Dankefür nichts

01.06.2015 – Matchday. Heute entscheidet sich viel für einen Verein, der es in den letzten Jahren verstanden hat, wesentlich mehr falsche als richtige Entscheidungen zu treffen. Heute geht es um (fast) alles, es geht um die Zukunft des HSV, aber auch um seine Vergangenheit. Mit einem Abstieg wäre der Nimbus der ständigen Vertretung im Oberhaus des deutschen Fußballs Geschichte, etwas, was man sich als HSV-Fan eigentlich schon wünschen möchte, denn nur aus diesem Nimbus ziehen viele Anhänger das letzte Alleinstellungsmerkmal eines einstmals ruhmreichen Vereins.

Es wäre aber auch das Ende dieser eigentümlichen Uhr, die mir mittlerweile wie ein geschichtliches Damokles-Schwert über den Köpfen der Spieler vorkommt, denn wer dafür sorgt, dass diese Uhr abgeschaltet wird, versündigt sich am HSV.

Auch Dino Hermann könnte im Grunde eingemottet werden, denn der Dino ist dann kein Dino mehr. Traurig um den Namen Herrmann, weniger traurig um dieses blaue Ding.

Macht man einmal die Augen zu, löst sich vom HSV und denkt kurz darüber nach, wofür Dinosaurier eigentlich stehen, dann wird man zugeben müssen, dass sie eben nicht für Dauerhaftigkeit stehen können. Dinosaurier stehen für „groß“, „alt“, „ausgestorben“. Dinosaurier mussten vor ca. 65 Mio. Jahren weichen, weil evolutions-technisch kein Platz mehr für sie da war, sie hatten sich schlicht überlebt. Jaja, ich weiß, Asteroid, Mexiko usw. Dennoch: Dinosaurier stehen für „gestern“, sie stehen für eine eine Spezies, die nicht mehr mithalten konnte und so schließt sich der Kreis zum HSV.

Habe ich heute Nacht schlecht geschlafen? Nein, warum auch? Ich habe vor dem Relegationsspiel im letzten Jahr in Fürth schlecht geschlafen, weil es damals um mehr ging, als um den Klassenerhalt. Damals ging es um die erste Liga, aber es ging eben auch um die Ausgliederung, die Umstrukturierung, die vermeintlich letzte Chance und deshalb war ich nervös. Heute bin ich nicht mehr nervös, weil eben diese letzte Chance leichtfertig verspielt wurde. Mir wurden Ideale versprochen und ich wurde belogen. Mit wurde ein Aufbruch versprochen und ich bekam Stillstand bzw. Rückschritt. Mit wurden Experten zugesagt und ich bekam Versager, die sich als „Experten mit Stallgeruch“ verkleidet hatten. Nein, ich bin nicht mehr nervös.

Was passiert, wenn der HSV heute Abend in Führung geht? Nun, dann werde ich mich freuen. Ich werde mich so freuen, wie ich mich gefreut habe, als Gojko Kacar seine letzten Treffer erzielte. Ich werde mich so freuen, wie ich mich gefreut habe, als mein Freund Boban Rajkovic sein Tor gegen Schalke machte oder wie ich mich gefreut habe, als Ivo Ilicevic im Hinspiel gegen den KSC traf. Aber ich freue mich nicht mehr für einen Verein, der Teile seiner Spieler wie ein Stück Dreck behandelt hat und heute erwartet, dass genau diese Spieler das Schlimmste verhindern.

Ich freue mich auch nicht für einen Verein, der nicht in der Lage ist, zu lernen. Der auch im 13. Jahr Jörn Wolf immer noch nicht „soweit ist“, der nahezu alle Entwicklungen verpennt. Der spieltechnisch, strukturell und medial wirklich jedem anderen Verein in der Bundesliga um Lichtjahre hinterher rennt. Ich freue mich auch nicht für einen Verein, der einem Joachim Hilke nach drei Katastrophen-Jahren den Vertrag erneut verlängert, obwohl der Aufsichtsratsboss selbst diesen Mann als untauglich einstuft.

Am 25.05.2014 dachten wir alle, dass dies der Aufbruch in eine neue Zeitrechnung sein könnte, nein, sein müsste. Nochmal die Chance, alle Uhren (bis auf die Stadionuhr natürlich) auf Null stellen zu können. Wir haben uns getäuscht und das hat absolut nichts mit fehlender Geduld zu tun. Im Laufe des Jahres haben die Herren um Gernandt und Beiersdorfer nach und nach Anteile unters Volk geworfen. Erst wurde Kühne’s „kostenloses Geld“ (nicht wahr, Herr Rieckhoff) in AG-Anteile umgewandelt, später kam noch ein Landwirt hinzu. Jetzt müssen erneut Anteile an eine Privatperson veräußert werden, um die Lizenz für die 2. Liga zu gewährleisten. Strategische Partner? Weltfirmen, die sich engagieren? Pustekuchen. Der HSV wird scheibchenweise verscherbelt und diese Anteile kann man nur einmal veräußern.

Am 01.06.2015 ist „mein“ HSV eine Ansammlung von Versagern, Profiteuren, Selbstoptimierern und Scheinheiligen und für einen solchen Verein zittere ich nicht mehr. Sollte es doch gelingen und die Klasse wird gehalten, ist es okay für mich, aber in Jubel breche ich garantiert nicht aus. Allerdings werde ich auch nicht jubeln, sollte der HSV absteigen. Dann wird es mir für viele Leute leid tun, deren Herz wirklich an diesem Verein hängt.

Aber das Wichtigste ist, dass der Knäbel-Peter neue Freunde gefunden hat.

NUR DER HSV!