Transfers sind eine heikle Angelegenheit. Nirgendwo sonst kann man als Manager/Sportchef im bezahlten Fußball so schnell vom Hero zur Zero werden, nirgendwo sonst ist man auch als Verantwortlicher so sehr von äußeren Einflüssen abhängig. Eine gelungene Transferperiode oder auch nur ein richtiger Kracher-Transfer kann für einen kleinen Verein die Rettung des Etats für die nächsten Jahre sein, es kann aber auch für einen anderen Verein der Absturz für mehrere Jahre bedeuten, wenn die Einkäufer falsch lagen.

Dabei ist der Sportchef eines Vereins von diversen äußeren Einflüssen abhängig und selbst dann, wenn scheinbar alles gepasst und alle Gremien abgenickt haben, weiß man immer noch nicht, aber der für mehrere Millionen Euro transferierte Spieler beim aktuellen Trainer „arbeitet“, beim neuen Trainer aber nicht mehr ins Konzept passt.

Vor einem Millionen-Transfer wird der Spieler gescoutet, teilweise wird sein privates Umfeld durchleuchtet, es werden Freunde und Familienangehörige befragt. Der Spieler wird im Spielbetrieb und während des Trainings beobachtet, natürlich werden auch Videos seiner Einsätze geschaut. Dann wird natürlich mehrfach mit dem Spieler selbst gesprochen, seine persönlichen Ziele erkundet, sein Wille, unbedingt zu diesem einen Verein kommen zu wollen, abgecheckt.

So sollte es sein, denkt man und man denkt dann auch schon fast automatisch an den von Bernd Hoffmann vor Jahren ausgerufenen „Charaktertest“, der aber offensichtlich nie zur Anwendung kam. Tatsache ist, dass das zuvor beschriebene Verfahren nicht wirklich oft zur Anwendung kommt. Viel zu sehr ist man auch als Sportchef von den „Mechanismen des Marktes“ abhängig, man ist einem Berater etwas schuldig, man bekommt einen Spieler von einem bestimmten Berater nur dann, wenn man auch einen anderen „abnimmt“, obwohl man diesen vielleicht gar nicht benötigt.

Dann kommen natürlich noch weitere äußere Einflüsse zum Tragen, wie im Vorblog bereits angedeutet. Fans, Räte und Medien wollen einen Star präsentiert bekommen und die berufliche Zukunft des Verantwortlichen steht und fällt damit, ob er der Meute diesen Star präsentieren kann. Plötzlich hat man sich in eine ausweglose Situation manövriert, aus der man selbst nur dann herauskommt, wenn man Geld ausgibt, welches der Verein eigentlich gar nicht hat. Aber – was soll’s? Ist ja nicht das eigene Geld, sondern nur die eigene Karriere.

Mir ist beim Betrachten des aktuellen HSV-Kaders etwas aufgefallen, was vielleicht auch für andere Mannschaften gilt, aber die gucke ich mir nun mal nicht so genau an. Mit fällt auf, dass es in Hamburg reichlich Spieler gibt, die im Grunde nur eine richtig gute Saison in ihrer Karriere hatten und daraufhin vom HSV verpflichtet wurden. Anschließend bekamen diese Spieler in Hamburg einen wundervollen Vertrag, lebten in einer netten Stadt und hatten offensichtlich das Karriere-Ziel erreicht. Im Einzelnen:

Marcell Jansen (29)

Jansen debütierte in der Saison 2004/05 für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga (18 Spiele, ein Tor). Die nächste Saison war dann seine stärkste (32 Spiele, 3 Tore) und am Ende dieser Saison wechselte Jansen zum FC Bayern. (Ablöse: € 14 Mio.) Nur ein Jahr und 17 Bundesligaspiele später kam der Spieler für € 8 Mio. nach Hamburg, wo er bis heute spielt. Eine richtig überzeugende Saison hat Jansen nach dem zweiten Jahr in Gladbach eigentlich nie wieder bestritten, obwohl er insgesamt 46 Länderspiele für Deutschland machte. Im Schnitt machte Jansen 20,5 Spiele pro Saison für den HSV.

Dennis Diekmeier (25)

Diekmeier spielte erstmals in der Saison 2009/10 für den 1. FC Nürnberg in der Bundesliga (30 Spiele) und wechselte unmittelbar danach nach Hamburg (Ablöse: € 2,2 Mio.) Er spielte in den 5 Jahren in Hamburg im Schnitt 21 Spiele pro Saison, obwohl er auf seiner Position eigentlich immer gesetzt war. Auf den endgültigen Durchbruch wartet man beim HSV immer noch, ebenso wartet Diekmeier immer noch auf seinen ersten Bundesliga-Treffer. Eigentlich war Diekmeiers beste Saison seine erste Saison in als Bundesligaspieler in Nürnberg, danach stagnierten die Leistungen.

