Eigentlich ist es immer wieder dasselbe: Diskutiert man über neue Spieler, über bevorstehende Transfers, über eventuelle Abgänge, holen Experten und solche, die es sein wollen, die üblichen Argumente aus der Schublade. Diese Argumente variieren im Zweifelsfall und je nach Intelligenzgrad des Diskutanten, die einen meinen, Kriterien wie „Raute im Herzen“ (Kotz³), Laufbereitschaft („reißt sich den Arsch auf“), oder Zugehörigkeit zum Verein (Bester Mann) anführen zu müssen, die anderen versuchen dann doch etwas mehr in die Tiefe der Materie einzutauchen und erwähnen technische Fähigkeiten, vermeintliche Schnelligkeit oder ein nicht vorhandenes Spielverständnis. Die Tatsache, dass nicht einer der Couch-Trainer den Wert eines Spielers tatsächlich beurteilen kann, wird gern und oft außer acht gelassen, es fachsimpelt sich doch so gern.

Besonders im Fall der Innenverteidiger wird unter den Fans des Hamburger Sportvereins ausgesprochen kontrovers gestritten und an der Stelle wird oft und gern der Begriff „Aufbauspiel“ bemüht. So meinen einige, die den Spieler leider noch nie haben spielen sehen, dass Emir Spahic über ein hervorragendes „Aufbauspiel“ verfügt, während die Spieler Westermann und Rajkovic in dieser Disziplin regelmäßig durchgefallen waren. „Tah hat ein gutes Aufbauspiel“ heißt es, währenddessen Sobiech eine Katastrophe im „Aufbauspiel“ sei.

Also liegt doch eigentlich die Frage nahe: Was bedeutet eigentlich „Aufbauspiel“? Wie beurteilt man, ob ein Spieler ein guter und ein schlechter „Aufbauspieler“ ist? Welche Kriterien muss ein Spieler erfüllen, damit man im Zusammenhang mit seinem Namen von einem überragenden „Aufbauspieler“ sprechen kann?

Zuerst einmal, und was keiner weißt, wäre es wichtig zu wissen, welche taktische Vorgabe der gerade beobachtete Spieler eigentlich hat. Nicht jeder Spieler auf vergleichbarer Position (z.B. beide Innenverteidiger) haben die gleichen taktischen Anweisungen und so kann es passieren, dass der eine IV den Auftrag hat, lediglich zu sichern (Ball und Raum), während dem anderen IV der Job zukommt, das Spiel im Ansatz aufzubauen. Dem Spieler, dem vom Trainer nun die taktische Maßgabe der Sicherung ausgesprochen wurde, würde man nun attestieren, er könne „Aufbauspiel“ gar nicht, dabei war es die Ansage des Trainers, dass er dafür gar nicht zuständig war.

Nächster Punkt. Zum guten Spielaufbau gehört nicht nur der flexible Passgeber, es gehört eben auch der fähige Passempfänger dazu. Schönes Beispiel war der HSV während der letzten Saison. Marcelo Diaz gefällt in der chilenischen Nationalmannschaft und besonders im Verlauf der Copa America als guter und sicherer Pass-Spieler, aber im Nationalteam stehen ihm halt auch die entsprechenden Pass-Empfänger zur Verfügung. Habe ich keine Anspielstationen, kann ich der weltgrößte Aufbauspieler sein, ich sehe immer alt aus. So gesehen im Fall Diaz/HSV.

Grundsätzlich redet man im modernen Fußball von den 6 Möglichkeiten zum Aufbauspiel.

1. Spielaufbau durchs Zentrum

 n der Breite von ca. 30 Meter kombinieren zwei Innenverteidiger und zwei 6er solange miteinander bis entweder ein 6er sich in Spielrichtung aufdrehen kann oder ein Innenverteidiger zentral durch die Gasse zum 10er spielen kann. Trainingsschwerpunkte: Klatsch & Dreh, Spannball, Ballan- und Mitnahme nach hinten und diverse gruppentakische Angriffsmittel.

2.Spielaufbau antäuschen

Ein Außenverteidiger bietet sich in offener Stellung dem spieleröffnenden Innenverteidiger an. Er wird angespielt, nimmt den Ball der Linie entlang an und mit, dribbelt einige Meter bis der Gegner sich zur Ballseite verschoben hat und kappt dann um 180 Grad mit dem Ball ab. Nun passt er möglichst schnell zu einem der beiden Innenverteidigern, der den Ball dann zum gegenüberliegenden Außenverteidiger weiterspielt. Dieser sollte nun über genügend Raum verfügen, um effektiv nach Vorne stoßen zu können. Trainingsschwerpunkte: Dribbling, Abkappen, Ballan- und Mitnahme zur Seite, Spielverlagerung und diverse gruppentaktische Angriffsmittel.

