Lasogga

Wie ihr wisst, bin ich mit einer Vorverurteilung bzw. überharten Kritik an/von Spielern grundsätzlich vorsichtig. Besonders vom Boulevard und Verzweiflungs-Journalisten vom Schlage Matz und Scholz werden Spieler viel zu schnell in eine Ecke gestellt, abgekanzelt und mit dem Etikett des Versagers ausgestattet. Mir geht das immer viel zu schnell, denn wie oft haben wir besonders in Hamburg erlebt, wie aus der Altlast von gestern der Hoffnungsträger von morgen werden kann (z.B. Kacar)

Bei einem der teuersten Spieler im aktuellen Kader des HSV gerate ich jedoch langsam aber sicher an meine Grenzen, wobei ich eines vorab klar stellen möchte:

Weder kann der Spieler etwas für seine Ablösesumme (die handeln die Vereine untereinander aus) noch für sein Gehalt (das hat ihm der aktuelle Verein angeboten). Teilweise kann der Spieler selbst noch nicht einmal etwas für seine bescheidende Performance, denn besonders ein Spieler vom Typus Lasogga benötigt eine Taktik respektive ein Spielsystem, welche auf ihn und seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Verpflichte ich als ein Verein wie der HSV einen Spieler dieser Art, dann weiß ich, worauf ich mich einlasse und weiß, was ich bekommen. Und was ich eben nicht bekomme. Ich kann als Verein aber nicht einfach einen Spieler für € 8,5 Mio. kaufen, um ihn zu haben. Na, und dann gucken wir mal, was passiert, oder was?

Dabei sah es so aus, als wäre Lasogga ein Mittelstürmer-Typ, der in der Bundesliga zumindest für einen deutschen Spieler selten und begehrt sein könnte. Dies in Zeiten, in denen reine Stoßstürmer seltener und 10 1/2 oder hängende Spitzen häufiger auftreten. Nur: Wenn ich mich für einen solchen Stürmer entscheide, muss ich auch so spielen (lassen), dass ich seinen solchen Typen benötige.

Lasogga machte in seiner ersten Bundesliga-Saison in Berlin in 32 Spielen insgesamt 8 Tore. In diesen 32 Partien spielte er im Schnitt knappe 60 Minuten, kann also nicht als Einwechsel- oder Ergänzungsspieler angesehen werden. Für einen damals 20-Jährigen eine gute Quote. Am 05.05.2012 erlitt PML dann einen Kreuzbandriss, der ihn für mehr als ein halbes Jahr außer Gefecht setzte und der seiner Karriere einen ersten herben Knick verpasste.Hatte er zuvor noch relativ wenig gesundheitliche Probleme, so mehrten sich die Verletzungen nach seinem Kreuzbandriss überproportional.

Außenbandriss (2013), Oberschenkelzerrung (2014), Muskelverhärtung (2014), Oberschenkelprobleme (2014), Muskelfaserriss (2015), „Muskuläre Probleme“ (2015). Insgesamt fiel Lasogga seit seiner Horror-Verletzung 162 Tage wegen Verletzung aus, leider immer ausgerechnet dann, wenn es in die Vorbereitung für die neue Saison bzw. in die Winter-Vorbereitung ging. Dies hatte zur Folge, dass der Spieler nur in Hamburg die letzten 4 von 5 Vorbereitungen nahezu komplett verpasste.

Dazu muss man erwähnen, dass den Hamburgern die Verletzungsanfälligkeit des gebürtigen Gladbeckers bekannt war, man holte ihn trotzdem und man holte ihn für € 8,5 Mio. und stattete ihn mit einem Monstervertrag aus (€ 3,6 Mio. per anno), obwohl der Spieler in Berlin nur noch einen Vertrag über ein Jahr hatte und man sich seitens des HSV ein Sparprogramm auferlegt hatte.

Kurz noch einmal zurück. In dem Jahr, in dem Lasogga von der Hertha ausgeliehen war, erzielte er in 20 Spielen insgesamt 13 Treffer und besonders das Tor in der Relegation gegen Fürth machte ihn zum „Retter“. Die Frage, was der „Retter“ ohne die Ecke von van der Vaart gemacht hätte, stellt sich der gemeine Fan nicht, er möchte einen Relegations-Helden und hier beginnt das eigentliche Problem.

Als man nach der glücklich überstandenen Relegation mit der neuen Vereinsführung in Hamburg überlegte, wie wohl der Kader für die nächste Saison würde aussehen sollen, war natürlich die Personalie Lasogga eines der wichtigsten Themen.

Möchte man so viel Geld für einen Spieler in die Hand nehmen, der nur noch einen Vertrag für ein weiteres Jahr hat?

Möchte man insgesamt knapp € 27 Mio. für einen Akteur aufbringen, der im Grunde nur in ein Spielsystem passt?

Möchte man die Verletzungsanfälligkeit ignorieren und komplett auf eine Karte setzen?

Oder möchte man den Fans erklären müssen, dass man von der festen Verpflichtung des Relegations-Helden aus finanziellen Gründen Abstand nimmt?

Möchte man sich diesem Shitstorm aussetzen oder möchte man sich als frisch installierter Vereinsrettungs-Didi als der Mann abfeiern lassen, der den Retter bindet?

Ich denke, dass den Verantwortlichen in Hamburg das Risiko Lasogga sehr wohl bewusst war, man aber aus Gründe der Selbstvermarktung das Risiko gehen wollte. Gleich am Anfang der Tätigkeit ein positives Ausrufungszeichen setzen und den Fans zeigen, dass Dukaten-Didi back in town ist. Die nahezu gleichen „Fehler“ begingen die Exzellenzen meiner Auffassung nach ein Jahr später mit Lewis Holtby, ein Spieler, der fast ausschließlich von einem imaginären Ruf lebt und für den HSV noch nicht ein wirklich gutes Spiel gemacht hat. Dabei möchte auch hier dem Spieler Holtby keinen Vorwurf machen, dass er so dermaßen viel Geld bindet. Der Fehler liegt vielmehr im Exzellenz-Bereich, denn die Herren meinen mit Image-Käufen ihren eigenen Ruf zementieren zu können.

Das Resultat? Wie auch bereits zuvor ein seltsam zusammengekaufter Haufen, der nicht harmoniert. Erinnert werden darf an dieser Stelle an den „Königs-Transfer 2014“,  Valon Behrami, denn auch mit diesem Spieler wollte man irgendein seltsames Zeichen setzen. Bleibt zu hoffen, dass der „Königs-Transfer 2015“, Albin Ekdal, nicht das nächste PR-Eigentor der hoffnungslos überforderten Vereinsführung wird, die sich auch heute noch damit brüstet, dass man ja mal einen Brasilianer nach St. Petersburg locken konnte. Von den zahlreichen Fehlgriffen spricht Düdü eher selten.

Im Moment hat man den Eindruck, als sollte Pierre-Michel Lasogga auf Wunsch der Vereinsführung einen Weg  wie Behrami gehen, denn obwohl der Stürmer diesmal die gesamte Vorbereitung mitmachen konnte, ist er nur noch zweite Wahl hinter einem limitierten Schipplock und die Frage, wie lange PML sich das klaglos angucken wird, wird schnell beantwortet werden.