Da mutet es schon skurril an, dass ausgerechnet der Beseelte (Aufsichtsratsvorsitzender Karl Gernandt, die Red.) davon faselt, dass Beiersdorfers und sein Konzept, mit dem man “junge Spieler entwickeln und vor allen Dingen den Charakter einer Mannschaft formen will“, der Stein der Weisen sein soll. (HSV-Arena 03.07.2015)

Ganz ehrlich – ich kann sie nicht mehr quatschen hören. Den Vorstandsvorsitzenden mit seinen gähnenden Ausführungen, bei denen jeder aufmerksame Zuhörer merkt, dass der Mann Angst vor seinem eigenen nächsten Satz hat. Den Versammlungs-schwänzenden Aufsichtsratsvorsitzenden, der in dieser Saison zwar weniger redet als früher, aber wenn er redet, denn kommt Käse raus. Und selbst Trainer Labbadia, den ich als Mensch und auch als guten (wenn auch leider nicht außergewöhnlichen) Coach schätze, kann ich nicht mehr ertragen, wenn er in wirklich jedem Gespräch im spätestens dritten Satz irgendwem ein „Gombliment“ machen muss.  Ja, gequatscht wird viel im Volkspark und viel quatschen tut auch der Chef-Wasserflaschenöffner, der die Pressekonferenzen immer so launig moderiert, der aber nicht in der Lage ist, sich dem Anlass entsprechend zu kleiden (Campus-Präsentation).

Gequatscht wurde auch über das spektakuläre Jugendkonzept, eine Maßgabe, die den Herren im Vorstand von der Initiative HSVPLUS vorgegeben wurde und die sie seither mit Füßen treten, wenn sie auch ständig etwas anderes behaupten.

Nun hat es also nach Hakan Calhanoglu (20/türkischer A-Nationalspieler) im letzten Jahr, die Spieler Tah (19/deutscher U19-Nationalspieler), Brunst (20/deutscher U19-Nationalspieler), Steinmann (20/deutscher U20-Nationalspieler), Krol (17/deutscher U16-Nationalspieler), Jacobsen (18/ deutscher U17-Nationalspieler) Kerem Demirbay (22/deutscher U21-Nationalspieler) „erwischt“, er fiel dem überragenden Jugendkonzept der Exzellenzen zum Opfer. Vielleicht ist es an der Zeit, einmal die Wahrheit über diese Geschichte zu schreiben.

Demirbay kam am 01.07.2013 aus Dortmund nach Hamburg, geholt wurde er von Frank Arnesen. In der Saison 2014/15 wurde er erstmals verliehen und spielte in Kaiserlautern eine gute bis sehr gute Zweitliga-Saison. Den „Statistikern“ untern den Leser sei gesagt, dass sie vielleicht irgendwann mal ein Fußballspiel sehen und weniger bei Transfermarkt.de rumhängen sollten. Auf jeden Fall ließ unser aller Profifußball Direktor keinen Zweifel daran, dass man Kerem unbedingt nach Hamburg zurückholen wolle, schließlich war er ja nur aus Gründen der Aus-und Fortbildung in die Pfalz geschickt worden. Die Tatsache, dass der Spieler dem grauenvollen Spiel des HSV in der letzten Saison bereits sehr gut getan hätte, wird heute auch gern ignoriert, aber ok.

Demirbay wurde also „besabbelt“, nachdem man ihn, genau wie Jonathan Tah, ein komplettes Jahr links liegen gelassen hatte und sich nicht bei ihm meldete. Das ist übrigens kein Gerücht eines Spielers oder Beraters, das ist die Wahrheit. Die Wahrheit über den Konzerndirektor, der mir gegenüber im Gespräch von Auto- und Flugkilometern fabuliert hatte. Demirbay kam also zurück nach Hamburg, spielte eine gute Vorbereitung, aber das Gefühl, dass man tatsächlich auf ihn zählte, bekam er nie. In der Zwischenzeit kamen mehrere Bundesliga-Vereine (Bremen, Stuttgart, Augsburg) auf den HSV zu und wollten den Linksfuss für die nächste Saison verpflichten, also kaufen. Der HSV lehnte ab. Als Folge daraus orientierten sich die interessierten Vereine um und besetzten die vakante Position anderweitig. Jetzt aber, wenige Tage vor Ende der Transferperiode, möchte der HSV den Spieler Demirbay, dem man monatelang erzählte, wie sehr man auf ihn setzen würde, abgeben. Allerdings sind die Möglichkeiten jetzt mehr als begrenzt, weil die meisten Vereine mit ihren Planungen fertig sind. Bleibt also nur eine erneute Leihe, diesmal nach Düsseldorf.

Am Ende dieser Leihe wird Demirbay noch einen Vertrag für ein weiteres Jahr in Hamburg haben und wer meint, dass er diesen Vertrag verlängern wird, der glaubt auch noch an den Rathausmarkt. Also: Der HSV vergrätzt seine Spieler zuerst (Beispiel Tah), erklärt in der Öffentlichkeit, wie sehr man sich freuen würde, wenn verbesserte Akteure nach Hamburg zurückkommen würden, aber leider haben sie dann trotzdem keine Zukunft in der Hansestadt. Stattdessen kauft man lieber Zweitligaspieler für € 3 Mio., Kicker von italienischen Absteigern für € 4,5 Mio. oder lässt einen Forrest Gump-Holtby auf dem Feld rumpropellern, bis er auch den letzten Mitspieler zum Wahnsinn getrieben hat.

Aber halt, wir haben ja noch Shootingstar Gideon Jung, der aktuell die Rolle einnimmt, die in der letzten Saison die Spieler Götz, Gouaida und Marcos gespielt haben, der Quoten-Jugendliche. Auch Jung wird wieder in der zweiten Reihe verschwinden, sobald Marcelo Diaz bei 100% ist, da bin ich sicher.

Aber worum geht es eigentlich? Es geht nicht nur darum, dass in Hamburg hoffnungsvolle Nachwuchsspieler und Eigengewächse davon gejagt werden, es geht um die Glaubwürdigkeit der Aussagen unserer Exzellenzen und damit ist es nicht besonders weit her. Welchem Berater möchte man eigentlich noch glaubhaft erklären, dass ein Nachwuchsspieler in Hamburg eine echte Chance hätte?

Es ist schon überaus bedauerlich, dass es für Spieler wie Beister (Abfindung), Sobiech (Abfindung), Zoua (ablösefrei),  Jiracek (wahrscheinlich Abfindung) angeblich keinen Markt gibt, noch tragischer ist allerdings, dass es für die Herren Beiersdorfer und Knäbel ebenfalls keinen zu geben scheint. Einen Gernandt kann man schlecht verkaufen, der arbeitet offiziell ehrenamtlich.