas Tuchel, keine Frage. Und genaues Arbeiten wird ihm ebenfalls nachgesagt. Die Sache mit dem fehlenden Selbstvertrauen scheint weniger zu passen, denn dem Mann mit den wenigen Haaren wird ein dafür umso größeres Ego nachgesagt, aber das muss nichts heißen. Es passiert häufig, dass Menschen, die viel von sich und anderen verlangen, die geradeaus sind und nicht verschlagen, die direkt und ehrlich sind, als arrogant abgestempel werden. Das wirklich Gute an Thomas Tuchel ist aber: Es ist ihm schlichtweg scheißegal, als was er abgestempelt wird und allein damit ist er allein auf weiter Flur. In einer Zeit, wo im Grunde jeder mehr auf seinen Ruf und seine Reputation bedacht ist, dreht Tuchel den Spieß um und vielleicht ist es genau das, was seinen arroganten Ruf ermöglicht hat. Er schert sich einen Dreck um die „Marke Tuchel“, er ist die „Marke Tuchel“.

Heute, wo fast jeder dem Mainstream hinterher läuft, wo jeder irgendwo dazugehören möchte, verzichtet TT auf ein Vorbild und wenn es überhaupt eines geben sollte, wäre dies Bayern-Trainer Pep Guardiola. Auch Guardiola gilt als Perfektionist, als charmant, aber schwierig, als jemand, der Fußball atmet und unglücklicherweise von seinem Umfeld dasselbe erwartet. Dies überfordert teilweise, denn auch im Milliardengeschäft Fußball suchen sich die Meisten ihre Komfortzone und verlassen diese höchst ungern.

Wer den Typen Tuchel ein wenig kennenlernen möchte, sollte sich die Zeit für dieses Youtube-Video nehmen, es lohnt sich. Wahrscheinlich werden es die meisten bereits kennen, aber trotzdem

In der Tat, Thomas Tuchel ist „anders“, aber eben dieses „anders“ ist es, was der HSV braucht, denn alles andere hat man zigmal probiert und es hat aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geklappt. Allerdings muss man sich in Hamburg an den Gedanken gewöhnen, dass Tuchel in Verbindung mit Beiersdorfer die wirklich aller-allerletzte Patrone ist, denn was bitte sollte danach kommen, wenn auch diese Kombination crasht? Die Verbindung des bisher noch nahezu unantastbaren Heilsbringers „Didi“ und des Trainers Tuchel, den jeder will, muss es bringen, ansonsten ist es vorbei und das für alle Zeiten.

„Wenn selbst Didi und Tuchel es in Verbindung mit Kühne nicht schaffen, dann schafft es keiner“

Diese Erkenntnis ist ebenso richtig wie fatal, denn der Druck wird immens sein, die Erwartungshaltung grenzenlos. Genau das ist es aber, was einen Gegenanschwimmer wie Thomas Tuchel reizt. Nach Dortmund gehen und Vize-Meister werden, das kann fast jeder. Nach München gehen und mit Sammer zusammenarbeiten, das möchte fast keiner. Hamburg aber ist sowas wie das fußballerische Fukushima, über Jahre verseucht und kaum mehr bewohnbar, dafür aber mit dem zweifelhaften Ruf, irgendwann mal sowas wie Bora Bora gewesen zu sein. Die Aufgabe, aus dieser atomverseuchten Ruine die alte Trauminsel neu zu erschaffen, reizte in der Vergangenheit viele und sie sind alle gescheitert.

Der HSV hat es in den letzten 30 Jahren mit so gut wie jedem Trainer (und Spieler)-Typ versucht, den der Markt hergegeben hat. Man versuchte TV-Trainer (Oenning) und Konzept-Trainer (Fink, Slomka). Man versuchte Eigengewächse (Doll) und Diktatoren (Magath). Auch international renommierte Trainer (van Marwijk) scheiterten ebenso wie Nachwuchstrainer aus dem eigenen Beritt (Zinnbauer). Einen wie Tuchel aber hatte man noch nie.

