Relegations-Shirt

Wie erklärte noch Dietmar Beiersdorfer in seiner Tränenkonferenz im Juni 2014 so vollmundig, als er von Demut und gelebter Zurückhaltung sprach? Ein besonderes Vorbild für die Außendarstellung des „neuen“ HSV sollte die deutsche Nationalmannschaft sein, die sich nicht nur mit ihren überzeugenden sportlichen Auftritten während der WM in Brasilien viele Sympathien erwarb, sondern eben auch mit ihrem Erscheinungsbild vor und nach den Spielen. Die Art und Weise, wie deutsche Spieler und Trainer direkt im Anschluss an das historische 7:1 gegen den Gastgeber kurz jubelten, um danach ihren unterlegenen Gegnern Trost zu spenden, blieb zumindest mir mehr in Erinnerung als die meisten Spiele dieser Meisterschaft.

Dies also sollte die Blaupause für den HSV der Zukunft sein. Kampf, Hingabe, Zusammenhalt und dabei höchsten Respekt vor dem Gegner, egal, wie das Spiel ausgeht. Gegen diese freundliche Idee wurde das erste mal verstoßen, als man beschloss, doch nicht vor jedem Spiel das Fan-Lied des Gegners spielen und stattdessen weiterhin mit „Hamburg, meine Perle“ quälen zu wollen. Ich frage mich, wie man als Verein zwar selbst in der Lage sein kann, die über Jahre gelernte Auflaufmelodie zu ändern, aber bei der Frage, ob dem Gegner Respekt entgegen gebracht werden kann, fragt man die sogenannten Fans? Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen in Zukunft einfach mal Eier wachsen lassen.

Aber zurück zum Verhalten der Mannschaft. Ich habe höchsten Respekt davor, dass nach einem Spiel wie dem in Karlsruhe tonnenweise Druck von jedem Einzelnen abfällt und wie dieser Druck raus muss. Feiern, schreien, umarmen, mit den Fans jubeln – ein absolutes Muss. Aber ich habe (leider) keinen Spieler gesehen, der sich im Anschluss an das Spiel um die Spieler des KSC gekümmert hat, für die in dem Moment eine Welt zusammengebrochen war. Ausnahme auch hier – Bruno Labbadia, vor dem ich auch aus diesem Grund den Hut ziehe. Der Trainer ist der Einzige, der das lebt, was der Verein leben wollte. Andererseits sah man auf der Tribüne gesperrte und verletzte HSV-Spieler, die fortwährend die Karlsruher Fans provozierten und mit höhnischen Gesten lächerlich machen wollten. Sorry, aber das ist nicht mein HSV.

Apropos „Eier wachsen lassen“. Es war angerichtet und es fehlten am Ende nur zwei Minuten und der Unterarm eines KSC-Spielers. Hätte Boban Rajkovic nur 10 cm weiter nach rechts gezielt, hätten wir seit gestern einen Shitstorm in Hamburg erleben dürfen, der seinesgleichen gesucht hätte. Die Erklärungen waren bereits ausformuliert und die Briefe und Mails an die entsprechenden Redaktionen und Mittelsmänner frankiert. Dann kam Diaz und all die Maulhelden der letzten Saison verfallen wieder einmal in kollektives Schweigen. 34 Spieltage hatten sie hinter den Kulissen ihren Unmut über den unfähigen Beiersdorfer, den intriganten Hilke, den Oberlehrer Peters, den Blender Knäbel und so weiter geäußert. Sie hatten mit Andeutungen und vermeintlichen Beweisen geprahlt, vernichtende Dokumente gezeigt, aber nicht ausgehändigt. „Warten sie noch bis Ende Mai, dann knallt es, aber so richtig“!

Überhaupt nichts wird knallen, denn die Maulhelden haben sich wieder in ihre Verstecke verkrümelt, haben ihre Erklärungen verbrannt und sich dafür entschieden, auch weiterhin lieber aus der gesicherten Deckung zu schießen. Und warum? Weil sie keine Eier haben! All die Ex-Räte, die HSVPLUS-Meinungsmacher und Manipulatoren, all die unglaublich Wissenden. Keiner will derjenige sein, der den Stein ins Rollen bringt, denn keiner will es sich verderben. Man möchte ja auch in Zukunft noch auf der Ehrentribüne hocken und in der Halbzeit im Catering-Bereich ein schlaues Gesicht machen. Niemand möchte von der Seite angeguckt werden und niemand möchte sich das Etikett des Nestbeschmutzers anheften.

Im Falle eines Abstiegs wäre das natürlich etwas gaaaaaaanz anderes gewesen, denn dann hätte man sich als derjenige positionieren können, der es schon immer gewusst hat, der rechtzeitig die Finger in was auch immer gelegt hat. Vielleicht hätte der eine oder andere dann auch eine Wiederauferstehung innerhalb des Vereins feiern können, wer weiß. Aber jetzt doch nicht mehr, Leute. Jetzt ist doch alles rosa und wir blicken in eine goldene Zukunft. Der Loser von gestern wird der Winner von morgen sein und da möchte doch keiner der Einflüsterer von hinten im Wege stehen. Wobei eines sicher ist: Nimmt die Saison 2015/16 einen ähnlichen Verlauf wie die letzte Saison, werden sie alle wieder da sein. Dann wird man wieder angerufen und angemailt, dann wird man zu konspirativen Treffen in irgendwelche Hinterzimmer geladen und mit brandheißen Infos bestückt. „Aber nein, meinen Namen dürfen sie natürlich nicht nennen, ich möchte ja auch weiterhin mitspielen dürfen.“

Und dann, lieber Blogger oder Kolumnist, dann hoffe ich, dass sie es sind, der sich die Finger verbrennt. Der meine Arbeit macht, für die ich zu feige bin. Sie können dann gern in die Fresse kriegen, beleidigt und bedroht werden, ich muss mir das nicht geben, weil ich bin ja eigentlich „durch mit diesem Verein“.

Am Arsch seid ihr.

Diese Herren, und sie sind zahlreich, haben im Laufe dieses Jahres den letzten Rest meines Respekts verloren, aber trotzdem werde ich ihre Namen nicht nennen. Warum nicht? Weil ich fair spiele. Aber sie, meine Herren, sie alle sollten sich schämen., denn sie sich nicht besser als die Versager in Vorstand und Aufsichtsrat, sie sind schlimmer. Sie wissen, aber sie schweigen. Und sie schweigen aus egoistischen Gründen. Komisch nur, dass sie alle nicht geschwiegen hätten, wenn Gräfe’s Pfeife geschwiegen hätte.

Erbärmlich, dieser Club der Maulhelden!