3. Spielaufbau über den Dritten

Was bedeutet eigentlich im Fußball „Spiel über den Dritten“? Anstatt direkt von A nach B zu passen, wird über C zu B gepasst! Ablauf: Spieleröffnung von einem Innenverteidiger und dieser passt zu einem sich anbietenden Außenverteidiger. Der Außenverteidiger spielt den Ball direkt wieder zurück, der ballnahe 6er löst sich mit einer Lauffinte und bietet sich für den Innenverteidiger an. Er wird angespielt und lässt je nach Situation den Ball auf den Außenverteidiger oder dem ballfernen Innenverteidiger klatschen. Der Außenverteidiger kann das Spiel nun entweder longline zum Mittelfeldaussen oder mit einem Pass in die Tiefe zum 10er fortsetzen. Trainingsschwerpunkte: Freilaufbewegung, Direktspiel, Spiel über den Dritten und diverse gruppentaktische Angriffsmittel.

4. Spielaufbau über einen Außenverteidiger

Der Außenverteidiger muss bei dieser Variante nicht auf maximale Breite gehen. Nach dem Zuspiel des Innenverteidigers zu ihm, soll eine Dreiecksbildung zusammen mit dem ballnahen 6er entstehen. Zusätzlich geht der ballnahe Mittelfeldaussen in maximale Breite und der ballnahe Stürmer (im 4-4-2) bietet sich in der Tiefe an (beim 4-2-3-1 der 10er). Nach Möglichkeit immer in die Tiefe spielen. Trainingsschwerpunkte: Pass in die Tiefe, Dreiecksbildung, Positionsspiel und diverse gruppentaktische Angriffsmittel.

5Spielaufbau über einen 6er

 Kann sich der 6er nach einem Zuspiel des Innenverteidigers in Spielrichtung aufdrehen, so bieten sich möglichst viele Mitspieler zentral in der Tiefe an. Die Mittelfeldaußen gehen gleichzeitig in maximale Breite. Die angespielten Spieler in der Tiefe suchen nun den Doppelpass mit den Mittelfeldaussen. Trainingsschwerpunkte: Ballan- und Mitnahme nach hinten, Pass in die Tiefe und Doppelpass.

6. Spielaufbau mit drei Innenverteidigern

Wird das Spiel von einem Innenverteidiger eröffnet, startet ihm ein 6er entgegen und fordert das Zuspiel. Er erhält den Pass und positioniert sich zwischen den beiden Innenverteidigern. Die Mittelfeldaussen schieben maximal hoch und rücken nach innen ein. Die beiden Außenverteidiger gehen maximal breit und schieben bis in die gegnerische Hälfte hoch. Die restlichen drei Spieler (z. B. zweiter 6er, 10er und ST) gehen in der Red Zone (Raum zwischen gegnerischer Abwehr- und Mittelfeldlinie) auf Lücke. Die drei „Innenverteidiger“ kombinieren untereinander, aber immer mit dem Ziel einen tiefen Pass in die Red Zone zu spielen. Kann sich hier der Angespielte mit dem Pass aufdrehen, können sehr gut die Mittelfeldaussen in Szene gesetzt werden. Trainingsschwerpunkte: Pass in die Tiefe, Positionsspiel und diverse Ballan- und Mitnahme-Techniken.

(Quelle: http://www.abwehrkette.de/varianten-spielaufbau/)

Man sieht, die Beurteilung, ob ein Spieler/Innenverteidiger über ein überragendes „Aufbauspiel“ verfügt oder nicht, ist so einfach nicht zu beantworten, wenngleich auch gern mit diesem vermeintlichen Fachbegriff geradezu inflationär operiert wird – es hört sich halt extrem fachmännisch an, ist tatsächlich aber Mumpitz. Was man eventuell beurteilen kann, ist die Fähigkeit eines Spielers, die Vorgaben des Trainers zu einem Großteil zu erfüllen und im vorgegebenen System des Coachs zu funktionieren. Dazu müsste man aber die taktischen Vorgaben des Übungsleiters kennen.