Bewegung scheint in diesen Tagen ein Fremdwort beim Hamburger Sportverein zu sein, ebenso wie ein Konzept. Da mutet es schon skurril an, dass ausgerechnet der Beseelte (Aufsichtsratsvorsitzender Karl Gernandt, die Red.) davon faselt, dass Beiersdorfers und sein Konzept, mit dem man “ junge Spieler entwickeln und vor allen Dingen den Charakter einer Mannschaft formen will“, der Stein der Weisen sein soll. Skurril auch deshalb, weil dieses „Konzept des Jungbrunnens“ in der letzten Saison überhaupt nicht stattgefunden hat (Olic, Behrami, Müller, Diaz etc.). Egal, der Beseelte sieht das so und offenbar hatte er ja auch genügend Zeit, sich während seiner Abwesenheit auf der Mitgliederversammlung damit zu beschäftigen. Irgendwie köstlich, oder? Ausgerechnet derjenige, der eine von zwei Versammlungen im Jahr wegschwänzt, weil er keine Lust auf unbequeme Fragen hat, möchte jetzt den Charakter von jungen Menschen formen.

Wie dem auch sei, so richtig scheint dieses Konzept nicht überzeugt zu haben, denn Goldbuch-Schreiber und Mäzen Klau-Mi Kühne möchte erst dann wieder in den HSV investieren, wenn ein „klares Konzept ersichtlich ist“. Bedeutet das jetzt, dass das Konzept seines Legaten Gernandt nicht klar genug ist? Man weiß es nicht.

Was man jedoch weiß, ist die Tatsache, dass beim HSV auf dem Transfermarkt Stillstand herrscht. Bis auf Sakai, den ich für einen außerordentlich wichtigen Einkauf halte, passiert nichts und das hat mehrere Gründe. Zum Einen ist bekannt, dass der HSV chronisch blank ist, ein Umstand, den sich die Exzellenzen selbst eingebrockt haben. Hätte man das vermeintliche „Kuddel-Konzept“ bereits vor der letzten Saison und ohne die heutigen finanziellen Zwänge eingeleitet, hätte man auch Nachwuchsspieler mit Potenzial holen können, die dann vielleicht€ 2,5 Mio gekostet hätten. Aber nein, man musste ja unbedingt Populär-Transfers tätigen (Lasogga, Holtby, Müller, Behrami, Olic, Celber etc.) und jetzt ist die Kohle weg. Es gibt aber noch einen anderen Grund und dieser Grund ist allen HSV-Kennern hinlänglich bekannt. Der Chef ist ein Zauderer und so, wie er während einer jeden Pressekonferenz Angst vor dem eigenen nächsten Satz hat, so arbeitet er auch. Jede zu treffende Entscheidung wird nochmal und nochmal durchdacht, überlegt, diskutiert. Solange, bis der umworbene Spieler endlich vom Markt ist.

Auf diese Art und Weise sind in den letzten Wochen einige Spieler durch die Lappen gegangen, die nicht mehr warten wollten und aus diesem Grund kommt es auch zu Hängepartien wie in den Fällen Altintas uns Gregoritsch. Diese Spieler hätten schon längst in Hamburg sein können, aber in Beraterkreisen spricht man mittlerweile davon, dass das, was bei anderen Vereinen 2 oder 3 Tage dauert, in Hamburg eben 2 bis 3 Wochen dauern kann. Der Schnelle frisst den Langsamen und der HSV ist aktuell nicht nur finanziell unbeweglich, er befindet sich auch im Schlafmodus. Erschwert wird diese Geschichte natürlich durch die Erfahrungen der abgelaufenen Saison. Didi hat beinahe ausnahmslos in die Transfer-Tonne gegriffen und sowas macht einen chronischen Zauderer nicht eben entscheidungs-freudiger.

Im Falle Altintas wird diese Sache allerdings langsam peinlich, denn ich haben den Spieler selbst zusammen mit seinen Beratern und Herrn von Heesen im Oktober 2014 in der Geschäftsstelle gesehen, das ist jetzt 9 Monate her. Unglaublich, dass der Spieler immer noch nicht in Hamburg ist. Aber unglaublich ist auch, dass selbst jetzt im Juli in der Geschäftsstelle immer noch Bilder von van der Vaart, Jansen und Co. hängen und wer als Mitglied heute Geburtstag hat, bekommt wahrscheinlich eine Mail mit Glückwünschen vom kleinen Ex-Engel.

Das mögen für sich alles Kleinigkeiten sein, in der Summe jedoch zeichnen sie das Bild eines Vereins, der trotz nahezu 200 Mitarbeitern und Kosten von ca. € 13 Mio. pro Jahr schlechter organisiert ist als Barmbek-Uhlenhorst.

Aber, und da kommen wir zum Eingang zurück – wie soll ich von Mitarbeitern Entscheidungen, Initiative oder ein Mitdenken erwarten, wenn sich der Chef im Kämmerlein verkriecht und das Orakel beschwört, welches ihm die Entscheidungen abnehmen soll?