Immer, wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Düdü her.

Nachdem man nun trotz der halbwegs geschickt platzierten Interviews der Herren Hilke, Beiersdorfer und Wettstein, in denen viel gesagt und noch mehr verschwiegen wurde, auf der Mitgliederversammlung am letzten Sonntag reichlich mehr als gerechtfertigte Prügel einstecken musste, aber dennoch komplett uneinsichtig und sogar beleidigt und trotzig wirkte, soll nun etwas helfen, was an Sinnlosigkeit kaum noch zu überbieten ist. Der HSV lädt zu einem „Workshop“ ein, bei dem zwischen 200 und 300 Mitarbeiter, Fans, „Kenner“ und langjährige Begleiter die neue Leitlinie des HSV gemeinsam erarbeiten sollen.

In einem ersten Reflex möchte man sagen: „Na endlich“, bei genauerem Nachdenken muss man jedoch bemerken:„Wollt ihr uns eigentlich verscheißern“? 

Nach einem Jahr ist der „neue HSV“ bzgl. des groß-angekündigten Leitbildes, des neuen USP, der neuen Idee vom HSV der Zukunft noch keinen Schritt weiter? Was genau hat Herr Beiersdorfer eigentlich am letzten Sonntag gemeint, wenn er davon sprach, dass man zahlreiche „Prozesse angestoßen“ und Veränderungen eingeleitet habe? Außer diesen Worthülsen blieb der Vorstandsvorsitzende wie immer alles schuldig, Details werden wie selbstverständlich verschwiegen. Mittlerweile muss man annehmen, dass all diese Lippenbekenntnisse nichts weiter als die übliche heiße Hamburger Luft war, mit der man erneut versuchte, sich Zeit zu erkaufen. Wie lange eigentlich noch?

Nun also soll ein neu-deutscher „Workshop“ in der Größenordnung einer durchschnittlichen Mitgliederversammlung für Abhilfe sorgen, die glücklichen Teilnehmer sollen also das tun, wozu die überbezahlten Angestellten nicht in der Lage sind. Selbstverständlich wird es auch diesmal wieder Sektierer geben, die diese Idee supi-endgeil finden werden, diese dürfen allerdings in ihrem Leben noch an keinem Workshop teilgenommen haben. 300 Teilnehmer, was für ein Schwachsinn.

Dabei ist diese ganze Leitbild und „Philosophie eines Vereins“ doch überhaupt nicht neu. Bereits zu Bernd Hoffmanns Zeiten wurden Grundzüge dieser Geschichte aufgesetzt, jedoch im Laufe der Zeit vernachlässigt und nach und nach vergessen.

Mission

Man sieht, die Basis dafür existierte bereits vor dem Jahr 2010, man hätte es nur mit Leben füllen müssen. Aber das ist bei Weitem noch nicht alles, denn auch und besonders die Initiative HSVPLUS gab Leitlinien vor, die ihrer Meinung nach den Kern des zukünftigen HSV ausmachen sollten.

Konzentration auf die Verpflichtung junger, talentierter Spieler

Philosophie „von unten nach oben“

Anteilsverkäufe zum Zwecke der Vereins-Entschuldung

hanseatisches Handeln, gelebte Verbindlichkeit und Verlässlichkeit

eine sympathische Außendarstellung

soviel Verschwiegenheit wie möglich, soviel Transparenz wie nötig

Dies sind nur einige ausgewählte Überschriften, die man von HSVPLUS vorgegeben bekam und die man im Laufe eines Jahres mit Leben hätte füllen können. Wenn allerdings Herr Beiersdorfer auf der Mitgliederversammlung erklärt, dass die Phrasen von HSV+ zwar nett zu lesen, in der Praxis aber kaum umzusetzen sind, kann man ahnen, woher der Wind weht.

Bereits am 07.06.2013 erklärte Ernst-Otto Rieckhoff während der damaligen Mitgliederversammlung unter dem Motto „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, was seiner Auffassung nach beim Hamburger Sportverein nicht stimmt und jetzt möchte uns der Vorstand erklären, dass man zur Saison 2016/17 irgendwas Verbindliches veröffentlichen will? Was tun diese Herren den ganzen Tag?

Workshop1

Workshop2

 

Worekshop3

Workshop4

Ist ja der helle Wahnsinn, möchte man spontan meinen. Da sollen dann also gefühlte 250 „Kenner des HSV“ stundenlang zuhören, zu Tische liegen und etwas erarbeiten, wozu diejenigen, die dafür bezahlt werden, nicht in der Lage sind? Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit, denn tatsächlich möchte der Verein zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Man möchte irgendeinen Input von Seiten der Mitglieder generieren und man möchte sich erneut Zeit kaufen. Denn eines sollte klar sein: Diejenigen, die an diesem Ding teilnehmen, verkaufen das Recht an jeglicher Kritik. Warum? Ganz einfach: Ist man Teil davon und ist bereit, Inhalte abzunicken, darf man hinterher auch nicht mehr mosern. Der Verein würde dann immer darauf hinweisen können und sagen: „Moment mal, du warst doch damals dabei. Warum hast du deine Kritik nicht in dem Kreis damals geäußert?“

Eigentlich nicht dumm, aber es wird nicht klappen.

Ich habe mich gestern ein wenig umgehört und das Ergebnis dieser Recherche war ebenso vorhersehbar wie traurig. Von den Personen, mit denen ich Kontakt hatte (telefonisch, per Mail etc.) und die dafür bekannt sind, dass sie der Führung und den Maßnahmen des Vereins einigermaßen kritisch gegenüber stehen, hatte gestern nicht einer eine Einladung zum Workshop erhalten. Dafür waren aber bereits einige Vorstände von ausgewählten Fan-Clubs geladen, der Zweck dürfte klar sein.

Bevor jetzt wieder der eine oder andere reflexartig irgendwelche Neid-Schubladen öffnen möchte – er kann stecken lassen. Zumindest mich muss der Verein nicht einladen, ich würde eh nicht erscheinen. Warum nicht? Auch das kann ich erklären. Der Verein beschäftigt ca. 250 Mitarbeiter, die pro Jahr ca. € 13 Mio. kosten. In den vergangenen Jahren hat sich der HSV zahllose PR-Agenturen, Anwalts-Kanzleien, externe Berater etc. geleistet, die den Verein Millionen gekostet haben. Und ich sollte dort jetzt auftauchen, um den Herren kostenlos zu erklären, wie sie ihren Job zu tun haben? Aber in 100 Jahren nicht, Freunde.

By the way – hätte man diese Richtlinien zeitnah erarbeitet und in die Tat umgesetzt, wäre man jetzt nicht gezwungen, einen Jonathan Tah für einen Dumpingpreis abgeben zu müssen, weil man andernfalls auf dem Transfermarkt handlungsunfähig ist. Man hätte bereits vor der letzten Saison auf die eigenen Talente setzen können und müssen, anstatt einem Trainer (Slomka) zu folgen, dem man bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr vertraute. Entsprechend hätte man diverse Fliegen mit dem Bruchteil einer Klappe schlagen können.

Man hätte sich den Saisonstart erspart, hätte Demirbay und Tah das ganze Jahr in Hamburg gehabt, hätte sich Spieler wie Behrami und Olic gespart, die Millionen und Aber-Millionen verschlungen haben. All das wäre möglich gewesen, wenn man den Vorgaben von HSVPLUS gefolgt wäre.

Aber „Didi“ meint ja, das ginge in der Praxis gar nicht. Halleluja.

R.I.P. Klaus Ochs