Liebe Leser,

ich veröffentliche ein paar Auszüge aus Daniel Jovanovs heutiger (Sonder)-Kolumne, eben, weil sie so richtig sind.

Seinen Verein sucht man sich nicht aus, im Gegenteil. Er sucht, findet, trifft und infiziert dich mit einem Fieber, das dein Herz höher schlagen lässt, sobald du nur sein Wappen erblickst. Rational ist das alles kaum zu erklären, deshalb ist es auch so faszinierend. Es gibt Vereine, mit denen die Menschen, die ihm nahestehen, etwas verbinden. Vereine vermitteln eine Identität, sie schaffen Helden und Vorbilder, denen man begeistert zujubelt. Diese Begeisterung für einen Verein können aber auch andere Dinge entfachen, zum Beispiel die Fankultur, das Zusammensein. Es gibt Menschen, die täglich ein Trikot tragen, ein T-Shirt oder einen Schal – sie drücken ihrem Umfeld aus, was ihnen ihr Verein bedeutet. Einigen bedeutet er mehr als alles Andere, das sie in ihrem Leben haben.

Es ist erstaunlich, woraus die Fans der Rothosen quasi eine dauerhafte Existenzberechtigung in der Bundesliga für ihren Klub ableiten. „Plastikvereine“ wie Hoffenheim, Leipzig, Wolfsburg oder Ingolstadt, die sich ihren Erfolg nur „erkauft“ haben, will doch niemand in der Bundesliga sehen, sagen die Meisten. Wenn man sich allerdings Erfolg so einfach kaufen könnte, warum kann es der HSV nicht? Kaum ein anderer Verein verbrennt so viel Geld mit Führungskräften und Spielern wie der Dino. So einfach kann es also nicht sein.

Denn der HSV hat wahrscheinlich seit 1983 nahezu jede Entwicklung im Fußball verpennt und hinkt in vielen Bereichen nur noch hinterher. Es ist Glück und Zufall zu verdanken, dass es ihn nicht schon erwischt hat. Und zwar wegen der handelnden Personen, die mit ihrem rückwärtsgerichteten Vorgehen jegliche Entwicklung torpediert und damit den sportlichen Niedergang billigend in Kauf genommen haben. Man darf da nicht bei alten Aufsichtsräten anfangen, sondern muss eher bei der Zeit beginnen, in der Uwe Seeler, das größte Idol der Fans, diesen Verein anführte.

Bekommen haben sie einen alten, keinen neuen Helden, der all das versprach, doch nichts davon einhielt. Im Gegenteil: Dietmar Beiersdorfer führte die Reise in die Vergangenheit fort. Was schon einmal funktionierte, wird irgendwann und irgendwie wieder funktionieren. Volksparkstadion, Ivica Olic, Bruno Labbadia, ein Trainingslager in Malente – der Blick geht zurück, nicht nach vorn. Und es wäre angesichts aller Fehleinschätzungen, die in diesem sowie in vergangenen Jahren getroffen worden sind, keine Überraschung, träfe es den HSV heute.

Aber dieser Tag muss unabhängig vom Ausgang des Spiels als eine vielleicht letzte Warnung verstanden werden. Der HSV muss sich endlich neu erfinden, eine neue Identität und Idee entwickeln, an dessen Verwirklichung jeder Einzelne beteiligt ist – wenn er im Geschäft des bezahlten Fußballs eine Rolle spielen will. Angefangen vom Vorstandsvorsitzenden bis runter zu den jüngsten Fans, die irgendwann wieder mit Stolz das Wappen ihres Vereins auf der Brust tragen wollen. Noch gibt es 90 Minuten Hoffnung, dass dieser Weg in der Bundesliga seinen Anfang findet. Aber das viel größere Finale steht erst nach der sportlichen Entscheidung an. Der HSV steht nicht zum ersten, vielleicht aber zum letzten Mal am Scheideweg, an dem sich alle entscheiden müssen, welcher Weg weitergegangen wird. Macht der Verein genauso weiter wie bisher, hofft und vertraut auf Altbewährtes, verliert dabei seine Fans emotional und versinkt irgendwann völlig in Niederungen des deutschen Fußballs? Der HSV hat mit einem Sieg gegen Schalke 04 noch die Chance auf den Klassenerhalt. Es dürfte die allerletzte Gelegenheit sein, erstklassig entscheidende Dinge zu verändern. Klappt das nicht, droht nicht nur der sportliche Abstieg.

Die komplette Kolumne:

http://www.goal.com/de/news/1025/kolumne/2015/05/23/11990752/jovanovs-hsv-das-gro%C3%9Fe-finale?ICID=HP_BN_2