„Das, was andere können, muss beim HSV doch auch möglich sein. Borussia Dortmund lag sportlich und finanziell auch am Boden und wurde wenige Jahre später Meister. Borussia Mönchengladbach war in der Relegation eigentlich schon ausgeschieden und spielt jetzt international. Der FC Augsburg schafft es mit geringsten Mittel, Jahr für Jahr eine schlagkräftige und erfolgreiche Mannschaft auszustellen. Das muss in Hamburg auch möglich sein“

Kein Ahnung, wie oft ich diese Beispiele seit 2011 lesen und hören musste. Die größtenteils verzweifelten HSV-Fans klammern sich nach wie vor an Beispiele anderer Clubs und vergessen (bzw. sie glauben nicht mehr dran), dass der Hamburger Sportverein seine eigene (Erfolgs)-Geschichte schreiben muss, denn mit dem Kopieren ist das so eine Sache, sie geht selten gut.

Aber schauen wir uns die herangezogenen Beispiele doch mal im Detail an.

Beispiel Dortmund

Am Ende der Saison 2007/08 waren die Borussen als Tabellen-8. im sportlichen Niemandsland angekommen, jedoch war die finanzielle Situation das weitaus größere Problem, der BVB stand unmittelbar vor der Insolvenz. In dieser fatalen Situation tätigte Geschäftsführer Watzke (seit 2005 im Amt) eine richtungsweisende Personalentscheidung: Er holte den Trainer Jürgen Klopp aus Mainz. Zusammen mit dem bis dato durchschnittlich erfolgreichen Manager Zorc (seit 1998 im Amt) bildeten Watzke und Klopp ab 2008 ein Trio, welches gemeinsam die richtigen Entscheidungen trafen und den Grundstein für das legten, was der BVB heute darstellt. Vor allem aber trafen die Drei zusammen von Anfang an relativ viele richtige Transfer-Entscheidung, was sowohl Zugänge wie aber auch Abgänge betraf.

Vor der Saison 2008/09 kamen zum BVB u.a. folgende Spieler hinzu:

Subotic/20 (€ 4,5 Mio.), Zidan/26 (€ 2,6 Mio.), Owomoyela/28 (€ 2,5 Mio.), Santana/22 (€ 2,1 Mio.), Hajnal/27 (€ 1,25 Mio), Schmelzer/20 (BVB II.)

Gesamt-Transferausgaben: 13,75 Mio.(zum Vergleich – der HSV gab in der ersten Saison unter Beiersdorfer € 35,8 Mio. aus)

Folgende Spieler verließen Dortmund in diesem ersten „Klopp-Jahr“:

Petric/27 (€ 7,3 Mio.), Pienaar/26 (€ 2,75 Mio.), R. Kovac/34 (€ 0,450), Kruska/21 (€ 0,750), Klimovicz/34 (€ 0,350) usw.

Gesamt-Transfereinnahmen: € 12,3 Mio. (zum Vergleich – der HSV nahm in der ersten Saison unter Beiersdorfer € 23,15 Mio. ein)

Anders ausgedrückt: Der BVB machte im ersten „Klopp-Jahr“ ein Transferminus von € 1,45 Mio., der HSV unter Beiersdorfer € 12,65 Mio.)

Man erkennt sofort – am Geld allein liegt es offenbar nicht, es liegt vielmehr an den richtigen Personal-Entscheidungen. Die wichtigste Entscheidung in Dortmund hieß Klopp, mit ihm kamen die weiteren richtigen Transfer-Entscheidungen der folgenden Jahre, die sportliche Weiterentwicklung der Mannschaft, die verbesserte Außendarstellung des Vereins. Und: während Klopp bis 2015 durchgehend Trainer des BVB war, „verbrannte“ Beiersdorfer in seinem ersten Jahr als Vorstandsvorsitzender bereits 4 Trainer.

Der Vergleich zum BVB ist also nicht zulässig.

Beispiel Gladbach

Die Borussia aus Mönchengladbach war in der Saison 2010/11 sportlich am Boden, als Tabellen-16. rettete man sich in die Relegation, die man überstand. Aber – am 14.02.2011 holte man den damals arbeitslosen Schweizer Lucien Favre als Trainer, der 2009 in Berlin entlassen worden war. Favre schaffte nicht nur die Relegation (nachdem Gladbach am 17. Spieltag mit 10 Punkten Tabellenletzter war), er hauchte dem Verein durch akribisches Arbeiten und dank einer klaren Spiel-Philosophie auch neues Leben ein. Von Favre profitierten dann auch der bisher glücklose Manager Max Eberl (seit 2009 im Amt) und zusammen mit einer dezenten und unaufgeregten Vereinsführung wurde das Schiff Borussia Mönchengladbach relativ schnell in erfolgreiche Gewässer gefahren. (Tabellenplätze 4, 8, 6, 3).

