Und – schwupps, da waren sie wieder. All die „Experten“, die monatelang die Klappe gehalten und eventuell im kleinen Kreis gemosert hatten. Jetzt aber war die Chance (endlich) einmal da und diese Chance darf natürlich nicht verpasst werden. Die Bayern haben verloren, in einem Champions League-Halbfinale in Barcelona verloren. Wie geht denn das bitte? Hatte man etwa nicht den besten Kader und den allerbesten Trainer der Welt? Wie kann es denn dann angehen, dass man bei einer untalentierten Truppe aus Katalonien mit 0:3 unter die Räder kommt? Versager!

Und natürlich sind es die „üblichen Verdächtigen“, die den Hals nicht weit genug aufreißen können. All die kleine Matthäusse (vercoacht), Effenbergs (falsche Aufstellung), Beckenbauers (Götze wie ein Jugendspieler), Strunzens, Scholzens und und und. Und natürlich stellt ausgerechnet Drecksblatt BILD die Frage:

Ist Guardiola schon gescheitert?

So gut wie keiner stellt fest, dass den Bayern mit Robben, Ribery, Alaba und Badstuber überaus wichtige Spieler gefehlt haben und Barcelona eben nicht.

So gut wie keiner erkennt (bzw möchte es erwähnen), dass bei den Bayern zahlreiche Spieler im Kader waren (Lahm, Schweinsteiger, Thiago, Martinez), die aus extrem langen Verletzungen kamen und überhaupt nicht in der Lage sein können, „bei 100% zu sein“. Das alles mag in der Liga gegen Freiburg und Paderborn reichen, gegen ein Barcelona in Überform und in Vollbesetzung reicht es eben nicht und es hätte auch für keine andere Mannschaft der Welt gereicht.

Natürlich wird diese Niederlage zum Anlass genommen, die Taktik des Trainers zu kritisieren, dabei wird komplett ignoriert, dass die Bayern bis Viertelstunde vor Schluss die Partie trotz der Ausfälle einigermaßen im Griff hatten und erst in den letzten 20 Minuten aufgrund individueller Fehler die Gegentreffer bekamen. Was ein Fehlpass von Bernat in der Vorwärtsbewegung mit der Taktik des Trainers zu tun haben soll, muss mir mal einer erklären, aber plötzlich wird geheimnisvoll von „sprachlichen Problemen“ gemunkelt. Seltsam nur, dass es diese sprachlichen Probleme nicht gibt, wenn man den HSV mit 8:0 aus dem Stadion schießen kann.

Eigentlich müsste man eine andere Frage stellen, nämlich: Warum läuft das so? Warum kommen die Hyänen bei der ersten erkennbaren Schwäche aus den Löchern und nageln los, dass es nur ein Freude ist? Und warum sind es immer die gleichen Patienten und niemals anerkannte Experten, die in dem, was sie so heftig kritisieren, selbst erfolgreich gewesen sind? Warum wird man Kritik dieser Art niemals (oder zumindest selten) von Trainern hören, die selbst auf diesem Niveau arbeiten oder gearbeitet haben?

1. weil sie es können. Die Kritiker unterliegen im Gegensatz zu den von ihnen kritisierten Protagonisten keinem Regulativ, sie müssen sich mit ihrer Kritik nicht messen lassen, weil sie immer erst dann kritisieren, wenn der Mißstand für alle erkennbar ist.

2. Faktor Neid. Nirgendwo so ausgeprägt wie in Deutschland. Was würden ein Matthäus oder ein Effenberg geben, um in der Situation wie Pep Guardiola zu sein. Sind sie aber nicht und werden sie auch nicht werden., weil sie schlicht und einfach die Qualität nicht haben. Wer nichts wird, wird Wirt und wer kein erfolgreicher Trainer wird, wird TV-Kritiker.

3. weil sie dafür bezahlt werden. Jeder dieser TV-Vögel spielt seine vorher definierte Rolle. So hat sich beispielsweise Bezahl-Sender SKY in dieser Saison den „Erfolgstrainer“ Didi Hamann als verbales Fallbeil gesichert, Hamann ist dafür da, die harten Texte rauszuhauen. Dafür bekommt er Geld und er spielt die Rolle gut.

4. weil sie die Anforderungen der Masse bedienen. Die breite Masse möchte keine sachlichen und fachlichen Analysen, der Pöbel möchte Blut sehen. Circus Maximus-mäßig werden die aktuellen Versager den Löwen vorgeworfen, der Plebs jubelt. Eine faire Gerichtsverhandlung würde hier nur stören, weil die meisten Patienten den Argumenten ohnehin nicht folgen können. Also – es wird das bedient, was gefordert wird.

Grundsätzlich: Kritik ist eine wichtige Sache und sie ist notwendig, um aus Fehlern zu lernen. Ich selbst bin ebenfalls nicht zimperlich mit Kritik, aber ich nehme für mich in Anspruch, dass ich die Kritik dann äußere, wenn sie angebracht ist und nicht erst dann, wenn jeder Heini auf den Zug aufgesprungen ist. Hinzu kommt, dass ich meine Kritikpunkte immer begründe und mit Fakten belege.Problem ist nur, dass man mit Kritik, die rechtzeitig bzw. frühzeitig angebracht wird, auch mal scheitern kann, aber damit muss man leben und das kann ich bestens.

Beispiel: Ich habe seit Monaten!!! darüber geschrieben, dass ich sowohl Gojko Kacar wie auch Boban Rajkovic für gute Fußballer und vor allem für saubere Charaktere halte und dass ich der Meinung bin, dass Valon Behrami ein Problem für den HSV darstellt. Für diese Äußerungen habe ich reichlich Prügel einstecken müssen, aber heute liegen sich die Kacar-Fans und die Behrami-Hater gegenseitig in den Armen und tun so, als hätten sie es schon immer gewusst. Dieses Verhalten finde ich nicht nur von den Medien, sondern auch von den Anhängern absolut widerwärtig und es kotzt mich zutiefst an.

Anderes Beispiel: HSVPLUS. Aufgrund dessen, was mir von der Propaganda-Maschinerie der Initiative vermittelt wurde, habe ich die Ziele von HSVPLUS für richtig empfunden und massiv dafür geworben. Hätte ich damals gewusst, was am Ende daraus gemacht wird und wie diese Initiative für persönliche Zwecke missbraucht wird, hätte ich sie bis aufs Blut bekämpft. Man sieht, man kann auch mal falsch liegen, wenn man sich frühzeitig äußert.

Dies kann den Fähnchenhalter, Hofberichterstattern und Gefälligkeitsjournalisten natürlich nicht passieren, sie kommen bekanntlich erst aus dem Quark, wenn der Drops größtenteils gelutscht ist, dann aber richtig. So werden wir auch am Ende dieser Saison sehen, wie die marktüblichen Mechanismen greifen werden. Gelingt der Klassenerhalt, dann haben es alle gewusst und sie hatten ja bereits alle frühzeitig um Geduld gebeten. Geht das Ding in die Hose, wird draufgeprügelt, als gebe es kein Morgen mehr. Dann wird eine General-Abrechnung nach der nächsten kommen, aber warum ist das so?

Weil der Pöbel aka die Masse der Leserschaft es so möchte, entsprechend wird nur das bedient, was gefordert ist.

P.S. Manchmal passt Werbung dann eben doch 🙂

Wieder da