Mal ganz ehrlich, Freunde der kasachischen Blutsuppe, nimmt man die dreifarbige Vereinsbrille ab, dann war das, was gestern in Köln-Müngersdorf passiert ist, ein ganz normales Fußballspiel. Zumindest war es der Verlauf eines ganz normalen Fußballspiels und zwar eines der Art, von der der HSV in der Vergangenheit reichlich profitiert hat.

Eine Mannschaft führt, versucht, das Ergebnis zu erhöhen, um eine Entscheidung zu erzwingen. Die andere Mannschaft kommt durch einen krassen Abwehrfehler zum Ausgleich. Kurz darauf fällt der Schiedsrichter eine Fehlentscheidung, pfeift einen absolut unberechtigten Elfmeter, legt das Foulspiel gemäß der Regel als Notbremse aus, zeigt dem Übeltäter Rot, der Gegner geht (nicht völlig unberechtigt) in Führung. Im Anschluss daran drängt die zurückliegende Mannschaft mit 10 gegen 11 auf den Ausgleich und der Schiedsrichter, der wirklich nicht seinen besten Tag erwischt hat, verweigert einen Elfmeter, den man durchaus hätte geben können.

Keine Verschwörung

Wie gesagt – ein ganz normales Bundesligaspiel. Weder Welt-Verschwörung gegen den armen HSV, noch ein durchtriebener Plan der DFL, die den Hamburger ja bereits am ersten Spieltag ein Auswärtsspiel bei den Bayern beschert hatte. Was einige Aufgebrachte und einige völlig Verblödete daraus wieder einmal in den (a)sozialen Medien machen wollten ist ebenso perfide wie das, was einige sogenannte Berufsjournalisten auf der Suche nach Jubelpersern und Spendern daraus machen wollen, aber dazu später mehr.

Auffälligkeiten

Für mich waren an diesem Spiel verschiedene Dinge auffällig. Zuerst einmal: Der HSV spielte nicht gut und nicht schlecht, der HSV spielte das, was der HSV zur Zeit spielen kann und das ist wenig. Spielerisch ist nach wie vor vieles dem Zufall und der Einzelaktion geschuldet, eine echte Spielsystematik ist nach wie vor nicht zu erkennen. Das mag dem einen oder andere genügen, ich finde dies deutlich zu wenig. Zu wenig daran gemessen, was man in den letzten 14 Monaten investiert hat und gemessen daran, dass es tatsächlich nicht einen einzigen Entwicklungsschritt nach vor gegeben hat. Der HSV ist immer dann in der Lage zu bestehen, wenn es ihm gelingt, den Gegner auf das eigene beschränkte Niveau herab zu ziehen.

Die erweitere Spieltaktik im Verlaufe des Spiels mag für den Brüll-Fan auf der Tribüne einigermaßen attraktiv wirken, aber es ist nun mal nicht besonders clever, wenn man wie der HSV spielt und dann beim Stande von 1:0 versucht, mit Mann und Maus auf das 2:0 zu drängen, während man hinten offen wie ein Scheunetor steht und sich auf des Gegners Platz auskontern lässt. Wenn dann noch eklatante individuelle Fehler wie die defensive Zweikampfführung eines Diekmeiers (seit nunmehr 4 Jahren) und eine fehlende Abstimmung in der Innenverteidigung hinzu kommen, läuft es am Ende eben so, wie es gelaufen ist.

Desweiteren fällt mir mit jedem Spiel deutlicher auf, dass zumindest Teile der Mannschaft konditionell nicht auf der Höhe zu sein scheinen. Dabei lief die gesamte Mannschaft des HSV gestern zusammen lediglich 114,4 km, ein Durchschnittswert. Hier fällt mir erneut die Aussage des Spielers Sakai ein, der berichtete, dass er eine deutlich härtere Vorbereitung erwartet hatte. Sollte tatsächlich in der Saison-Vorbereitung im konditionellen Bereich nicht ausreichend gearbeitet worden sein, wird sich dies im Verlauf der Saison noch bemerkbar machen.