Ivo Ilicevic (28)

Ilicevic spielte seine erste Bundesliga-Saison in Kaiserslautern 2010/11 (21 Spiele, 5 Tore) und stand danach angeblich bei zahlreichen hochkarätigen Teams auf dem Zettel. Den Zuschlag erhielt in der nächsten Saison (2011/12) der Hamburger Sportverein (Ablöse: € 4 Mio.) für den Ivo in den letzten 4 Jahren insgesamt 53 Spiele (7 Tore) absolvierte, das bedeutet 13 Spiele pro Saison. An die Leistung seiner ersten Saison in Kaiserslautern konnte er nie wieder anknüpfen, was auch diversen Verletzungen geschuldet war.

Petr Jiracek (29)

Jiracek kam ursprünglich von Viktoria Pilsen, wo er drei Jahre lang Stammspieler war. Vor der Saison 2011/12 wechselte er zum VfL Wolfsburg (Ablöse: € 3,5 Mio.), wo er jedoch in einer Saison lediglich 13 Spiele (2 Tore) absolvierte. Nach einer mehr als überzeugenden EM 2012 welchselte Jiracek 2012/13 für € 4 Mio. zum HSV, Stammspieler wurde er nie. Betrachtet man besonders die Leistungen während der EM 2012 ein echtes Rätsel, aber möglicherweise war damit sein Pulver verschossen.

Pierre-Michel Lasogga (23)

Lasogga entwickelte sich gleich in seiner ersten Bundesliga-Saison (2011/12) bei Hertha BSC Berlin zum Shootingstar (32 Spiel, 8 Tore). In der darauffolgenden Saison (2. Liga) fiel er wegen eines Kreuzbandrisses ein ganzes Jahr aus und wurde später (2013/14) für vorerst ein Jahr nach Hamburg verliehen. Hier erzielte er in 20 Spielen 13 Treffer und war damit bester Torschütze. Bei der näheren Betrachtung muss man allerdings erwähnen, dass Lasogga 5 seiner 13 Tore in zwei Spielen erzielte (3 gegen Nürnberg, 2 gegen Freiburg), was die Quote von 8 Toren in 18 Spielen relativiert. Nach dieser Saison verpflichtete ihn der HSV für € 8,5 Mio. fest, bisher fällt eigentlich nur seine Verletzungsanfälligkeit auf.

Matthias Ostrzolek (24)

Bundesliga-Debüt 2011/12 für den FC Augsburg (12 Spiele), in der folgenden Saison immerhin schon 25 Spiele. Seine bisher beste Saison spielte Ostrzolek 2013/14 für den FC Augsburg, in der er in insgesamt 33 Spielen 8 Torvorlagen beisteuerte. Im Anschluss an diese Saison wechselte der Verteidiger für € 2,75 Mio. zum HSV, für den er 25 Bundesligaspiele (eine Vorlage) absolvierte. Bisher blieb Ostrzolek nahezu alles schuldig, was man sich besonders in der Vorwärtsbewegung von ihm versprochen hatte.

Lewis Holtby (24)

Mittelfeldspieler Holtby kann für einen 24-Jährigen auf eine aufregende Karriere zurückblicken. Holtby, der sein Bundesliga-Debüt 2009/10 für Schalke (9 Spiele) feierte, spielte in seiner jetzt 7-Jährigen Profi-Karriere für insgesamt 7 Vereine (Aachen, Schalke, Bochum, Mainz, Tottenham, Fulham, HSV), seine bisher beste Saison hatte er 2010/11 bei Mainz 05, als er in einer Mannschaft mit Andre Schürrle und  Adam Szalai die „Bruchweg Boys“ erfand und in 30 Spielen 4 Tore und 10 Vorlagen beisteuern konnte. Anschließend ging es für Holtby stetig bergab (Schalke, Tottenham, Fulham-Leihe, HSV), allerdings wird für ihn noch eine Ablösesumme in Höhe von € 6,5 Mio. fällig.

Was will ich damit sagen? Zuerst einmal, dass es nicht einfach ist. Man kann einen jungen Top-Spieler holen, der im neuen Verein, unter einem bestimmten Trainer, in einer anderen Stadt nicht funktioniert. Man kann einen bisher Unbekannten holen, der plötzlich durchstartet, man weiß es vorher einfach nicht. Auffällig ist für mich nur, dass einige Spieler, die Beiersdorfer holte (auch Jansen kam unter Beiersdorfer nach Hamburg) eigentlich immer nur ein gutes Jahr hatten, bevor sie nach Hamburg wechselten. Im Anschluss blieben sie dann in Hamburg nahezu alles schuldig, was natürlich auch mit den beschriebenen Umständen (Vereins-Chaos, ständiger Trainerwechsel, kein oder unfähiger Sportchef etc.) zusammenhängen kann.

Dennoch kann ich eines nicht verstehen. Wenn ich beobachte, dass ein Spieler in 7 Jahren bei 7 Vereinen (Holtby) oder in 10 Jahren bei 7 Vereinen (Behrami) gespielt hat, dann frage ich mich, was es damit auf sich hat. Es kann ja nicht immer an den jeweiligen Vereinen gelegen haben, dass sich der Spieler nicht durchsetzen konnte. Meine Vermutung (besonders bei Holtby und Behrami, aber aber in Ansätzen auch bei Nicolai Müller) ist vielmehr, dass diese Spieler aufgrund ihres Namens gekauft wurden, um den Fans und Medien etwas Besonderes präsentieren zu können. Teures Vergnügen.