Man liest es ja immer mal wieder, aber was genau soll das eigentlich bedeuten?

„Der Spieler identifiziert sich mit dem Verein…“

Welche sollen die Kriterien sein, an denen man festmachen kann, ob sich ein Spieler tatsächlich mit dem aktuellen Verein identifiziert? Aber was soll das wirklich sein? Identifikation mit dem Arbeitgeber? Bedeutet es, dass man in der Öffentlichkeit nicht schlecht über seinen Brötchengeber redet? Dass man keine zweifelhaften Tweets absondert, anhand derer investigative Fans erkennen können, dass der Verein eben doch nur ein Arbeitgeber und eben keine Herzensangelegenheit ist?

„Früher“ war alles besser (und einfacher), heißt es. „Früher“ reichte es, wenn man das Trikot seines Vereins trug, Samstag für Samstag eine bestmögliche Leistung abrief und ansonsten die Klappe hielt. „Früher“ wechselten die Spieler aber auch nicht alle 2 Jahre den Verein und „früher“ erhielt der Verein, bei dem der Spieler unter Vertrag stand, grundsätzlich eine Ablösesumme, ganz egal, ob der Vertrag auslief oder nicht. Bosman und Pay-TV haben alles verändert. Heutzutage gelten Verträge so gut wie nichts mehr und sind häufig nicht mal das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Heute wird der Markt mit Geldern überflutet, dass einem schwindlig werden kann, Spieler mit Jahresgehältern in zweistelliger Millionenhöhe sind längst keine Seltenheit mehr.

Aber ist in diesen Zeiten des Kommerz und der Vertragsbrüche überhaupt noch Zeit für sowas wie „Identifikation mit dem Verein“? Oder anders gefragt: Ist es vielleicht genau jetzt ein besonderes Merkmal, wenn ein Spieler in diesen geldgetriebenen Zeiten eine überproportionale Vereinszugehörigkeit demonstriert? Zeigt dieser Spieler den Fans ht, die vereinstreue Spieler vergöttern, durch öffentliche Bekundungen nicht, dass es Menschen seiner Art trotz der Kommerzialisierung immer noch geben kann?

Den meisten Akteuren scheint das alles egal zu sein. Sie haben sich entweder der Realität gebeugt oder sind so beraten, dass es nicht wichtig ist, einen (falschen) Schein zu erstellen. Aber einige Spieler spielen das Spiel anders und sie sind diejenigen, von denen die Fans dann annehmen, sie würden sich mehr als ihre Kollegen mit dem Verein identifizieren. Beispiele beim HSV gibt es einige.

Da wäre zuerst einmal einer der Vorreiter derjenigen, die ohne die Raute irgendwo am Körper nicht mehr leben wollen – Marcell Jansen. Extrem geschickt platzierte Nachrichten via Twitter und Facebook, aufmunternde Sprüche in Richtung der Fans und als (vorläufigen) Höhepunkt nun das Ende der Karriere mit 29, weil man für keine anderen Verein eine derartige Hingabe mehr würde entwickeln können. Die Fans honorieren das mit Beifall, dem Spieler wird ob seiner offenkundigen Liebe zum Verein Respekt gezollt, Cello ist einer von uns. Ehrenmann. Bester Mann.

Auf die Art und Weise gelingt es teilweise sogar, mangelhafte Leistungen zu kaschieren, weil – der Spieler ist ja ein Ehrenmann. Er hat die Raute irgendwo und dann verzeigt der geneigte Fan den einen oder anderen Fehler gnädig.

Gegenbeispiel war Heiko Westermann, der sich aus all diesem Social Media-Klimbim weitestgehend raushalten und nur Fußball spielen wollte. Heiko konnte sich den Selbigen aufreißen, konnte für Mitspieler in die Bresche springen, auch nach den übelsten Niederlagen vor die Mikrophone treten, er blieb trotzdem ein Verlierer, weil er eben nie öffentlich demonstriert hat, dass er ohne HSV-Bettwäsche nicht einschlafen kann. Der verspätete „Ich bin HW4-Versuch“ wirkte dann leider eher ein wenig peinlich und taugte zur Satire.

Der wahre Meister der Selbstinszenierung ist allerdings Lewis Holtby. Lewis ist omnipräsent, er twittert und facebooked mehr als er spielt. Nette Selfies mit Kollegen im Bus, Bilder von sich, wie er außerhalb der Trainingseinheiten schuftet, Grüße an die Fans aus dem Urlaub, Holtby hat die Raute so dermaßen, dass es eine Freude ist. Ich weiß zwar nicht ganz genau, welche die Vereins-Symbole von Mönchengladbach, Aachen, Bochum, Schalke, Mainz, Tottenham und Fulham sind, aber ich bin sicher, Lewis hatte sie alle im Herzen.

Damit man mich nicht falsch versteht, ich verurteile eine derart intensive und professionelle Social Media-Arbeit gar nicht, ich möchte sie nur richtig bewertet wissen. Und ich möchte aufzeigen, wie leicht es eigentlich ist, den Fans zu suggerieren, wie sehr man doch am aktuellen Verein hängt, wie sehr man die Fans, das Stadion, die Stadt, den Trainer und das Maskottchen liebt, obwohl all das einen nicht davon abhalten würde, beim nächst-besseren Angebot weiter zu ziehen, denn das ist das Geschäft und alle spielen es, bis auf die Fans. Sie sind am Ende des Tages die Einzigen, die am Verein hängenbleiben, während Spieler, Trainer, Vorstände, Manager etc. weiterziehen. Das ist nicht richtig oder falsch, das ist Tatsache.

Als Spieler ist man heutzutage gut beraten, wenn man über die sozialen Medien ein Bild von sich entstehen lässt, wie es die Fans gern sehen würden. Dazu noch bereitwillig alle Autogrammwünsche und Selfie-Anfragen befriedigen, in einem unwichtigen Testspiel den Ball nach einem Tor übereifrig aus dem Netz fischen, um zu zeigen, wie heiß man ist. Wenn man dann ganz clever ist, dann rennt man während eines Pflichtspiels wie ein hektischer Brummkreisel über den Acker und verbreitet Panik, weil das eben extrem engagiert aussieht.Der Trainer bekommt im Zweifelsfall graue Haare, weil sich der Facebook-König an keine taktische Vorgabe hält, aber die Fans können dabei sein, wenn sich der „Meister der Herzen“ die Lunge aus dem Hals wetzt.

Was zählen denn schon Punkte und Tore, wenn man doch erkennen kann, dass es Spieler gibt, die sich wenigstens mit dem Verein identifizieren. In diesen dunklen Tagen….