Gestern habe ich tatsächlich mal wieder einen Gerichtssaal von innen gesehen, eine überaus interessante Geschichte. Nein, es ging nicht um mich und mich hatte auch keiner der Patienten, die es ständig und in penetranter Form großfressig ankündigen, verklagt und vor den Kadi gezerrt. Nein, es ging natürlich um den HSV. Ich spare mir an dieser Stelle eine Menge Arbeit und zitierte einfach nur das, was Lars Pegelow, welcher ebenfalls vor Ort war, in Schmocks Einöde sachlich vollkommen richtig dargestellt hat.

Hamburg, den 09.09.2015, Ziviljustizgebäude, Sitzungssaal 335

Im Hamburger Landgericht stand heute der Fall HSV gegen “Rautenherz” auf dem Plan. Nach einer Viertelstunde verließ HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein mit seinen Anwälten als Sieger den Sitzungssaal. Worum ging es? “Rautenherz”, vertreten durch Reiner Ferslev und Martin Rüssel, die im vergangenen Jahr mit ihrem Modell einer HSV-KG ins Rennen um das richtige Ausgliederungs-Konzept gegangen waren (und scheiterten), wollten einen Hilfsfonds zur Unterstützung des HSV-Nachwuchses gründen. Im Grunde ein großartiger Ansatz, aber die Sache hatte einen Haken: Der HSV wollte das so nicht. Bereits am 3. Juni erwirkte der Verein eine einstweilige Verfügung gegen “Rautenherz”. Ferslev wollte die nun aufheben lassen.

“Es ist schwierig, wenn man mit seiner Liebe zu weit ging.” So eröffnete der Richter die Verhandlung – und damit war schon früh klar, dass “Rautenherz” scheitern würde. Der Richter weiter: “So wie Sie es gemacht haben, geht es nicht.” Der Vorwurf an “Rautenherz” war, dass in der Beschreibung des Fonds suggeriert wurde, der HSV sei einverstanden mit dieser Form des Geldsammelns. Doch der Club wertet den Ferslev-Vorstoß nicht als willkommene Hilfsmaßnahme, sondern als Eingriff in sein Selbstbestimmungsrecht. Dabei, auch das machte das Gericht deutlich, sei es egal, ob die HSV AG oder der HSV e.V. von dem “Rautenherz”-Fonds unterstützt werden soll. Nach kurzer Beratung nahmen Ferslev und Rüssel ihren Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung zurück – ihr Modell ist damit ziemlich sicher gestorben. Und die Kosten des Verfahrens müssen sie auch noch tragen.

Wie gesagt – alles das, was Herr Pegelow hier beschrieben hat, entspricht zu 100% der Wahrheit, es wurde nicht hinzugefügt bzw. ausgelassen. Halt, es wurde doch etwas ausgelassen, aber das ist Pegelow nicht vorzuwerfen. Es wurden die inhaltlichen und vereinspolitischen Dimensionen ausgelassen, aber ein Journalist ist nicht verpflichtet, diese zu benennen oder zu bewerten. Ich tue das sehr wohl.

Man muss sich das einmal vorstellen. Der HSV sammelte vor Jahresfrist über eine Anleihe € 17,5 Mio. von seinen Mitgliedern und Fans ein, man wolle einen Campus für die zukünftige Nachwuchsarbeit errichten und benötige Unterstützung der Fans. Diese kam, aber was leider nicht kam, war der Campus. Unglücklicherweise war der HSV wieder einmal so klamm und hatte derart mit seinen Finanzen geschludert, dass die gesamten Millionen für Vorstand- und Spielergehälter bzw. für Abfindungen an geschasste Ex-Mitarbeiter verbraucht wurde, Campus – Pustekuchen. Und hätte Alexander Otto nicht seine Geldbörse großzügig geöffnet, würde es in 200 Jahren kein Nachwuchsleistungszentrum im Volkspark geben.

Nächster Teil des Dramas. Vor einigen Wochen forderte Sponsor, Investor, Mäzen oder was-auch-immer, Klaus-Michael Kühne, die Mitglieder auf, sich mit Spenden am HSV zu beteiligen, er wäre es leid, immer nur der Einzige zu sein. Nun hat eine Fan-Initiative (Rautenherz) die Idee, einen Fond zu gründen, um dem HSV (zweckgebunden) Gelder für Verpflichtungen, Bezahlung und Ausbildung zur Verfügung zu stellen, Rautenherz spricht davon, dass es Absichtserklärungen im hoher sechsstellige Höhe bereits jetzt gebe.

Und was tut der HSV? Er lässt der Initiative Rautenherz eine Unterlassungserklärung zukommen, in der der Initiative mit einem Bußgeld in sechsstellige Höhe bzw. mehrmonatiger Haft gedroht wird, vorausgesetzt, sie verkünde weiterhin, sie würde irgendwelche Gelder im Namen des HSV einsammeln. Rein rechtlich mag man sich darüber streiten, ob dies tatsächlich notwendig sei (die rechtlichen Fragen sind in der Tat ein wenig komplizierter), rein sachlich ist dies meiner Meinung nach das nächste Eigentor per Fallrückzieher von Seiten des Hamburger Sportvereins.

Denn – wie elegant hätte man diese Sache außergerichtlich und ohne Unterlassungserkärung regeln können? Man hätte sich zusammensetzen und besprechen können, wie man am besten an einem Strang ziehen könne, im Sinne des Vereins natürlich. Man hätte Kundenlisten für potenzielle Ansprechpartner erstellen können, die Rautenherz hätte ansprechen können. Mit anderen Worten:

Gemeinsam und nicht gegeneinander!

Dies aber möchte der HSV nicht, er schlägt mit dem groben Hammer zu und findet sich auch noch gut dabei. Vor dem Hintergrund des neuerlichen Trainer-Engagements von Jugendhoffnung Thomas von Heesen in Polen darf man nun gespannt sein, wie sich die Nachwuchsarbeit beim HSV entwickeln wird, denn eines sollte den Herren bewusst sein: Sie stehen unter verstärkter Beobachtung, besonders dann, wenn sie Bemühungen von Mitglieder, ihnen bei einem schwierigen Thema unter die Arme greifen zu wollen, knallhart abschmettern.

Ein Hinweis von meiner Seite zum Schluss:

Die Art, wie Lars Pegelow diese brisante Geschichte „an den Mann“ brachte, war sachlich und inhaltlich zu 100% korrekt, das Resultat bei seiner Leserschaft war:

Keine Reaktion! Nun sollte man nicht so weit gehen und die Reaktionsfähigkeit des durchschnittlichen Schmock-Leser als Maßstab nehmen, dennoch ist es irgendwie bezeichnend. Denn gibt man lediglich die sachlichen Fakten bekannt, verhallt die Geschichte im Nirwana. Interpretiert man sie jedoch und erklärt die Hintergründe, wir die Sache „heiß“.

Und dann heißt es immer, die Leute wollen nun sachlich informiert werden und glauben dem Boulevard kein Sterbenswörtchen. Mal drüber nachdenken!

P.S. Der Richter war laut eigener Aussage übrigens Werder Bremen-Fan.