Drei Dinge noch

Der Elfmeter (für Köln). Nach mehrmaligem Zeitlupen-Studium ist dann erkennbar, dass es eben kein Foul von Spahic, sondern ein Stolperer von Modeste war. ABER – der Umstand, dass Schiedrichter Aytekin ohne zu zögern auf den Punkt zeigte und anschließend in die Gesäßtasche griff, macht mehr als deutlich, dass der vorbestrafte Bosnier bei den Unparteiischen nahezu Null Kredit hat. Ist Spahic dabei, geht jeder Schiri automatisch von einem Vergehen aus. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass der Innenverteidiger immer der Erste am Referee ist, wenn es darum geht, sich zu beschweren, Karten für den Gegner zu fordern usw. Keine Rudelbildung ohne Spahic. Dies muss den HSV-Verantwortlichen bewusst gewesen sein und sie sind das Risiko eingegangen. Die Folgen werden wir im Laufe der Saison zu spüren bekommen. Das Image eines 35-Jährigen kann man nicht mehr ändern, das Stigma wird bleiben.

Wie ihr wisst, bin ich nicht Masochist genug, um mir das Gruselformat „StammelTV“ anzutun. Gestern wurde ich von mehreren Lesern und Freunden gebeten, mir die Freakshow rein zu ziehen und ich kann nur sagen, dass mich das, was der Spendenaufrufer, der sich ein Leben ohne den HSV nicht vorstellen kann, dort veranstaltet, komplett aus den Schuhen haut. Ein Clown, der sich selbst öffentlich als angebliches Mobbing-Opfer mit Hang zum Suizid positioniert hat, kreischt dort wie ein geistig Umnachteter herum, fordert den Schiedsrichter (seit 2011 FIFA-Referee) auf, sich „einzubuddeln“ und nie wieder zu pfeifen. Nicht nur, dass sich diese öffentlich-geäußerten Texte am Rande zur Volksverhetzung befinden, sie sind auch einfach menschlich nur daneben. Was allerdings jemand bereit ist zu tun, wenn er merkt, dass ihm die Fälle davon schwimmen und er der Meinung ist, er müsste mit allen (legalen und illegalen) Mitteln die kranken Bedürfnisse seiner primitiven Leserschaft befriedigen, kann man an diesem Beispiel bestens ablesen. Ekelhaft, widerlich, krank.

Nach #Rucksackgate nun #Entschuldigungsgate? Keine Ahnung, was Torschütze Lewis Holtby sich dabei dachte, als er vor laufenden Kameras behauptete, Schiedsrichter Aytekin wäre in der HSV-Kabine gewesen und hätte sich bei Emir Spahic entschuldigt. Der Unparteiische bestritt den Vorgang und auch der HSV selbst erklärte via Twitter, dass es dieses Gespräch nie gegeben hätte. 

Aytekin war nach dem Spiel nicht in der HSV-Kabine u. hat sich für den Elferpfiff entschuldigt. Lewis Holtby hat da etwas falsch verstanden

Falsch verstanden? Wie kann man denn bitte „falsch verstehen“, wenn ein Mensch gar nicht an einem bestimmten Ort war und ein angebliches Gespräch nie stattgefunden hat? Da ist nichts falsch verstanden, sondern einfach nur erfunden und via Interview per dreister Lüge übermittelt worden. Ich frage mich allerdings, was gerade mal wieder schlimmer ist. Die Erfindungsgabe von Zirkuspferd Holtby oder das erneut katastrophale Krisenmanagement des HSV. Tatsache ist nur, dass Beides dem HSV schaden wird. Was allerdings schon beinahe traurige Tradition hat, ist der Umstand, dass Investigativ-Journalist Marcus „de Vrij“ Scholz die Sensation von Aytekins Entschuldigung brühwarm auf Sender StammelTV „verarbeiten“musste und zum wiederholte Male mit einem Knüller auf den Arsch fiel. So gesehen gab es dann am Ende doch noch etwas zu lachen.

Ach ja, ein kleiner Zusatz noch. 

Wie ja bekannt wurde, hat der glorreiche HSV zur Aufklärung der Rucksack-Affäre eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angeheuert, die Licht ins Stockdunkle bringen soll. Zur Info: Ein Mitarbeiter einer solchen Gesellschaft kostet zwischen € 1.000 und € 1.500 am Tag. Begonnen wurde mit der Geschichte am 12.08.2015, heute schreiben wir den 30.08.2015. 13 Arbeitstag, mindestens 2 Mitarbeiter, bisher müde € 40.000. Pro Monat belaufen sich die Kosten auf ca. € 60.000.

Viel Vergnügen.

P.S. Ne, Matz, so,läuft  das nicht. Jemand, der sich bei jeder Gelegenheit über alles und jeden auskotzt, Spieler diskreditiert, Märchen verbreitet, Manager bepöbelt (natürlich nur die, die gerade gefeuert wurden) und dann Medien-wirksam das eigene Schicksal beklagt, kommt mit einer solchen windelweichen und geheuchelten Entschuldigung nicht durch.