Man sieht auch an diesem Beispiel: Der Erfolg oder Misserfolg hängt zum Teil an einer einzigen Personal-Entscheidung und es ist häufig die Personalie des Trainers, die den Unterschied zwischen Relegation oder Europa-League ausmacht. Ein überdurchschnittlicher Trainer kann eine Mannschaft entwickeln, kann das System perfektionieren und kann sogar einen bis dahin mäßig erfolgreichen Manager mitreißen. Voraussetzung ist dabei jedoch: Man muss an den Trainer glauben und ihm vom Verein komplette Rückendeckung geben. Und: Es dürften maximal drei Personen mitreden.

Vorstand/Geschäftsführer, Manager, Trainer. Feierabend. Sobald sich weitere Trittbrettfahrer (Aufsichtsräte, Investoren, Direktoren, andere Vorstandsmitglieder, „externe vereinsinteressierte Kreise“) ins Spiel bringen, kann man die Geschichte vergessen.

Beispiel Augsburg.

Auch hier wie bei den beiden vorherigen Beispielen auch: Mit dem richtigen Trainer (Weinzierl) begann der richtige Manager (Reuter) richtig zu performen, zusammen mit Vorstand Hofmann werden die Entscheidungen getroffen. Man hat einen Blick für Talente, bietet einen ruhigen, solide geführten Club ohne Skandale.

Erkenntnis: Bei allen drei beschriebenen Beispielen kam der Erfolg mit dem richtigen Trainer. Dieser gab die Richtung vor, riss die anderen Entscheidungsträger mit, wobei die Anzahl der Entscheidungsträger auf maximal drei begrenzt sein sollte.

Beim HSV läuft es leider anders

Warum nun kann man diese Beispiele nicht auf den HSV übertragen? Herrjeh, wo soll man anfangen? Zuerst einmal stinkt der Fisch am Kopf. Beiersdorfer ist schlicht und ergreifend der falsche Mann auf dem falschen Platz und wer der Meinung ist, er wäre ja zumindest ein guter Sportchef gewesen, der sollte seinen Verstand nutzen, denn auch das ist falsch. Aber eigentlich geht es noch früher los, es beginnt nämlich bereits beim Aufsichtsratsvorsitzenden Gernandt. Der Mann, der sich offensichtlich für eine Art Sonnenkönig hält, im AR einsame Entscheidungen trifft, ohne sie mit seinen Kollegen abzustimmen, ist der Erste in der Nahrungskette, der für eine weiterhin chaotische Vereinsführung steht. Dazu kommt ein erfolgloser Zauderer als Vorstandsvorsitzender, ein Strippenzieher als Vorstand Marketing, ein dröger Rucksack-Verlierer als Direktor Profifußball ohne Kompetenzen, ein unsympathischer Direktor Sport, ein grantiger Investor und am Ende ein geduldeter Trainer mit einer Halbwertzeit von 6 Monaten. Und dann fragt sich jeder, warum dieser HSV trotz Investitionen von mehr als € 50 Mio. !!!! in zwei Jahren nicht erfolgreicher wird?

Die dauerhafte Erfolglosigkeit des HSV liegt nicht am Standort Hamburg. Sie liegt auch nicht an der pösen Presse oder dem Reizklima. Sie liegt nicht an der Müllberbrennungsanlage und wohl auch nicht an der belämmerten Stadionuhr.

Die dauerhafte Erfolglosigkeit des HSV liegt an den handelnden Personen und wie man an den aufgeführten Beispielen erkennen kann, kann die richtige Personal-Entscheidung sogar zu signifikanten Veränderungen und schnellen Erfolgen führen. Insofern ist dieses hilflose Gesülze von wegen „Geduld“ und „wir haben ja ach so viele Prozesse angeschoben“ nichts als heiße Luft und dient nichts anderem als der Entschuldigung für massive Unfähigkeit.  Prozesse muss man nicht anschieben, man muss sie leben. Didi und seine Exzellenzen leben jedoch seit mittlerweile mehr als einem Jahr die fleischgewordene Hilflosigkeit vor und es besteht absolut kein Anlass, auf Besserung zu hoffen.

Für einen sportliche Verbesserung bedarf es keiner Workshops, es bedarf der richtigen Leute und die hat der HSV nun mal nicht.