Thomas Tuchel ist der Typ, den man immer dann hasst, wenn er beim Gegner arbeitet, der aber als Mann des eigenen Vereins zum Gott werden kann. Ich persönlich erinnere mich an Spieler wie Hollerbach, Jarolim oder auch Rost, die ich aus tiefstem Herzen gehasst habe, als sie beim „Feind“ spielten. Im Trikot meines Vereins mutierten einige von ihnen dann zu Kultfiguren (Holler), andere wurden zumindest akzeptiert (Rost). Ich erinnere mich aber auch an ein Spiel des FSV Mainz 05 in Hamburg, ich glaube, es war Tuchels erste Saison als Cheftrainer. Der HSV spielte 89 Minuten auf ein Tor, in der letzten Minute erzielte Mainz durch Bancè das 1:0 und der Spielverlauf war auf den Kopf gestellt. Im Anschluss an das Spiel erklärte Frischling Tuchel dann, dass der Mainzer Sieg absolut verdient gewesen sei und ich wünschte die Pfeife zum Teufel.

Heute denke ich mir, dass Tuchel

1. Das Spiel aus einem anderen Blickwinkel gesehen hat und

2. dass er damit eine Strategie verfolgte

Tuchel ist bekannt dafür, dass er intern gnadenlos kritisiert, vor keiner unpopulären Maßnahme zurückschreckt, nach außen aber seine Spieler und seinen Verein bis zum letzten Blutstropfen verteidigt. Er legt sich mit allen an (gegnerischen Spielern, gegnerischen Trainern, Schiedsrichtern, der Presse) und er legt sich gern an, wenn er meint, er sei im Recht. Diese Eigenschaft macht angreifbar und wenn Tuchel eines braucht, dann 1000%ige Rückendeckung seitens des Vereins. Dies sollte im Übrigen auch als Warnung an unseren redseligen Aufsichtsratsvorsitzenden gedacht sein, denn ein Tuchel hat absolut keine Probleme damit, von einem Tag auf den anderen hinzuschmeißen und zu gehen, sollte sich Herr Gernandt wieder einmal bemüssigt fühlen, seine unmaßgeblichen Ansichten zum Thema Fußball in eine Kamera zu husten.

„Tuchel ist teuer“, sagte eben dieser Gernandt und exakt damit lässt der Mann erkennen, dass er aber auch gar nichts verstanden hat. Tuchel ist billig, ob er nun € 3 Mio. oder € 6 Mio. im Jahr verdient. In Zeiten, wo durchschnittliche Fußballer wie Lasogga oder Olic in Hamburg zwischen € 2,5 Mio und € 3,5 Mio. verdienen, machen sich die Bezüge des wichtigsten Bausteins des Vereins geradezu lächerlich aus.

Eines ist sicher – Tuchel wird, sollte er denn tatsächlich kommen, keine 10 Jahre in Hamburg arbeiten, dafür ist er einfach zu gut. Aber Tuchel kann in der Lage sein, dem Verein eine zukunftsweisende Richtung zu geben. In der Zwischenzeit sollte sich der Verein bemühen, bereits seinen Nachfolger zu züchten, der im Fall des Falls übergangslos übernehmen kann. Voraussetzung dafür muss aber sein, dass sich der Verein mit Haut und Haaren auf Thomas Tuchel einlässt und nicht nur zu 90% mit dem gewohnten Hintertürchen. Spürt Tuchel, dass es dieses Hintertürchen gibt, ist er weg. Und dann, liebe Freunde, ist der HSV am Arsch. aber so richtig.

Nein, die Vereinsführung muss seine Forderungen erfüllen und sie muss den Weg mitgehen, auch dann, wenn es schmerzhaft wird. Tuchel gibt beispielsweise keine Exklusiv-Interviews, eine Sache, die besonders die Kollegen der Hamburger BILD nicht akzeptieren werden. Es wird Störfeuer geben, Gerüchte werden gestreut werden, Informationen werden platziert werden. Das alles wird der Verein aushalten müssen, ansonsten klappt das Kartenhaus endgültig zusammen.